20. April 2023 – Abstürze und Höhenflüge
Morgenstund‘ hat Loot im Mund, der frühe Spieler kriegt den Loot… oder so ähnlich? Ich sollte diese Witze wirklich seinlassen…Jedenfalls habe ich es heute endlich mal geschafft, nicht zu verschlafen. In den frühen Morgenstunden wandere ich gemütlich zum Bambi-Auffanglager. Die Sonne ist noch nicht richtig zu sehen. Nur mein alter Freund, der Nebel, legt sich malerisch über die Küste, umhüllend, schützend… Nein, ich lasse dieses poetische Zeug lieber. Keine Witze, keine Poesie… das sollte ich Leuten überlassen, die sowas können. Aber irgendwie mag ich die eigenartige Stimmung in Prigorodki zu dieser Tageszeit. Einerseits ist es hier so still und friedlich, aber auch unheimlich zugleich. Ein krasser Gegensatz eben.
Am Camp angekommen kontrolliere ich alles auf Vollständigkeit. Zumindest seit gestern gab es keine ungebetenen Besucher mit bösen Absichten und alle scheint noch so zu sein, wie ich es hinterlassen habe. Nunja… fast. Die Unterstände schauen mich traurig an. Kaum warme Kleidung ist zu finden. Stimmt ja! Wir hatten uns am Vortag vorgenommen, Nachschub zu besorgen, aber dann kam ja bekanntermaßen einiges dazwischen. Ich muss über den seltsamen Vorfall zwischen Ravini, Opi und eben am Ende auch Eugene denken. Das Schicksal hat hier trotz aller Härte schon einen gewissen Grad an Humor bewiesen und ich bin froh, dass alles nun doch einigermaßen gut ausgegangen ist. Vielleicht klappt es ja heute und wir können einen Ausflug ins Landesinnere machen, um Kleidung zu organisieren.
Doch zunächst einmal frühstücke ich ein paar getrocknete Äpfel. Allein am Camp gehe ich anschließend meiner gewohnten Arbeit nach, pflanze hier und da ein paar Kartoffeln, die ich gestern von Ravini bekommen habe und hoffe, dass vielleicht bald einige meiner Mitstreiter auftauchen und wir zusammen losziehen können. Bis zum Sommercamp in der Nähe von Myshkino ist es weit, aber dort gibt es meist etwas Gutes zu finden. Für einen Moment hadere ich. Ich könnte theoretisch das Bambi-Mobil aus der Garage holen und selbst losfahren. Nur, bin ich ein grausamer Fahrer und würde vermutlich nicht lebend aus dem Vorort herauskommen. Und falls ich das schaffen würde, hätte ich mich bestimmt in kürzester Zeit verfahren oder würde irgendwo stranden. Nein, das überlasse ich lieber Leuten in meinem Team, die sich mit so etwas auskennen. Beispielsweise Hikaru. Sie hat vor Kurzem das Fahren gelernt und sich innerhalb von kürzester Zeit zu einer tollen Fahrerin gemausert. Wir haben gemeinsam so manches verrückte Abenteuer überstanden. Ich muss etwas lachen, als ich an die ersten Fahrversuche denke, aber höchstwahrscheinlich hätte ich mich wesentlich schlimmer angestellt. Hikaru ist absolute klasse und ich bin über jede weibliche Ergänzung im Team dankbar. Irgendwie muss ich jetzt an die gute Thorin denken. Sie hat uns früher auch immer tatkräftig als Samariter unterstützt und war so etwas wie die gute Seele der Gruppe. Sie hatte immer einen passenden Spruch auf Lager, um selbst in den düstersten Stunden die Gruppe zu motivieren. Und einmal hat sie zwei Banditen ganz alleine mit einem Stein erledigt. Mit einem popligen Stein! Ich habe es zwar nie aufgeschrieben, aber ich weiß noch, wie wir vor Jahren einen unserer Einsätze in Staroye hatten. Zwei Banditen gaben sich erst freundlich und als wir zu viert dann in ein Haus vor herannahenden Zombies und Schüssen aus dem Militärlager fliehen mussten, wandten sich die beiden plötzlich im Inneren gegen uns. Unsere Scouts draußen hatten uns aus den Augen verloren und Thorin und ich waren auf uns selbst gestellt. Ich wollte gerade meine Waffe ziehen, zögerte aber eine Sekunde zu lang. Sofort verlor ich das Bewusstsein, als einer von beiden das Feuer direkt auf mich eröffnete. Während die Welt um mich herum in Schwärze versank, blieb Thorin unglaublich geistesgegenwärtig. Mit einem einfachen Stein schaffte sie es, einen nach dem anderen auszutricksen und K.O. zu schlagen. Einfach unglaublich… Und ja, ich weiß.. Ich sollte wirklich etwas besser auf mich achten. Das sagt Kanu auch immer. Ich kann halt schlecht aus meiner Haut. Jedenfalls bin ich froh, solche Freunde als Backup zu haben. Meine Arbeit hier wäre ohne solche Freunde, die einem den Rücken freihalten unmöglich. Danke Leute!
Ich hoffe, Thorin geht es gut und sie meldet sich mal wieder. Unser letzter Kontakt ist jetzt vermutlich auch schon ein paar Wochen her…. Aber wer weiß? Vielleicht steigt demnächst ja wieder eine große Grillparty am Bambi-Auffanglager. Lust darauf hätten wir alle mit Sicherheit.
Während ich meinen Gedanken nachgehe, laufe ich meine tägliche Route in Richtung Cherno ab. Unterwegs finde ich tatsächlich ein paar Teddybären und muss grinsen. Ja, diese Teddys haben auch schon für interessante Geschichten und Verwechslungen gesorgt, aber die schreibe ich ein anderes Mal auf. Für den Moment bin ich froh, ein paar von Ihnen gefunden zu haben und ich kann sogar noch ein paar Vorräte mitbringen. Fast bin ich schon wieder am Lager, als starker Regen einsetzt. Na klasse… Wieder dieses Mistwetter. Eine Stimme dringt an mein Ohr. Opi meldet sich. Er benötigt meine Hilfe dabei, eines seiner Militärzelte in Sicherheit zu bringen und würde mich gerne mit dem Auto mitnehmen. Auf dem Rückweg könnten wir dann noch einen Abstecher in Myshkino und dem nahegelegenen Sommercamp machen, um warme Kleidung zu organisieren. Eine Hand wäscht die andere und ich stimme zu. Auch Jammet lässt sich am Lager blicken und kommt sehr gerne mit, froh über etwas Ablenkung und die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun. Fantastisch! Zu dritt fühle ich mich doch wesentlich sicherer, denn die Gegend dort birgt für mich nicht nur gute Erinnerungen.
Unterwegs kommen wir an einem kleinen Militärlager vorbei, beeilen uns aber schnell, durchzukommen. Mit Militärlagern habe ich ohnehin nicht so viel am Hut. Zu gefährlich und viele Überlebende schießen dort erst und fragen später.
Wir setzen unseren Weg fort und stellen das Auto in einem nahegelegenen Wäldchen ab. Gekonnt schleichen wir uns am Hang entlang in Richtung des Sommercamps. Leichter gesagt als getan. Meine zwei Freunde sind aufgrund ihrer Kleidung perfekt getarnt, aber ich steche natürlich aus dem Grasgrün hervor wie ein roter Papagei. So suche ich in den Tannen Schutz. Stückchen für Stückchen kommen wir näher und Jammet gibt das Okay. Das Lager sieht ruhig und verlassen aus. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Für die Bambis!… oder so ähnlich, denke ich mir und stürme los. Ich lasse meine beiden Freunde zurück auf ihrem Beobachtungsposten und renne gut sichtbar den Hang hinunter. Durch den Fluss muss ich waten und ein Stück schwimmen. Schon wieder nass. Dabei hatte der Regen doch gerade erst aufgehört…
Am anderen Ufer wringe ich meine Kleidung aus und mache mich dann auf die Suche nach wärmenden Kleidungsstücken, die wir in unsere Unterstände packen können. Vorsichtig rufe ich ein paar Mal, um andere Überlebende auf mich aufmerksam zu machen, aber es kommt keine Antwort. Also fasse ich mir mein Herz und öffne eine Türe nach der anderen. Meine Ausdauer wird belohnt. Es gibt so viele Kleidungsstücke, dass ich mir einen improvisierten Rucksack herstellen muss, um alles tragen zu können. Und bis auf die Tatsache, dass ein wildgewordener Hirsch durch das Lager rennt und beim Röhren sein Bestes gibt, passiert auch tatsächlich nichts.
Ich arbeite mich zurück aus dem Lager, schwimme erneut durch den Fluss und klettere den Hang wieder rasch hinauf. Dort warten schon meine Freunde, nehme mir einige der schweren Dinge ab und gemeinsam geht es mit dem Auto zurück in die Heimat. Unterwegs kommen wir noch an einem Konvoi vorbei, aber die Zombies haben gegen uns drei keine Chance. Ein paar funktionstüchtige Militärwesten ergänzen nun unsere Kleidersammlung. Wir fahren weiter, die Laune ist gut. Doch plötzlich passiert etwas Unerwartetes: Unser Auto überschlägt sie mitten auf der Straße mehrere Male, landet dann aber wie in einem schlechten Hollywood-Streifen (die gab es ja früher…) auf seinen Rädern und fährt weiter. Ich muss unglaublich viele Schutzengel da draußen haben. Oder wir alle drei… wie durch ein Wunder ist keiner verletzt worden und auch das Auto ist, abgesehen von ein paar Dellen, heil geblieben. Rückblickend betrachtet werden die Überschläge jedes Mal mehr, je häufiger wir von dem Vorfall erzählen. Unserer letzten Zählung nach waren es 4-5. Einfach unglaublich…
Schließlich kommen wir erschöpft, aber glücklich um die Mittagszeit beim Lager an. Dort warten schon Ravini, Charly und Tabasko in ihrem roten Auto auf uns. Ravini zeigt sich für die Unterstützung gestern erkenntlich und spendiert uns eine weitere Fahne, die wir bei Bedarf in der Zweigstelle in Solnichniy anbringen können. Wir diskutieren eine Weile, ob wir die Fahne im Bambi-Auffanglager nicht doch durch einen Zaun schützen sollten, aber ich lehne das gefühlsmäßig ab. Wenn jemand uns berauben möchte, dann findet er oder sie so oder so einen Weg. Das Lager soll offen für alle sein und nicht an einen Hochsicherheitstrakt erinnern.
Die drei Jungs verlassen das Camp gemeinsam mit Opi nach einem kurzen Plausch und einem gemeinsamen Mittagessen das Lager in Richtung Solnichniy und ich verstaue die gefundenen Sachen. Opi sagte etwas von einem Autozelt, dass er finden wolle. Ich wünsche ihnen viel Glück.
Nach einigen Stunden des Sortierens, sind die Unterstände sind wieder gut gefüllt. Perfekt!
Ich beschließe, mich noch etwas auszuruhen.
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Ein Funkspruch weckt mich aus einem gefühlt kurzen Schlaf. Kanu und Jammet sind auf dem Weg ins Lager und möchten sich mit mir treffen, damit wir gemeinsam nochmals ins Sommercamp fahren können. Vielleicht finden wir ja noch weitere brauchbare Sachen.
Gesagt getan und gemeinsam geht die Fahr durch Berg und Tal. Tatsächlich lohnt sich der Abstecher in einen Supermarkt und wir finden eine weitere Fahne für ein potenzielles Lager. Am Camp angekommen, teilen wir uns auf. Jammet und Kanu möchten sich den Militärteil ansehen, doch da stürzt plötzlich auf der anderen Seite des Flusses ein Helikopter ab. Diesen wollen sich die beiden nicht entgehen lassen, während ich im Sommercamp nochmals einige Jacken und Hosen einstecke.
Wir verstauen alle Fundsachen im Auto und als ich nochmals ins Camp möchte, um weitere Kleidungsstücke zu holen, lässt mich ein ohrenbetäubender Lärm aufhorchen. Direkt über mir sehe ich, wie ein weiterer Helikopter abstürzt. Jammet und Kanu beschließen, nun doch das Militärlager zu durchsuchen. Ich dagegen klettere den kleinen Berg hinauf und versuche, den Helikopter zu finden. Vielleicht gibt es ja Überlebende? Vorsichtig schleiche ich mich heran und tatsächlich erkenne ich in einiger Entfernung große Gestalten. Ich bin aufgeregt und etwas ängstlich, wer das wohl sein mag, doch noch ehe ich die Lage richtig erkannt habe, stürzt auch schon ein Zombie mit lautem Geheul von hinten auf mich zu. Die Gestalten vor mir sind gewarnt und springen ebenfalls jaulend auf. Mit einem Schlag wird es mir eiskalt bewusst: Es gibt keine Überlebenden. Das Virus hat den Piloten und die Besatzung erwisch und darum muss der Helikopter abgestürzt sein. Ich kämpfe verbissen um mein Leben, ziehe meine Waffe und schieße auf die schiere Übermacht. Das Magazin ist leer. Ich hebe meine Fäuste zum Schutz und hole aus. Rechts, links… Deckung, doch die Zombies sind einfach zu viele. Von allen Seiten prügeln sie auf mich ein und ich gehe zu Boden. Um mich rum wird alles schwarz. Zwar konnte ich noch einen Notruf ausgeben, aber ich fürchte, das war das Ende meines Abenteuers.
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Ein Licht. Es tanzt vor meinen Augen. Kommt näher und verschwimmt wieder im Dunkel. Es wirkt, als wolle es mich provozieren und herausfordern. Ich rufe dem Licht entgegen: „Bleib hier! Warte! Ich will noch nicht gehen!“ Dann ist wieder alles schwarz. Wie lange habe ich da gelegen? Ich weiß es nicht, aber plötzlich komme ich wieder zu mir. Neben mir steht ein großer Zombie, der wohl das Interesse verloren hat. So leise wie möglich verbinde ich meine Wunden und schleiche mich gebückt an den stöhnenden Viechern vorbei in Richtung des Helikopters. Ich packe alles ein, was für uns von Nutzen sein könnte, lade meine Waffe nach und erledige drei, vier Zombies mit einem glatten Kopfschuss. Das Adrenalin schießt in meinen Körper und ich beginne zu rennen. Immer weiter, zurück zu meinen Freunden und dem Auto. Über Funk teile ich ihnen mit, dass alles in Ordnung ist. Sie warten am Feldweg auf mich und hastig steige ich ein, den Rucksack voller erbeuteter Dinge in der Hand.
Schließlich geht unsere Fahrt weiter zurück in unser Lagerhaus. Dort warten wir erst einmal das Auto, sortieren die Kleider nach Brauchbarkeit und füllen schließlich die Unterstände im Camp auf. Charly, Opi und Tabasko kommen noch kurz vorbei, um mir ein Megaphon zu überreichen. Ich grinse breit. Mit solch einem Ding habe ich schon allerhand angestellt. Wir testen gleich, wie weit es reicht und treiben Allerhand Schabernack. Ich bedanke mich herzlich für das unheimlich praktische Geschenk. Mit einer gefundenen Spitzhacke erstelle ich noch einen kleinen Steinofen und brate etwas Hähnchenfleisch, ehe ich mich müde in meine Behausung zurückziehe.
Was für ein ereignisreicher Tag und wieder habe ich überlebt. Über Funk höre ich noch kurz Eugene, der ebenfalls einen spannenden Tag hinter sich hat und mit seinem Freund überlebt hat. Alles ist gut. Der Traum lebt weiter. Danke, Freunde!