//Ab hier behandeln die Beiträge die Geschehnisse während des Event-Finales aus Herz-Aus-Golds Sicht.
Unbekanntes Datum – Polizeistation Chernogorsk
Das große Finale (2) - Eigeninitiative

"All the bones that you′re breakin′ (Breakin')
You pretend that you′re the one that can save me (Save me)
Now I'm takin′ it back, it was never yours (Never yours)
I'm fightin′"
Das kalte Licht des Nachmittags fällt durch das Tarnnetz vor meinem Verschlag, während ich regungslos auf dem Boden sitze. Mein Magen knurrt, und meine Prellungen pochen schmerzhaft bei jeder Bewegung. Plötzlich höre ich eilige Schritte, die über das Dach hin und her hallen. Die Entführer sind in Aufruhr, ihre Stimmen werden lauter, schärfer. Es ist nicht zu übersehen, etwas ist im Gange.
Dann fallen die ersten Schüsse, dumpf und schallgedämpft, und ich halte den Atem an. Kommen sie aus Richtung Prigorodki? Meine Hoffnung keimt auf, aber ich wage nicht, sie zu nähren. Stattdessen hebe ich die Hände über den Kopf, ein entwaffnendes Zeichen, das meine Unterwürfigkeit zeigen soll. Wenige Sekunden später öffnet sich das Tor, und ein Entführer, den ich noch nie gesehen habe, tritt ein. Ohne ein Wort fesselt er meine Hände hinter dem Rücken, grob und schnell. Er will sichergehen, dass ich keinen Versuch wage, ihren Plan zu durchkreuzen.
Ich hocke mich in die Ecke meiner Zelle, meine Hände eingeschränkt, die Bewegungen schmerzlich. „Das wird nicht leicht“, denke ich, während ich die Stimmen draußen höre. Es sind mindestens zwei, vielleicht drei Bewacher auf dem Dach. Die Waffe des Asiaten ist plötzlich wieder auf mich gerichtet, als er erneut vor meiner Zelle auftaucht. Seine Augen funkeln bedrohlich, und mit einer klaren Geste deutet er auf mich. „Dir wird’s heute dreckig ergehen!“, sagt er mit einem Grinsen.
Welcome to my world. Mal ehrlich, schlimmer als das, was ich bisher durchgemacht habe? Ich bitte euch… es kann einfach nur besser werden.
„Angst, Potter?“, stoße ich hervor, der Sarkasmus ist meine einzige Verteidigung. Warum dieses Zitat? Es scheint aus einer längst vergangenen Welt zu kommen. Aber es ist heraus, und ich spüre einen Funken Triumph, als er kurz stutzt. „Träum weiter“, gibt er schließlich zurück. Sein Lachen hallt in meinem Kopf wider, doch seine Worte fügen sich nahtlos in die Widersinnigkeit der Situation. Es ist ein Duell, das wir beide gerade begonnen haben.
Als er sich entfernt, beginne ich damit, an meinen Fesseln zu arbeiten. Das Metall der Handschellen drückt sich in meine Haut, aber ich muss etwas tun. Sobald ich Schritte höre, halte ich inne, um keinen Verdacht zu erregen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, das ich mir nicht leisten kann zu verlieren. Ein Schuss hallt über das Dach, diesmal näher. Meine Finger arbeiten weiter, trotz des metallischen Klicken der Handschellen, das die Stille durchbricht.
Endlich bin ich frei. Meine Handgelenke pochen, aber ich kümmere mich nicht darum. Stattdessen wende ich mich dem Zahlenschloss zu, das mein Tor sichert. Es hat nur drei Stellen – ich kann das schaffen! Mit zitternden Fingern stelle ich eine Kombination nach der anderen ein, immer wieder innehaltend, wenn Schritte näherkommen.
„Benimm dich, sonst Beine krack krack!“, schreit der Asiate plötzlich und schlägt mit seinem Gewehr nach mir, als er meine Versuche bemerkt. Ich weiche zurück, ein erschöpftes „Lern mal Deutsch!“ entfährt mir, bevor ich mich wieder in die Ecke meiner Zelle zurückziehe. Von unten höre ich Trinitys Stimme, scharf und genervt: „Schnauze da oben!“ Sie ist also auch hier. Doch wo ist Chuck?
Die Zeit vergeht, Schuss um Schuss hallt über das Dach. Ich mache weiter. Langsam, geduldig. Wieder stelle ich eine Ziffer ein. Plötzlich eine Explosion – der Boden unter meinen Füßen bebt. Eine Sprengladung muss unten detoniert sein. Der Asiate rennt vorbei, das Gewehr im Anschlag, und ich nutze die Gelegenheit. „Haha, siehst du? Sie kommen! Spürt die Power meiner Bambi-Armee!“, rufe ich ihm einschüchternd hinterher, während ich am Schloss arbeite. Als hätte ich eine Armee zur Verfügung, aber vielleicht zeigt der Bluff ja Wirkung.
Meine Finger zittern so stark, dass ich kaum die nächste Zahl einstellen kann, aber ich lasse mich nicht aufhalten. Die Welt um mich herum scheint in einer Kakophonie aus Schüssen, Explosionen und panischen Schreien zu versinken.
Dann höre ich ihn wieder. „Du wirst noch dein blutiges Wunder erleben!“, droht der Asiate, seine Worte verlieren sich fast in der tosenden Geräuschkulisse. Doch diesmal ist es mir egal. Ein letztes Mal nehme ich all meine Kraft zusammen und fokussiere mich auf das Schloss. Schüsse. Explosionen. Schritte, die über mir dröhnen. Ich weiß nicht, ob meine Befreier es bis hierhin schaffen, aber ich muss am Ball bleiben.
~ ~ ~
Die Zeit schleppt sich dahin wie eine Schnecke auf einem Sandweg. Ich sitze auf dem harten Boden meiner Zelle, die Hände schmerzen von den Fesseln, und meine Gedanken kreisen unaufhörlich um Fluchtmöglichkeiten. Immer wieder beobachte ich die Bewegungen der Bewacher, lausche auf die Schüsse und das dumpfe Echo der Detonationen, die aus der Ferne durch die Mauern dringen. Ich kann nur langsam am Schloss arbeiten und muss alles gut timen. Wenn ich das Schloss nicht knacken kann, so lenke ich wenigstens die Aufmerksamkeit eines potenziellen Schützens auf mich. Aber ich muss vorsichtig sein und darf den Boden nicht überspannen.
Die Retter sind da, davon bin ich überzeugt. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.
Mit zittrigen Fingern taste ich erneut das Schloss ab, kaum dass mein Bewacher sich entfernt hat. Eine Zahl nach der anderen stelle ich ein, so vorsichtig wie möglich. Doch das metallische Klicken bleibt nicht unbemerkt. „Wirst du wohl aufhören!“, donnert der Asiate von draußen, sein Gewehr im Anschlag. Ich hebe sofort die Hände und weiche zurück. Doch kaum ist er wieder verschwunden, mache ich weiter.
Ein perfides Spiel beginnt. Ich bin am Zug auf diesem Schachbrett, meine Bewegungen begrenzt, während die Bauern um mich herum patrouillieren. Doch ich bin nicht gewillt, mich schlagen zu lassen. Mein nächster Zug: Ich greife eine der Hundefutterdosen aus dem gelben Fass und werfe sie mit voller Wucht auf den Boden. Ohne Dosenöffner bekomme ich sie ohnehin nicht auf. Ein weiterer Ausdruck von Hohn durch meine Entführer.
Das dumpfe, blecherne Scheppern hallt durch die Zelle, und wie erhofft, stürmen gleich zwei Bewacher mit erhobenen Waffen herbei. Ihre Augen sind weit aufgerissen vor Anspannung, vermutlich haben sie mit einem weiteren Granatenangriff gerechnet.
„Die Gefangene möge sich ruhig verhalten, sonst werden ihr die Beine gebrochen.“ Die Durchsage hallt durch die Lautsprecher der Stadt, fast wie die Bahnhofsdurchsage in der alten Welt. Die Stimme ist ruhig, fast gelangweilt, als wäre das alles ein routinemäßiger Tag im Büro. Es wäre beinahe absurd, würde nicht gerade meine Freiheit auf dem Spiel stehen.
Ich lausche auf das Geräusch ihrer Schritte, warte, bis sie sich entfernen, dann greife ich wieder zum Schloss. Die Zahlen stellen sich träge unter meinen zittrigen Fingern, eine nach der anderen. Doch plötzlich ein Schrei: „Hör auf damit, sonst brech‘ ich dir die Füße!“, brüllt der Asiate und stürmt erneut auf mich zu. Dieses Mal gebe ich ihm eine Blutkonserve durch die Gitterstäbe, ein Akt der Beschwichtigung. „Hey, ich will dir ja nur die Blutspende geben.“, sage ich ruhig, obwohl mein Herz rast.
„Warum seid ihr so nervös?“, frage ich, meine Stimme so beiläufig wie möglich. Seine Augen verengen sich. „Ein Vögelchen hat gezwitschert, dass du heute eine Befreiungsmission erleben wirst.“ Seine Worte sind übertrieben gewählt, als hätte er meinen Spott von vorhin in Bezug auf seine Deutschkenntnisse tatsächlich ernst genommen.
„Na, das freut mich doch“, antworte ich, und meine Erleichterung ist echt. Sie kommen. Meine Befreier kommen wirklich! „Na dann haut rein, da draußen!“, rufe ich, wobei ich jede Silbe betone, damit meine Stimme das Mikrofon in der Sendezentrale unter mir erreicht.
„Die Chuckattacks werden es verhindern!“, tönt die tiefe Stimme aus den Lautsprechern, doch ich lasse mich nicht einschüchtern. „Holt mich hier raus, jawoll! Die Typen sind komplett irre!“, schreie ich, so laut ich kann. Der Asiate kehrt zurück, sein Gesicht verzerrt vor Wut. „Du wirst noch dein blutiges Wunder erleben!“, zischt er, doch ich antworte mit einem sarkastischen Grinsen. „Oh Mann, der Wortwitz! Hast du da lange dran gesessen?“ Seine Fassade bröckelt. Er greift nach seinem Gewehr, doch eine Explosion unter uns lässt ihn zurückschrecken. Der Boden erbebt, Staub rieselt von der Decke. Meine Retter sind nicht weit und er eilt zurück zu seinem Posten.
Ich mache mich erneut am Schloss zu schaffen, meine Finger zittern, doch ich bin entschlossen. Ein Schuss durchbricht die Luft, dann noch einer, und die Panik der Entführer wird greifbar. Die Welt um mich herum versinkt wieder in jener Kakophonie aus Schüssen, Explosionen und panischen Rufen. Der Boden bebt erneut, und das Tor gibt ein leises Knirschen von sich. Es ist noch nicht offen, aber ich weiß, ich bin nah dran. Sehr nah. Mein Herz hämmert in meiner Brust, die Freiheit ist greifbar.
Ich werde nicht aufgeben. Nicht jetzt. Nicht hier. Heute endet das. Auf die eine oder andere Art.
~ ~ ~