💌 Herzensgrüße vom 07.06.2025 – Der Tag danach

Hallo ihr Lieben,
die Welt drehte sich weiter. Wie sie das immer tut.
Ganz gleich, was geschieht, ganz gleich, ob man selbst am Boden liegt oder gerade versucht, wieder aufzustehen – sie dreht sich einfach weiter.
Doch an diesem Morgen fühlte sie sich anders an. Nicht lebendig, nicht tot.
Sondern… dumpf.
Als hätte jemand ein feuchtes Tuch über alles gelegt – über das Licht, die Geräusche, meine Gedanken.
Ich war wach. Aber nicht wirklich "da".
Ich fragte mich, ob das, was geschehen war, wirklich mir passiert ist.
Ob ich das nicht einfach nur geträumt hatte oder eine schweigende Beobachterin gewesen war.
Ob das, was ich gesehen, gehört, gefühlt hatte – dieses Übermaß an Gewalt, an Übergrifflichkeit, Bedrohung und Demütigung – nicht doch nur ein Bild war, das mein Verstand gezeichnet hatte.
Aber der Schmerz war echt.
Und so war auch die Erinnerung.
Ich ging diesen Tag langsam an.
Und trotzdem fragte ich mich immer wieder, ob ich hätte anders reagieren sollen. Härter, vehementer, schneller.
War ich zu vertrauensselig gewesen? Wie damals bei Henrik, der uns am Ende in den Rücken schoss?
Doch am Ende dieses Tages, so schwer er auch war, kam ich wieder zu dem einen, klaren Gedanken zurück:
Ich bin nicht verantwortlich für das, was sie getan haben.
Nicht für ihren Hass, nicht für ihre Art, Menschen zu brechen.
Nicht für ihr Schweigen.
🩶 Nachbeben und ein Versuch Haltung zu zeigen
Heute wurde klar, wer sie waren, die drei.
Und dass sie fort sind. Für immer.
Aber das ändert nichts an dem, was zurückbleibt.
Es macht den Moment nicht ungeschehen, es heilt die Wunde nicht.
Aber es hilft.
Ihr früherer Anführer meldete sich bei mir, nachdem er von dem Vorfall gehört hatte.
Wie genau er davon erfuhr, weiß ich nicht.
Vielleicht hatte sich einer von ihnen vor ihm damit gebrüstet.
Vielleicht hatte der Schweigende Gewissensbisse bekommen und im Vertrauen mit ihm gesprochen.
Ronin war nicht dabei gewesen.
Er war keiner von denen, die es getan hatten.
Ronin hatte seine Prinzipien – zumindest sagte man das oft über ihn.
Und lange Zeit hatte ich das auch geglaubt.
Er sprach von tiefer Enttäuschung über das Verhalten seiner sogenannten „Kameraden“.
Er verurteilte ihre Taten mit klaren Worten und erklärte, er wolle nichts mehr mit ihnen zu tun haben – er sei müde ihrer Mätzchen, wie er es nannte.
Er bat darum, nicht länger mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden, und entschuldigte sich, dass er sie überhaupt auf diesen Server gebracht hatte.
Er sprach von Bedauern, nannte es einen Akt der Entmenschlichung.
Er sagte, er habe ihnen seine Meinung gesagt.
Dass ihn das Ganze überraschte.
Dass es nicht mehr nur dumm oder übergriffig gewesen sei – sondern eine klare Grenze überschritten worden war.
Seine Worte klangen, das muss ich zugeben, auf den ersten Blick reflektiert.
Fast aufrichtig.
Aber während ich seine Zeilen las, fühlte ich keine Erleichterung.
Denn Ronin wusste immer sehr genau, wie man sich selbst im passenden Licht präsentiert.
Was er sagte, war nicht falsch.
Aber es fehlte etwas.
Etwas Echtes.
Etwas, das wie echte Verantwortungsübernahme klang.
Er stellte sich neben die Geschehnisse, nicht davor.
Er sprach als Beobachter, nicht als Teil des Ganzen.
Dabei war er über Jahre hinweg der Kopf dieser Gruppe gewesen.
Und dass er nun plötzlich mit ihnen brach, wirkte auffallend bequem.
Ich kannte diese Mechanismen.
Es hatte Zeichen gegeben. Gespräche.
Zwischen mir und ihm.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihn das alles wirklich so überraschend traf.
Und so las sich seine Nachricht eher wie ein Stück wohlformulierte Schadensbegrenzung.
Trotzdem:
Er hatte sich entschuldigt.
Er hatte sich distanziert.
Und ich wusste aus früheren Begegnungen, dass Ronin oft einem inneren Kodex folgte – einer Idee von Ehre, die er selten verriet.
Vielleicht war das jetzt so ein Moment.
Darum nahm ich seine Entschuldigung an.
Zögerlich, mit Vorbehalt – aber ich schätzte die Geste.
Und dass er sich überhaupt gemeldet hatte.
Ich sagte ihm, dass ich seine Worte gehört hatte.
Dass ich verstand, warum er sich distanzierte.
Aber was nun zählte, war nicht das Gesagte – sondern das, was er künftig zeigen würde.
Was folgen würde.
Dann kam der Teil, den ich fast erwartet hatte.
Er versuchte klarzustellen, dass einer der drei anders gewesen sei.
Seiner Schilderung nach waren es nur zwei, die wirklich verantwortlich waren.
Der Dritte – vermutlich der mit dem Ghillie-Kopf, der mich anfangs gestellt und verletzt hatte – sei nur ein Zeuge gewesen.
Zur falschen Zeit, am falschen Ort.
Er habe nichts damit zu tun gehabt.
Er würde so etwas nie tun.
In meinem Hals bildete sich ein Kloß.
Ich wollte kontern.
Sarkastisch, vielleicht auch bissig.
Ich wollte sagen:
„Dann ist ja alles gut.“
Ich wollte schreien, dass dieser Mann mit der Waffe auf mich gezielt hatte.
Dass er die Umgebung gesichert hatte, mich bewacht hatte – wie ein stiller Komplize.
Dass er geschwiegen hatte.
Und dass Schweigen die Täter schützt.
Aber ich sagte nichts.
Nicht, weil ich keine Worte gehabt hätte.
Sondern, weil ich es nicht musste.
Ich musste sein Verhalten nicht erklären.
Ich hatte es erlebt.
Ich hatte es ausgehalten.
Und das reichte.
🚘 Begegnungen auf Abstand
Ich hielt mich zurück an diesem Tag, mied das Zentrum des Lagers.
Bewegte mich eher am Rand. Beobachtete stiller als sonst.
Kurz sah eine dunkelrote Olga mit weißen Türen durch Prigorodki fahren. Vier Männer saßen darin. Ich konnte sie nicht einordnen, nicht wirklich.
Sie hielten kurz, schauten sich um, sprachen nichts – und fuhren weiter.
Ich blieb verborgen. Nicht aus Misstrauen.
Aber… der Schreck saß noch zu tief.
Ich vermute es war MISA gewesen, denn ich erkannte die weißen Armbinden.
Als sie fuhren prüfte ich das Camp. Alles war noch in Ordnung, alles an seinem Ort.
ravini01 meldete sich später. Funkte von einem LKW im Königreich Dolina.
Ich zog nach Chernogorsk los, um mir eine neue Uniform zu besorgen und hatte Glück.
Zurück am Camp erschien dann ein Fremder mit Cowboyhut und roter Sanitäter-Hose.
Ich spannte mich an, rechnete mit dem Schlimmsten, aber dann sprach er und ich beruhigte mich.
Schnell zeigte ich ihm das Nahrungszelt, er bediente sich und lief dann auch schon wieder los.
Aber seine Stimme hallte nach. Ich erkannte sie erst hinterher: Es war Rayzentic gewesen, den wir auch Vlad nannten.
Der Sohn unseres Chernarussen, Alexej. Ein Name, der längst nur noch in alten Geschichten fiel, aber den ich nicht vergessen hatte.
Vlad war zurückgekommen, aber hatte sich nicht zu erkennen gegeben. Warum wusste ich nicht.
Aber ich war froh, dass es ihm gut ging.
🏚️ Unruhe im Stillstand
Aus Chernogorsk erreichten mich beunruhigende Nachrichten.
Cala-j war bei den Containern in einen Kampf verwickelt worden. Er wurde angegriffen, setzte sich zur Wehr – und ging als Sieger daraus hervor. Ich war erleichtert. Und doch war da dieses ungute Gefühl, dass die Gewalt nie wirklich ruht. Sie wechselt nur ihren Ort.
Am späten Nachmittag, kurz vor dem Camp, traf ich auf eine junge Frau.
Zuerst schwieg sie – doch dann fand sie langsam ihre Sprache.
Im Hintergrund wachte Pinky über mich, beobachtete alles aus sicherer Entfernung. Allein der Gedanke daran, dass jemand da war, gab mir Halt.
Denn der Schatten des gestrigen Tages lag noch immer schwer über allem.
Ich bot ihr meine Hilfe an, und sie erklärte, sie suche ihren Freund. Er würde bald aus Richtung Elektrozavodsk eintreffen.
Ich versprach, bei der Zusammenführung zu helfen.
Sie stellte sich mir als Sofi vor, und ich zeigte ihr unser Auffanglager, erklärte das Konzept unserer Camps – und ließ sie sich mit dem Nötigsten ausstatten.
Als ich ihr den Begrüßungsteddy überreichte, fühlte sich etwas in mir seltsam an.
Noch immer zitterte etwas in mir, wenn ich diesen Stoff in die Hand nahm.
Aber es tat gut, wieder in ein vertrautes Muster zurückzufinden.
Etwas zu geben, statt nehmen zu müssen.
Etwas aufzubauen, statt zu fliehen.
Ich warnte sie dennoch.
Erzählte ihr knapp von den Überfällen, die hier geschehen waren.
Riet ihr, im Fall der Fälle sofort in den Wald zu laufen, nach Norden, und nicht zurückzuschauen.
Sie nickte – und ich sah, dass sie verstand.
Etwas später kam dann ihr Freund – genau wie angekündigt.
Er nannte sich Zuterio, kam aus Richtung Elektro.
Auch er erhielt von mir eine kurze Einführung.
Ein Begrüßungsteddy. Und ein paar Worte über das, was wir hier versuchen.
Er hörte aufmerksam zu. Ich bat ihn – wie ich es bei vielen tue –, unsere Lager zu respektieren, auch wenn er sie einmal leer vorfinden sollte.
Ein kleines Zeichen reicht oft, um Hoffnung weiterzutragen.
Während ich gerade eine goldene Deagle verstaute, die ich für den Schatten aus Chernogorsk mitgebracht hatte, trat ohne Vorwarnung ein Fremder aus dem Kochhaus.
Ich erstarrte kurz. Mein Puls beschleunigte sich sofort.
Er hielt eine Waffe in der Hand – und ich wusste nicht, was das bedeutete.
Ich lief einige Schritte hin und her, sammelte mich, dann trat ich ruhig und bestimmt auf ihn zu.
„Bitte leg die Waffe weg“, sagte ich. Zuerst reagierte er nicht.
Ich wich zurück, ging dann hinter ihn – bereit für alles.
Dann sagte er mit stockendem Akzent: „Me no understand.“
Ich wiederholte meine Bitte – auf Englisch.
„Put your weapon away, please.“
Auch Pinky war nun zur Stelle, trat dazu, ruhig aber entschieden.
Zusammen bildeten wir eine Front aus Haltung – nicht aus Gewalt.
Der Fremde senkte die Waffe.
Er sprach nur Englisch. Hatte mich wohl schlicht nicht verstanden.
Das Treffen verlief friedlich – aber mein Körper blieb angespannt.
Zu tief saß der Reflex, dass jedes falsche Wort, jeder falsche Blick… wieder alles auslösen könnte.
Doch heute blieben die Schüsse vom Berg aus.
Keine Sniper. Kein Hinterhalt. Kein Blut.
Nur Stimmen.
Nur Schritte.
Nur Menschen.
Ich zeigte allen das Camp, ließ sie sich versorgen.
Zuterio suchte nach einer Zündkerze – ich konnte ihm keine geben.
Aber Kleidung und Essen fanden sich genug.
Sofi und Zuterio – das war klar – gehörten zusammen.
Der dritte Mann, der sie begleitete, war anders.
Auch er stammte wohl aus Tschechien, aber ich war mir nicht sicher, ob er wirklich dazugehörte. Er nannte sich "Sergej" und erst später erfuhr ich, dass er sich auch NyZE nannte.
Er schwieg. Beobachtete. Und entgegen meiner anfänglichen Vermutung gehörte er nicht zu MISA.
Aber am Ende zog er mit Zuterio und Sofi und sie verließen gemeinsam das Camp.
Zum Abschied gab es eine kleine Geste.
Ein Zeichen mit der Hand – das Herz.
Und ich lächelte.
Nicht, weil ich unversehrt war.
Sondern, weil ich für einen Moment spürte:
Vielleicht beginnt es wieder. Dieses kleine Gefühl von Hoffnung.
Im Industriegebiet von Prigorodki begegnete ich Matthis.
Er wartete auf einen Freund.
Mehr wollte er nicht.
Und ich ließ ihn ziehen.
Unterwegs fand ich noch die Leiche eines Bambis, die mir wieder sehr ähnlich sah.
Nachdenklich bestattete ich die Überreste und gedachte ihr, auch wenn ich sie nicht kannte.
🌆 Still, aber nicht stumm
Während ich selbst auf Loottour in Chernogorsk war, traf Black Lion am Camp auf zwei Bambis.
Viel Betrieb heute, in der Tat.
Er und Jammet fuhren später zum südwestlichen Militärlager, mussten sich aber zurückziehen, als sie zwei andere Überlebende auf einem Boot entdeckten.
In Solnichniy waren wieder die Banana Ops unterwegs.
BloodBlaze funkte nach Essen, Cable98 (Tom) war mit Greeny unterwegs.
Alles fühlte sich kurz so normal an, dass ich es fast vergessen hätte – was war. Aber nur fast.
Dann meldete sich vJoni .
Mit wenigen Worten – aber viel Respekt.
Er sprach für sich, und für El Patron und zeigte seine Anteilnahme für das, was ich gestern erlebt hatte. Außerdem verurteilte er solch ein Verhalten zutiefst.
Ich redete nicht viel, aber ich war für das Zeichen dankbar und nahm die Geste an.
Cable98 (Tom) wurde später vom Camp abgeholt und der Schatten kam zu Besuch, um seine Deagle abzuholen und "hallo" zu sagen.
Und auch Rüdiger war wieder in der Gegend.
Er hatte eine Zombieattacke hinter sich und suchte Zuflucht.
Natürlich kam er nach Prigorodki.
Etwas später kamen auch einige von Banana Ops, um nach dem Rechten zu sehen und ebenfalls zu bekunden, dass sie hinter mir standen.
Silas war auch wieder am Camp. Schweigsam wie immer, aber ich erkannte heute eine Augenbinde über seinem Auge. Ich fragte ihn, was passiert war, aber es folgte keine Reaktion.
Ich vermutetet, er wollte nicht darüber reden. Das passte, denn ich wollte auch über den gestrigen Vorfall nicht zu viel Worte verlieren. Noch nicht.
Aber er deutete auf einen neuen Unterstand, den er wohl für uns errichtet hatte. Ich dankte ihm für seinen Einsatz.
So grillten wir wieder und am Ende zog er sich in seinen kleinen Verschlag zurück um zu schlafen. Ich versprach ihm, dass ich ihm eines Tages ein Haus bauen würde.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob er das unbedingt möchte.
Pinky war noch so freundlich, mir einen taktischen Rucksack zu schenken. Einer von denen, die wir scherzhaft "Churchhill Sessel" oder "Coyote Backpack" nennen und die ich so liebe.
Vielen Dank für die nette Geste!
🎯 Und zwischendrin Stille
Kurz sah ich noch einen Bewaffneten in der Nähe.
Ich blieb im Schatten, beobachtete mit meinem Scope.
Er zog weiter.
In der Nacht gab es kleinere Feuergefechte zwischen Gruppen.
Nichts Großes.
Aber die Luft vibrierte.
Ich blieb wach.
Nicht, weil ich Angst hatte.
Sondern, weil ich musste.
Ich bin noch da.
Aber ich bin nicht mehr dieselbe.
In diesem Sinne: Bleibt am Leben und passt auf euch auf!
gez.
~ Herz-aus-Gold 💛