Tagebuch eines Samariters in Chernarus (Vanilla) - Band 1: Prigorodki (1.20)

  • Tagebuch eines Samariters in Chernarus



    „Wenn wir überleben wollen, muss der Traum weiterleben.“



    Hinweis: 


    Dieses Buch behandelt dem Umgang mit Krankheit, Depressionen, Suizid und verwendet verbale Kraftausdrücke. Wenn du auf derartige Themen sensibel reagierst, lies diesen Eintrag vielleicht lieber mit einer vertrauen Person, mit der du das Lesen auch unterbrechen kannst, um dich über das Gelesene auszutauschen oder lies einfach nicht weiter.





    *****************************************


    Das Tagebuch hier im Forum beginnt im April 2023. Wer noch etwas mehr lesen möchte, kann dies online tun. Dort habe ich die fehlenden Einträge seit März nachgetragen und nun kann man die GANZE Geschichte lesen. Leider konnte ich aufgrund der Zeichenbegrenzung im ersten Post nichts mehr einfügen, aber hier findet ihr nochmals alles in leserlicher Form online:


    Zitat

    Tauche ein in die fesselnden Geschichten und Erlebnisse der Samariter von Chernarus, die seit 2016 als Helfer und Retter in Chernarus aktiv sind. Sie haben eine Mission, Menschen zu helfen und eine Oase der Sicherheit inmitten des Chaos zu schaffen. Erfahre mehr über ihre Begegnungen mit anderen Überlebenden, ihren Herausforderungen und ihren unermüdlichen Einsatz, um etwas Menschlichkeit in der Apokalypse zu verbreiten und den Traum am Leben zu erhalten.

    Bereite dich darauf vor, in eine Welt voller Überlebenskampf, Freundschaft und Verrat einzutauchen. Werde Teil der Geschichte und erlebe unvergessliche Abenteuer in einer Welt, in der jede Handlung über Leben und Tod entscheiden kann.



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    --> Das Tagebuch eines Samariters in Cheranrus Band 1: Prigorodki bei Heyzine.com


    Oder für den heimischen Reader zum Runterladen:


    [--> Link zur PDF]




    Über Kommentare, Anregungen und Rückmeldungen freude ich mich natürlich. Vielen Dank euch allen!





    18. April 2023 - Vandalismus


    April… es muss April sein. Bei diesem Mistwetter.


    Ich wache am späten Nachmittag auf. Es muss den ganzen morgen durchgeregnet haben, das Gras ist feucht, aber die Sonne kommt endlich etwas hervor. Viel zu lange habe ich in meiner kleinen Hütte geschlafen. Meine kleine Hütte, meine Zuflucht. Wie viele Tage ist es schon her, seit es mich hierher in den kleinen Vorort von Chernogorsk verschlagen hat? Prigorodki, der Vorort.

    Für uns seit einigen Monaten mehr ein Zufluchtsort vor der hektischen Großstadt. Wer hätte gedacht, was sich in dieser Zeit so alles entwickeln würde. Aus dem kleinen Unterstand am Brunnen wurde ein stattliches kleines Bambi-Auffanglager mit Feldern, Werkzeugschuppen, Küche und natürlich Unterständen voller nützlicher Dinge. Nichts Besonderes, aber das, was man als Überlebender an der Küste in seinen ersten Stunden so benötigt. Eben ein kleines Stück Menschlichkeit in dieser grausamen postapokalyptischen Welt; Unser Traum von einer besseren Welt, von Mitgefühl, Zusammenarbeit und Menschlichkeit.


    Der Traum… auf gewisse Art und Weise, teilen viele hier diesen Traum. Jeder auf seine Weise und jeder packt kräftig mit an. Man kommt ins Gespräch, tauscht Geschichten aus, hilft sich und ist einfach froh, Gleichgesinnte zu treffen. Gemeinsam lachen und weinen. Das tut gut in der oft so einsamen Welt. Dennoch bleibt natürlich ein Risiko. Jeder Kontakt, egal ob bewusst oder unbewusst kann tödlich sein. Aber wir halten an dem Traum fest und freuen uns über jeden, der unser Lager in der Not erreicht und Hilfe findet.


    Ich schweife ab, oder? Nun, noch ist von meinem Team keiner zu sehen und ich versinke in Gedanken. Aber es wird Zeit, aufzubrechen. Nachdem ich meine Vorräte überprüft habe, verlasse ich meinen Zufluchtsort und mache mich ins Auffanglager auf. Schon von Weitem grüßen mich die braunen Zeltplanen der Unterstände am Brunnen. Alles sieht ruhig und friedlich aus.


    Doch wie so oft, trügt der Schein. Während ich mich von den Strapazen der vergangenen Tage in meiner Hütte erholt hatte, muss jemand im Lager gewesen sein, denn schon als ich es betrete wird dies deutlich: Vor dem Brunnen liegen verschiedene Rucksäcke. Arglos in der Gegend herumgeworfen. Der Medizinunterstand wurde ebenfalls massiv geplündert. Bandagen, Medikamente… jemand hatte es wohl dringend nötig, sich die Taschen vollzustopfen. Auch in Sachen Bekleidung fehlten einige Militärwesten. Soweit so gut. Die Bambis könnte doch wirklich etwas Ordnung im Lager halten. Aber warum sind überall Sachen verteilt? Es wirkt fast so als ob… ich stocke, ringe nach Atem. Es war jemand im Lage, der wollte, dass Dinge verschwinden.

    Meine Befürchtungen bestätigen sich, als ich in den Werkzeugschuppen gehe. Auch dort fehlen wichtige Werkzeuge. Als ich die Küche betrete ist der Schock komplett. Aus der Feuerholzkiste wurden Feuerzeug und Streichhölzer genommen, die Essenskiste wurde komplett geplündert. Inklusive der Kiste! Respektlos wurden einige geräucherte Hähnchenbrustfilets einfach auf den Boden geworfen. Die zweite Kiste mit den Kochtöpfen fehlt ebenfalls. Schnell wird mir klar: Das kann keine einzelne Person gewesen sein und es steckte wohl ein Plan dahinter. Das von den beiden einsamen Wölfen Max und Kevin gesponsorte Zelt wurde ebenfalls abgebaut und etwas weiter am Wegrand platziert. Alle Gegenstände demonstrativ im Garten verteilt; ein Anblick der Verwüstung und puren Ignoranz gegenüber dem, was wir hier tagtäglich unter dem Einsatz unseres Lebens auf die Beine stellen wollen. Diese Ignoranz schmerzt, aber nach den letzten Jahren, in denen ich schon als Samariter in Chernarus unterwegs war weiß ich, dass aufregen nichts bringt. Im Gegenteil. Vermutlich wollten die Fremden damit ein Statement setzen. Sich groß fühlen. Aber was ist schon dabei, ein Geschenk unter einem Weihnachtsbaum zu rauben?

    Es scheint wohl wirklich so zu sein: Viele Menschen sind einfach nicht in der Lage, Güte und Gnade anzunehmen. Entweder wollen sie etwas dafür tun oder aber – wie in diesem Fall – sich beides gewaltsam nehmen und dem Geber noch dreist ins Gesicht lachen. Bitteschön. Nur, weil da draußen sich einige wie die buchstäblichen Arschlöcher – verzeih die fäkale Wortwahl, aber in diesem Fall ist sie einfach passend und angemessen – aufführen, werde ich nicht selbst zu einem.

    Ich packe also alles zusammen, bete um innere Gelassenheit und gebe einen Funkspruch an mein Team heraus. Zunächst versuche ich erst einmal Ordnung ins Chaos zu bringen und mache eine Bestandaufnahme. Über Funk meldet sich auch Ravini aus Chernarus. Unser lieber Farmer, der gerade mal wieder auf Tour ist. Auch ihm hatte das Schicksal gestern übel mitgespielt und für einige Minuten tut es einfach gut, jemanden zum Reden zu haben, während ich die kargen Überreste des Lagers zusammensuche. Unglaublich, wie viel Böswilligkeit mir da entgegenschlägt. Jedes Hemd, dass ich einsortiere, jede Kiste, die ich neu befülle. Alles scheint mir ins Gesicht zu lachen und zu sagen: „Mann bist du doof, dass du das immer wieder machst!“. Tapfer halte ich dagegen. Der Traum darf nicht sterben. Jemand muss anfangen und einen Unterschied machen. In diesem Fall sind wir es.


    Etwas später trifft schließlich Hikaru ein, die meinem Funkspruch gefolgt ist. Gemeinsam beschließen wir, uns in die Stadt vorzuwagen und die Vorräte aufzufüllen. Dabei bekommen wir mehr oder weniger moralische Unterstützung von einem jungen Hüpfer aus Cherno, der sich aus seinem warmen Nest über Funk hier und da einschaltet und natürlich von Jammet, unserem Backup und Scout, der uns gegen die Zombies etwas Schützenhilfe leisten möchte.

    Allerdings nicht, um uns noch eine weitere Hiobsbotschaft zu übermitteln: Vor lauter Regen und in der Eile hatte ich es nicht gesehen, aber die Vandalen haben doch tatsächlich neben Zelt, Kisten und Waren auch unsere Fahne mitgenommen. Daher also dieses komisch Gefühl, das ich die ganze Zeit hatte. Dies trifft mich persönlich sehr hart, denn sie war für mich so eine Art Symbol für das Lager geworden. Das lustige Bambi, das so freundlich im Wind tanzte, ist nun fort. Ich fasse es nicht und ich spüre eine Wut in mir aufsteigen. Zum Glück habe ich gute Freunde, die mich in dieser Laune aushalten und nachdem sich der erste Zorn über diesen weiteren Schlag ins Gesicht gelegt hat, wird mein Geist wieder klarer. Die Tatsache, dass ich das Fehlen der Fahne nicht selbst bemerkt hatte, zeigt mir rückblickend auch, dass es auf die Fahne gar nicht ankommt. Nein, es geht nach wie vor um die Sache und auch wenn es schade ist, dass nun kein Bambi mehr am Fahnenmast weht, geht das Leben im Camp doch weiter.


    Und genau darum machen Hikaru, Jammet und ich uns erneut auf den gefährlichen Weg nach Cherno. Bei einer großen Bushaltestelle gerät Hikaru plötzlich stark in Bedrängnis. Drei Zombies sind einfach zu viel auf einmal. Mit letzter Kraft schafft sie es, noch einen mit dem Baseballschläger niederzuschlagen, verliert dann aber gleich darauf das Bewusstsein. Entsetzt laufe ich zu ihr und zücke meine Waffe. Die Zombies stürmen auf mich zu und mir wird stellenweise schwarz vor Augen. Meine Handschuhe klammern sich fest um das harte Stahl, als ich auf die beiden anderen Zombies feuere. Wieder und immer wieder. Ich hasse Waffen, aber manchmal geht es einfach nicht ohne. Schnell liegen sie vor mir auf dem Boden und ich beuge mich über Hikaru. Alle meine Ansprechversuche schlagen fehlt. „Nein!“, denke ich bei mir, „Nicht du auch noch!“.

    Der harten Realität zum Trotz setze ich beherzt zur Druckmassage an. Wieder und immer wieder flehe ich Hikaru an, zu atmen. Das Stöhnen und Grölen einiger nahen Zombies in meinen Ohren.


    Nach einigen Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, öffnet sie endlich ihre Augen und setzt sich keuchend auf. Sie lebt! Doch die Freude währt nicht lange, schon stürmt der nächste Zombie auf uns zu. Ironischerweise in einer vollen Sanitätermontur. Die Apokalypse hat wirklich Humor. Ich ziehe instinktiv meine Waffe und drücke ab. Getroffen. Mit etwas Kochsalzlösung geht es Hikaru auch gleich schon wieder besser und ich selbst benötigte etwas von meinem eigenen Blut, um die Welt wieder klar zu sehen.


    Aber wo bleibt Jammet? Nach Rücksprache über Funk stellt sich heraus, dass er sich an einer anderen Bushaltstelle aufhält und nachdem wir unsere Positionen abgeglichen haben, treffen wir uns dann endlich an der Klinik wieder.

    Dort nehmen wir erst einmal so viele Medikamente und Bandagen mit, wie wir tragen können und auch in der Polizei findet sich die ein oder andere Stichschutzweste, die unser Auffanglager sicher gut ergänzt. Alles, was wir an Nahrung finden, wandert ebenfalls in meine „Einkaufstasche“. Manchmal mach Bummeln in Cherno auch Spaß. Das Schicksal meint es wirklich gut. Es ist fast so, als wolle es den erlittenen Schaden wieder gut machen. Zumindest gefällt mir der Gedanke.


    Zurück am Bambi-Auffanglager bauen wir erst einmal eine neue Kiste für das Essen auf und bringen unsere gesammelten Vorräte dort unter. Wir bestellen wieder alle Felder und das Lager ist somit wieder einsatzbereit.


    ~~~


    Etwas später stoßen Kanu und s-tlk zum Lager und Tabasko aus Cherno schaltet sich gemeinsam mit Wolfgang über Funk zu uns. Es wird spät. Eigentlich hatten wir geplant, eine Zweigstelle in Form eines Bambi-Auffanglagers zu errichten, aber nun hissen wir erst einmal eine provisorische Fahne, die Kanu mitgebracht hat. Lustigerweise steht in großen Lettern nun „Refuge“ über unserem Lager. Auch irgendwie ganz passend.

    Nachdem wir einige Zeit damit verbracht haben, die notwendigen Werkzeuge und Zeltplanen zusammenzutragen, fährt Tabasco mit seinem roten Sarka vor. Schon von Weitem sieht man, dass dieses Auto viele Geschichten zu erzählen hat und so manche Delle von seinen Abenteuern zeugt. Ich beschließe, mit ihm und s-tlk vorzufahren und die Werkzeuge mitzunehmen. Kanu und Jammet fahren mit dem Bambi-Mobil hinterher und füllen unterwegs die Kisten an der Küste wieder mit Nahrung auf. Wir haben das Bambi-Auffanglager kaum verlassen, als s-tlk schreit, Tabasko solle anhalten. Er habe eine Kiste gesehen. Gesagt getan und tatsächlich: Vermutlich hat einer der Vandalen die Kiste nicht mehr weitertragen wollen und sie einfach am Straßenrand abgestellt. Leider stellt sich die Kiste als Leer heraus, aber sie wird gleich für die neue Station in den Sarka gepackt. Weiter geht die wilde Fahrt, als sich der Sarka plötzlich auf gerader Strecke überschlägt. In einer Tanne kommen wir zum Stehen und Kriechen aus dem Auto. Entweder ist es pures Glück, Schicksal oder mein Helm hat mich geschützt, aber wie durch ein Wunder sind wir alle drei unversehrt. Nur das Auto liegt erst einmal auf dem Dach. Mit vereinten Kräften schaffen wir es, das Auto umzudrehen, allerdings steckt es im Baum fest. Wie gut, dass da die Nachhut im roten Bambimobil ankommt. Ich war noch nie so froh, den guten alten Gunter zu sehen. Kanu schiebt behutsam den roten Sarka aus dem Baum und weiter kann die Fahrt gehen.


    Auf dem Weg nach Solnichniy sehen wir schon die erste Bambi-Leiche auf der Straße. Welches Schicksal den Armen ereilt haben mag? Es gibt jedenfalls keine Anzeichen für Schussverletzungen, aber wir sind vorsichtig. Ja, dies scheint ein guter Ort für ein Auffanglager zu sein.

    Kaum haben wir alles ausgeladen, beginnt auch schon die Arbeit. Tabasco fährt weiter seiner Wege und s-tlk hilft mir beim Aufbau des Lagers aus Zeltplanen und Leder. Auch einen kleinen Fahnenmast stellen wir auf, den eine frisch gefundene DayZ-Fahne ziert. Somit ist auch von der Straße klar, dass sich hier ein Zufluchtsort befindet. Nach getaner Arbeit wird es schließlich dunkel und wir beschließen, zurück nach Hause zu fahren.


    Dort angekommen wird klar, dass wir wieder Besuch hatten. Allerdings muss es dieses Mal ein dankbares Bambi gewesen sein, einige Kürbisse wurden geerntet und verspeist. Offenbar hat sich jemand darüber gefreut. Die Mühe hat sich gelohnt.


    Müde schleppe ich mich in meine Hütte und lasse den Tag nochmals Revue passieren.



    Es ist klar, dass wir in dieser neuen Welt, die von Chaos und Unsicherheit geprägt ist, nicht jedem blind vertrauen können. Wir müssen vorsichtig sein, unsere Ressourcen schützen und uns gegenseitig unterstützen, um zu überleben.


    Trotzdem lassen wir uns nicht von unserem Weg abbringen. Wir helfen weiterhin anderen Überlebenden, die zu uns kommen, mit medizinischer Versorgung, Nahrung, Wasser und Unterkunft. Wir tauschen Geschichten aus, teilen Informationen über gefährliche Gebiete und helfen uns gegenseitig, bessere Überlebensstrategien zu entwickeln. Gemeinsam sind wir stärker.


    Es gibt auch gute Tage. Tage, an denen neue Überlebende zu uns stoßen, die unsere Werte teilen und bereit sind, sich an unserer Gemeinschaft zu beteiligen. Wir arbeiten zusammen, um das Lager weiter auszubauen, neue Felder anzulegen, Vorräte zu sammeln und Werkzeuge zu reparieren. Es ist ein hartes Leben, aber es ist erfüllend, zu wissen, dass wir anderen Menschen helfen und ihnen Hoffnung geben können.


    Ich führe mein Tagebuch und notiere meine Erfahrungen. Es hilft mir, meine Gedanken zu sortieren und meine Motivation aufrechtzuerhalten. Trotz der Rückschläge und Herausforderungen, denen wir begegnen, bleibe ich optimistisch. Ich glaube fest daran, dass der Traum von einer besseren Welt weiterleben wird, solange es Menschen gibt, die bereit sind, sich füreinander einzusetzen und zusammenzuarbeiten.


    Tag für Tag setze ich meinen Samariter-Dienst fort und tue mein Bestes, um anderen zu helfen. Ich weiß, dass es nicht einfach sein wird, aber ich werde nicht aufgeben.
    Denn inmitten der postapokalyptischen Welt von Chernarus ist Menschlichkeit und Mitgefühl das, was uns am Leben hält. Der Traum muss weiterleben.


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  • 19. April 2023 – Schicksal?


    Ist es schon Morgen? Ich stehe auf, blicke aus dem Fenster und bekomme einen Schreck. Schon wieder verschlafen. Es muss ja schon Mittag sein! Wirklich ausgeruht fühle ich mich nicht. Seltsame Träume suchen mich heim und ich habe dieses seltsame Gefühl, das man so hat, wenn man in seiner Kleidung geschlafen hat. Irgendwie…. Zerknautscht. Ein albernes Zitat meines Lehrers aus Schulzeiten kommt mir in den Sinn: „Nur wer morgens geknickt aufsteht, kann sich über den Tag hinweg entfalten.“ Was für ein dämlicher Spruch! Warum fällt er mir gerade jetzt ein? Den Lehrer habe ich vermutlich schön längst überlebt… ich sollte auf andere Gedanken kommen. Im Hier und Jetzt leben.


    Eilig packe ich das Nötigste zusammen und mache mich auf den Weg zum Bambi-Auffanglager. Hatten wir wieder unerwünschten Besuch oder hat sich ein Bambi über die Vorräte gefreut?


    Mein Herz macht einen Sprung. Schon von Weitem strahlt mir unsere neue Fahne entgegen. Es war also kein Traum, der Vandalismus hat stattgefunden, aber unsere neue Fahne ist noch da. Für einen kleinen Augenblick ist meine kleine, heile Welt in Ordnung. Auch die Unterstände sind noch alle intakt. Ich kann mein Glück kaum fassen. Selbst in der Küche sieht ebenfalls alles ordentlich aus. Und was ist das? In der Kiste liegt tatsächlich ein Huhn! Anscheinend hat es jemand gut mit uns gemeint und eine kleine Spende hinterlassen. Leider habe ich viel zu lange geschlafen und der strenge Geruch verrät mir sofort, dass das Hühnchen ohne die übliche Kühlkette verdorben ist. Nunja, sowas passiert eben. Schade um das gute Fleisch, aber aus den Knochen kann ich mir wenigstens einen neuen Speer herstellen. Ohne ihn komme ich mir so wehrlos vor. Wenn ich doch nur wüsste, wie man einen anständigen Bogen baut!

    Sorgfältig zerlege ich das Hähnchen, desinfiziere die Kiste und verbrenne die verdorbenen Überreste. Man kann nie vorsichtig genug sein und es gibt schnell mal eine Lebensmittelvergiftung, die hier tödlich enden kann.

    Ein kleiner Check an den Unterständen hat ergeben, dass wir neue Bekleidung für Bambis benötigen. Alles, was irgendwie warm hält. Ja.. Wärme… Auch ich beginne schon wieder zu frieren und beschließe, etwas über die Wiese zu laufen, um mich aufzuwärmen. Doch daraus wird nichts, denn erneut setzt starker Regen ein. Blödes Aprilwetter!

    Allerdings bin ich nun schon einmal auf dem Weg und so setze ich ihn aus Trotz fort. Die nasse Kleidung klebt an mir und meine Schuhe geben ekelhaft quietschende Geräusche von sich. Doch halt… dieses Quieken hört sich doch plötzlich anders an. Tatsächlich: Im Nebel erkenne ich deutlich zwei Schweine. Soll heute wirklich mein Glückstag sein? Vorsichtig schleiche ich mich heran. Ich weiß aus leidiger Erfahrung, dass ich mit dem Messer oder Speer nicht schnell genug bin. Also benötige ich meine Waffe. Ich schleiche langsam weiter schieße auf das erste Schwein. Sein lauter Schrei durchbricht die regnerische Szenerie. Nach drei Schüssen liegt es blutend auf dem Boden. Das zweite versucht zu entkommen, aber ich habe es immerhin getroffen. Dummerweise muss ausgerechnet jetzt der Schalldämpfer den Geist aufgeben und beim vierten Schuss stürmt eine kleine Zombiegruppe in meine Richtung. Noch ehe ich richtig abwägen kann, wie ich diesen Trupp am besten abwehre, haben sie das Schwein statt meiner ins Visier genommen. Welch ein Glück! Den ersten Zombie erwische ich schnell mit meiner Waffe und während die anderen sich mit dem Schwein vergnügen, kann ich sie bequem aus dem Weg räumen. Zombies sind zum Glück wirklich Spatzenhirne… Nun stehe ich im Feld, umgeben von toten Zombies und zwei toten Schweinen.

    Kein schöner Anblick, aber das Essen für den Tag ist gesichert!

    Ich spreche ein kleines Dankgebet gen Himmel, zerschneide vorsichtig die beiden Schweine und packe alles ein, was geht. Nichts soll hier verderben; alles wird gebraucht.


    Zurück am Lager heize ich ein kleines Feuer an, um mich zu trocknen und das Fleisch zu braten. Ein großer Teil wird auch geräuchert, das macht ihn für unsere Bambis länger haltbar; so zumindest mein Eindruck. Während das Fleisch schön vor sich hin räuchert und das herrliche Knistern des Feuers im Camp zu hören ist, schlage ich neues Holz und fülle die Feuerholzkiste auf. Dann kommt das Fleisch in die Essenstruhe zusammen mit ein paar Getränkedosen, die ich im Dorf gefunden habe. Da wird sich jemand freuen! Echte Not-A-Cola, Fonta, Pipsi, Spite und sogar ein alkoholfreies Bier. Alles ist da. Zusammen mit ein paar Snacks und dem Fleisch ein Festmahl für jeden, der am Hungern ist.


    Anschließend steht wieder Feldarbeit auf dem Plan. Leidig, aber sie muss sein. Die Läuse haben wieder zugeschlagen und einen großen Teil der Ernte vernichtet. Vorsichtig grabe ich die kranken Pflanzen aus und verarbeite sie zu Dünger, ehe ich neues Saatgut einpflanze. Nur die Kartoffeln gehen mir langsam aber sicher aus. Ich werde wohl bei Ravini mal vorbeischauen und nachfragen, ob er mir da aushelfen kann.


    ~~~


    Nach einem kleinen Nickerchen geht es weiter. Ich begebe mich erneut nach Cherno, um dort die Polizei und das Krankenhaus nach Brauchbaren abzusuchen. Unterwegs gesellt sich Hikaru dazu und wir schaffen es wieder einmal, ein paar dringend benötigte Bandagen, Medikamente und Schutzwesten zu beschaffen. Endlich nicht mehr allein! Über Funk haben wir Kontakt zu Opi und Jammet aufgenommen, die gerade im militärischen Bereich nach Vorräten suchen. Keine leichte Aufgabe, denn besonders in diesen Zonen wird in der Regel ohne Vorwarnung geschossen. Ich drücke den beiden innerlich die Daumen, dass nichts schief geht und mache mich mit Hikaru wieder zurück auf den Weg ins Bambi-Auffanglager. Auch Ravini schaltet sich per Funk aus Cherno dazu und selbst Kanu ist zu hören. Dieser zieht es aber lieber vor, alleine seine Runde zu drehen und später dann zum Camp zu stoßen. Verständlich, denn hier ist schon einiges los.

    Jammet kündigt seine und Opis baldige Ankunft an und wir bereiten ein kleines Festmahl an Schweine- und Hühnchenfleisch vor. Hikaru hatte nämlich auch ein unsagbares Jagdglück heute und somit ist die Versorgung wirklich gesichert. Doch bevor Opi und Jammet am Lager vorbeikommen, möchte Jammet nochmals kurz einen Abstecher zum Sommercamp machen, was weitereiche Folgen haben wird, wie ich jetzt erfahren habe. Er schleicht sich gerade in das Camp, als Opi aus den Augenwinkeln einen vollausgestatteten Spieler auf Jammet zu schleichen sieht. Die Waffe im Anschlag, zwischen den beiden nur ein Zombie. Opi bewahrt die Nerven, möchte jedoch kein Risiko eingehen. Die Ereignisse der vergangenen Tage und die Tatsache, dass der Überlebende starke Ähnlichkeit mit einem heimtückischen Heckenschützen hat, der zuvor auf ihn geschossen hatte, genügen ihm. Er zielt, hält die Luft an und trifft. Über Funk bekomme ich mit, dass er den Spieler wohl getroffen hat, aber Jammet nun in Sicherheit ist. Möge sich Gott seiner Seele erbarmen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er vielleicht gar nichts Böses im Sinn hatte, aber Opi beschwichtigt. Ein Spieler, der sich in solch einer Pose an seinen Teamkollegen anpirscht hat sicherlich nichts Gutes vor. Vermutlich hat er recht.

    Hikaru und ich gehen im Lager unseren Aufgaben nach. Ich sortiere unsere „Einkäufe“ und Hikaru bereitet über dem Feuer ein schmackhaftes Essen zu. Das Leben kann manchmal doch sehr idyllisch sein. Vor allem, wenn der Regen endlich nachlässt. Kanu gibt über Funk zu bedenken, dass wir unten im Lager vorsichtig sein sollen. Wenn Spieler sterben, tauchen immer wieder in den Küstengebieten „Bambis“ auf und nicht alle von ihnen sind freundlich gegenüber unserer Arbeit eingestellt, wie wir zuvor erfahren haben. Auch Opi warnt, denn der Spieler war sehr wahrscheinlich am Überfall auf Ravini vor zwei Tagen beteiligt. Ich nehme mir vor, vorsichtig zu sein.


    Gerade möchte ich mich wieder um meine Pflanzen kümmern, als ich einen fremden Überlebenden auf mich zulaufen sehe. Grüßend hebt er einen Arm, gekleidet ist er wie ein typisches Bambi. Sofort spricht er mich an und grüßt freundlich. Ich raune über Funk der Gruppe zu, dass sie bitte Funkstille wahren soll und beginne das Gespräch. Der Fremde fragt mich, ob dies meine Basis sei. Verständlich, aber für eine richtige Basis wäre das doch etwas zu ungeschützt. Ich erkläre ihm in englischer Sprache von unserer Mission und Arbeit hier in Chernarus. Dass wir als Samariter in solchen Bambi-Camps Neulinge mit Nahrung und Kleidung versorgen und gerne Geschichten austauschen. Tatsächlich gesteht er, dass er erst gestern hier gewesen sei. Bei mir klingeln alle Alarmglocken. Warum sollte er mir die Wahrheit sagen? Aber ich beschließe ihn doch darauf anzusprechen, ob er die Kisten, die Fahne und das Zelt geklaut hat.

    Nein, lautet die Antwort. Er habe lediglich eine Hacke genommen und sich mit Gemüse und Dosen eingedeckt. Allerdings habe er in der Küche ein totes Huhn als Gegenleistung hinterlegt. Das erklärt einiges. Erleichtert danke ich ihm und lade ihn ein, sich wieder etwas zu Essen zu nehmen und sich zu uns zu gesellen. Auf meine Frage hin, wie ich ihn denn nennen dürfe, nennt er den Namen „Eugene“. Offensichtlich nicht sein richtiger Name, aber für den Moment genügt mir dies. Er wird seine Gründe haben, mir seinen Namen vorzuenthalten. Nachdem er sich mit den notwendigen Kleidungsstücken ausgestattet und den größten Hunger gestillt hat, frage ich ihn nach seiner Geschichte. Ich würde es vermutlich kaum glauben, beginnt er. Aber er sei gerade in einem Sommercamp angegriffen worden, ehe das Schicksal ihn hierher verschlagen hat. Er ahnt nicht, dass ich ihm dies sofort glaube. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Soll dies die Person sein, die Opi gerade daran gehindert hat, Jammet zu erschießen? Aber er macht doch so einen freundlichen und dankbaren Eindruck!

    Der Fremde spricht weiter und berichtet. Er ist der festen Überzeugung, dass vermutlich jemand mit einem lilafarbenen Armband ihn angegriffen hat. Das kommt mir bekannt vor. Ich beschließe, ihm etwas mehr von der Gegend zu erzählen und sage, dass es in der Tat eine Gruppe in Cherno mit solchen Armbinden und einem großen Stützpunkt gibt. Nun beginnt er zu reden. Er berichtet, dass er jüngst vor zwei Tagen in Cherno unterwegs war und dort einen Überlebenden angegriffen hatte, der in einer Garage auf Nahrungssuche war. Mir stockt der Atem. Ist es möglich? War dies die Person, die unseren Farmer Ravini einfach so hinterrücks angegriffen und ausgeraubt hatte? Die Person, auf die Ravini ein unsägliche Wut im Bauch hat und durch die wir unseren alten, bärbeißigen Farmer in den letzten Tagen kaum wiedererkannt haben?

    Ich beschließe mit offenen Karten zu spielen und sage ihm auf den Kopf zu, dass ich weiß, wen er da überfallen hat und dass ich Kontakt zu der Gruppe mit den lilafarbenen Armbändern habe. Als Samariter hat man schließlich mit vielen Leuten zu tun. Er ist erstaunt, zeigt aber sichtlich Reue. Er war der Meinung, dass in einer Großstadt wie Cherno sofort ohne Vorwarnung geschossen wird, daher wollte er der Erste sein, der handelt. Nun, das ist verständlich, war aber in diesem Fall fatal. Eigentlich, so sagt er, seinen sein Freund und er sehr friedliche Überlebende und von dem Eindruck, den ich bekommen habe, scheint dies auch zu stimmen. Schon spannend, wie „friedlich“ die meisten Leute auf einmal sind, wenn sie mit mir sprechen, aber wie schnell sich das Blatt wenden kann. Aber ich beschließe, dass ich ihm glaube. Frei nach dem Motto: Er tötet mich nicht und er hilft mir, das kann ein Freund sein. Chancen, mich umzubringen oder auszurauben, hatte er in den letzten Minuten zu Genüge.

    Ich sende einen Funkspruch an die anderen und informiere sie über diese unglaubliche Geschichte. Ravini knirscht mit den Zähnen, ihn dürstet nach Rache. Der Fremde bricht auf in Richtung des Sommercamps, um die Überbleibsel seines Rundgangs zu sichern. Unser Farmer beschließt, dort ebenfalls hinzugehen. Ich wünsche beiden viel Glück und bitte sie vorsichtig zu sein. Warum muss es nur immer wieder in Gewalt enden?

    Hikaru und ich versorgen das geräucherte Fleisch schließlich, heißen Jammet und Opi noch willkommen. Opi hinterlässt mir den Rucksack, denn er von dem fremden Überlebenden gesichert hat. Eine Spende für die Bambis und für uns. Ich habe ein komisches Gefühl dabei, beschließe aber auf die Dinge erst einmal aufzupassen.

    Die Ereignisse rotieren wie in einem Karussell in meinem Kopf. Ich lege mich noch etwas hin, um Kräfte zu tanken.


    ~~~


    Ich erwache wieder etwas später. Es muss baldAbend sein, aber noch ist die Sonne gut zu sehen. Ich bin wieder allein und gehe meiner Arbeit nach, als sich Ravini per Funk stolz meldet. „Ich hab ihn! Ich hab ihn erwischt!“. Vermutlich meint er den armen Teufel, den er am Sommercamp abgepasst hat. Er scheint glücklich, aber ich frage mich, ob es wirklich jener Überlebende war oder nicht noch ein unschuldiges Opfer. Wie auf‘s Stichwort, sehe ich aus den Augenwinkeln wieder ein Bambi durch das Lager huschen und einen Jutebeutel ins Zelt legen. Ich spreche den Überlebenden an und er stellt sich mir wieder als Eugene vor. Ich frage ihn, ob es ihm gut geht. Ja, aber er sei in eine Schießerei geraten und das Schicksal habe ihn wieder an die Küste und von dort in das Bambi-Auffanglager verschlagen. Erneut biete ich ihm Essen an und es stellt sich heraus, dass er ganz passabel Deutsch spricht. So unterhalten wir uns weiter und kommen ins Gespräch. Ich erkläre ihm alles, was bisher passiert ist. Vertrauen gegen Vertrauen. Er kennt noch nicht viel von Chernarus und möchte mit seinem Freund alle Ecken und Winkel erkunden. Es war schon seit jeher ihr Traub, dieses Land zu erkunden, als die Apokalypse ausgebrochen ist. Ja, der Rucksack sei seiner gewesen, aber eigentlich habe er dem Überlebenden mit der lila Armbinde in Cherno gehört. Somit ist die Sache klar. Just in diesem Moment schalten sich Tabasko, Ravini, Pinky und Adrian per Funk dazu, die gerade wieder an ihrem Großprojekt arbeiten. Ich erzähle ihnen von Eugene und seiner Geschichte. Ravini ist beeindruckt, dass sein Rucksack mit seinen Sachen auf so wundersame Weise wieder aufgetaucht ist und er ist glücklich, dass er sich zum ersten Mal alleine und richtig zu Wehr setzen konnte. Für ihn ist die Welt wenigstens wieder in Ordnung und er stellt uns eine Ladung von Kartoffeln für das Lager zur Verfügung.

    Dem Fremden tut es sichtlich leid und als Tabasko und Pinky mit dem Auto vorbeikommen und noch ein paar Vorräte abliefern, bevor sie einer mysteriösen Schießerei bei Elektro auf den Grund gehen, scheinen sich die beiden Parteien wieder vertragen zu haben. Man beschließt, nach Möglichkeit nicht mehr aufeinander zu schießen und auch der Freund von Eugene, Alexej kommt schließlich heil am Camp an. Tabasko erwähnt in diesem Zuge noch, dass er vor einer knappen halben Stunde noch mit einer jungen Bambi-Dame geredet habe. Aber sie sei dann plötzlich verschwunden. Eventuell findet ja auch Zara ihren Weg in das Bambi-Auffanglager. Wer weiß? Es bleibt spannend.


    Für den Moment beschließen Tabasko und Pinky in Elektro ihr Abenteuer zu suchen und die beiden Fremden entscheiden sich nach einer ausgiebigen Mahlzeit dafür, ihr Glück im Norden zu suchen.

    Man wünscht sich alles Gute und versabschiedet sich. Eugene ist fest überzeugt: Dieses Treffen heute war Schicksal, das kann kein Zufall mehr sein. Grinsend fügt er hinzu, dass ich den Spitznamen „Herz-aus-Gold“ vollkommen zurecht trage. Mag sein. Ich kann das nicht beurteilen. Ich bin jedenfalls froh, dass dieser Tag ohne ein weiteres Blutvergießen zu Ende geht und wir noch alle am Leben sind.


    Müde setze ich mich alleine in der Dämmerung ans Lagerfeuer, schäle ein paar Kartoffeln, röste sie über dem Feuer und schreibe meine Geschichte auf. Der Traum lebt weiter. Heute mehr denn je.


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  • 20. April 2023 – Abstürze und Höhenflüge


    Morgenstund‘ hat Loot im Mund, der frühe Spieler kriegt den Loot… oder so ähnlich? Ich sollte diese Witze wirklich seinlassen…Jedenfalls habe ich es heute endlich mal geschafft, nicht zu verschlafen. In den frühen Morgenstunden wandere ich gemütlich zum Bambi-Auffanglager. Die Sonne ist noch nicht richtig zu sehen. Nur mein alter Freund, der Nebel, legt sich malerisch über die Küste, umhüllend, schützend… Nein, ich lasse dieses poetische Zeug lieber. Keine Witze, keine Poesie… das sollte ich Leuten überlassen, die sowas können. Aber irgendwie mag ich die eigenartige Stimmung in Prigorodki zu dieser Tageszeit. Einerseits ist es hier so still und friedlich, aber auch unheimlich zugleich. Ein krasser Gegensatz eben.


    Am Camp angekommen kontrolliere ich alles auf Vollständigkeit. Zumindest seit gestern gab es keine ungebetenen Besucher mit bösen Absichten und alle scheint noch so zu sein, wie ich es hinterlassen habe. Nunja… fast. Die Unterstände schauen mich traurig an. Kaum warme Kleidung ist zu finden. Stimmt ja! Wir hatten uns am Vortag vorgenommen, Nachschub zu besorgen, aber dann kam ja bekanntermaßen einiges dazwischen. Ich muss über den seltsamen Vorfall zwischen Ravini, Opi und eben am Ende auch Eugene denken. Das Schicksal hat hier trotz aller Härte schon einen gewissen Grad an Humor bewiesen und ich bin froh, dass alles nun doch einigermaßen gut ausgegangen ist. Vielleicht klappt es ja heute und wir können einen Ausflug ins Landesinnere machen, um Kleidung zu organisieren.


    Doch zunächst einmal frühstücke ich ein paar getrocknete Äpfel. Allein am Camp gehe ich anschließend meiner gewohnten Arbeit nach, pflanze hier und da ein paar Kartoffeln, die ich gestern von Ravini bekommen habe und hoffe, dass vielleicht bald einige meiner Mitstreiter auftauchen und wir zusammen losziehen können. Bis zum Sommercamp in der Nähe von Myshkino ist es weit, aber dort gibt es meist etwas Gutes zu finden. Für einen Moment hadere ich. Ich könnte theoretisch das Bambi-Mobil aus der Garage holen und selbst losfahren. Nur, bin ich ein grausamer Fahrer und würde vermutlich nicht lebend aus dem Vorort herauskommen. Und falls ich das schaffen würde, hätte ich mich bestimmt in kürzester Zeit verfahren oder würde irgendwo stranden. Nein, das überlasse ich lieber Leuten in meinem Team, die sich mit so etwas auskennen. Beispielsweise Hikaru. Sie hat vor Kurzem das Fahren gelernt und sich innerhalb von kürzester Zeit zu einer tollen Fahrerin gemausert. Wir haben gemeinsam so manches verrückte Abenteuer überstanden. Ich muss etwas lachen, als ich an die ersten Fahrversuche denke, aber höchstwahrscheinlich hätte ich mich wesentlich schlimmer angestellt. Hikaru ist absolute klasse und ich bin über jede weibliche Ergänzung im Team dankbar. Irgendwie muss ich jetzt an die gute Thorin denken. Sie hat uns früher auch immer tatkräftig als Samariter unterstützt und war so etwas wie die gute Seele der Gruppe. Sie hatte immer einen passenden Spruch auf Lager, um selbst in den düstersten Stunden die Gruppe zu motivieren. Und einmal hat sie zwei Banditen ganz alleine mit einem Stein erledigt. Mit einem popligen Stein! Ich habe es zwar nie aufgeschrieben, aber ich weiß noch, wie wir vor Jahren einen unserer Einsätze in Staroye hatten. Zwei Banditen gaben sich erst freundlich und als wir zu viert dann in ein Haus vor herannahenden Zombies und Schüssen aus dem Militärlager fliehen mussten, wandten sich die beiden plötzlich im Inneren gegen uns. Unsere Scouts draußen hatten uns aus den Augen verloren und Thorin und ich waren auf uns selbst gestellt. Ich wollte gerade meine Waffe ziehen, zögerte aber eine Sekunde zu lang. Sofort verlor ich das Bewusstsein, als einer von beiden das Feuer direkt auf mich eröffnete. Während die Welt um mich herum in Schwärze versank, blieb Thorin unglaublich geistesgegenwärtig. Mit einem einfachen Stein schaffte sie es, einen nach dem anderen auszutricksen und K.O. zu schlagen. Einfach unglaublich… Und ja, ich weiß.. Ich sollte wirklich etwas besser auf mich achten. Das sagt Kanu auch immer. Ich kann halt schlecht aus meiner Haut. Jedenfalls bin ich froh, solche Freunde als Backup zu haben. Meine Arbeit hier wäre ohne solche Freunde, die einem den Rücken freihalten unmöglich. Danke Leute!

    Ich hoffe, Thorin geht es gut und sie meldet sich mal wieder. Unser letzter Kontakt ist jetzt vermutlich auch schon ein paar Wochen her…. Aber wer weiß? Vielleicht steigt demnächst ja wieder eine große Grillparty am Bambi-Auffanglager. Lust darauf hätten wir alle mit Sicherheit.


    Während ich meinen Gedanken nachgehe, laufe ich meine tägliche Route in Richtung Cherno ab. Unterwegs finde ich tatsächlich ein paar Teddybären und muss grinsen. Ja, diese Teddys haben auch schon für interessante Geschichten und Verwechslungen gesorgt, aber die schreibe ich ein anderes Mal auf. Für den Moment bin ich froh, ein paar von Ihnen gefunden zu haben und ich kann sogar noch ein paar Vorräte mitbringen. Fast bin ich schon wieder am Lager, als starker Regen einsetzt. Na klasse… Wieder dieses Mistwetter. Eine Stimme dringt an mein Ohr. Opi meldet sich. Er benötigt meine Hilfe dabei, eines seiner Militärzelte in Sicherheit zu bringen und würde mich gerne mit dem Auto mitnehmen. Auf dem Rückweg könnten wir dann noch einen Abstecher in Myshkino und dem nahegelegenen Sommercamp machen, um warme Kleidung zu organisieren. Eine Hand wäscht die andere und ich stimme zu. Auch Jammet lässt sich am Lager blicken und kommt sehr gerne mit, froh über etwas Ablenkung und die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun. Fantastisch! Zu dritt fühle ich mich doch wesentlich sicherer, denn die Gegend dort birgt für mich nicht nur gute Erinnerungen.


    Unterwegs kommen wir an einem kleinen Militärlager vorbei, beeilen uns aber schnell, durchzukommen. Mit Militärlagern habe ich ohnehin nicht so viel am Hut. Zu gefährlich und viele Überlebende schießen dort erst und fragen später.

    Wir setzen unseren Weg fort und stellen das Auto in einem nahegelegenen Wäldchen ab. Gekonnt schleichen wir uns am Hang entlang in Richtung des Sommercamps. Leichter gesagt als getan. Meine zwei Freunde sind aufgrund ihrer Kleidung perfekt getarnt, aber ich steche natürlich aus dem Grasgrün hervor wie ein roter Papagei. So suche ich in den Tannen Schutz. Stückchen für Stückchen kommen wir näher und Jammet gibt das Okay. Das Lager sieht ruhig und verlassen aus. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Für die Bambis!… oder so ähnlich, denke ich mir und stürme los. Ich lasse meine beiden Freunde zurück auf ihrem Beobachtungsposten und renne gut sichtbar den Hang hinunter. Durch den Fluss muss ich waten und ein Stück schwimmen. Schon wieder nass. Dabei hatte der Regen doch gerade erst aufgehört…

    Am anderen Ufer wringe ich meine Kleidung aus und mache mich dann auf die Suche nach wärmenden Kleidungsstücken, die wir in unsere Unterstände packen können. Vorsichtig rufe ich ein paar Mal, um andere Überlebende auf mich aufmerksam zu machen, aber es kommt keine Antwort. Also fasse ich mir mein Herz und öffne eine Türe nach der anderen. Meine Ausdauer wird belohnt. Es gibt so viele Kleidungsstücke, dass ich mir einen improvisierten Rucksack herstellen muss, um alles tragen zu können. Und bis auf die Tatsache, dass ein wildgewordener Hirsch durch das Lager rennt und beim Röhren sein Bestes gibt, passiert auch tatsächlich nichts.

    Ich arbeite mich zurück aus dem Lager, schwimme erneut durch den Fluss und klettere den Hang wieder rasch hinauf. Dort warten schon meine Freunde, nehme mir einige der schweren Dinge ab und gemeinsam geht es mit dem Auto zurück in die Heimat. Unterwegs kommen wir noch an einem Konvoi vorbei, aber die Zombies haben gegen uns drei keine Chance. Ein paar funktionstüchtige Militärwesten ergänzen nun unsere Kleidersammlung. Wir fahren weiter, die Laune ist gut. Doch plötzlich passiert etwas Unerwartetes: Unser Auto überschlägt sie mitten auf der Straße mehrere Male, landet dann aber wie in einem schlechten Hollywood-Streifen (die gab es ja früher…) auf seinen Rädern und fährt weiter. Ich muss unglaublich viele Schutzengel da draußen haben. Oder wir alle drei… wie durch ein Wunder ist keiner verletzt worden und auch das Auto ist, abgesehen von ein paar Dellen, heil geblieben. Rückblickend betrachtet werden die Überschläge jedes Mal mehr, je häufiger wir von dem Vorfall erzählen. Unserer letzten Zählung nach waren es 4-5. Einfach unglaublich…


    Schließlich kommen wir erschöpft, aber glücklich um die Mittagszeit beim Lager an. Dort warten schon Ravini, Charly und Tabasko in ihrem roten Auto auf uns. Ravini zeigt sich für die Unterstützung gestern erkenntlich und spendiert uns eine weitere Fahne, die wir bei Bedarf in der Zweigstelle in Solnichniy anbringen können. Wir diskutieren eine Weile, ob wir die Fahne im Bambi-Auffanglager nicht doch durch einen Zaun schützen sollten, aber ich lehne das gefühlsmäßig ab. Wenn jemand uns berauben möchte, dann findet er oder sie so oder so einen Weg. Das Lager soll offen für alle sein und nicht an einen Hochsicherheitstrakt erinnern.

    Die drei Jungs verlassen das Camp gemeinsam mit Opi nach einem kurzen Plausch und einem gemeinsamen Mittagessen das Lager in Richtung Solnichniy und ich verstaue die gefundenen Sachen. Opi sagte etwas von einem Autozelt, dass er finden wolle. Ich wünsche ihnen viel Glück.

    Nach einigen Stunden des Sortierens, sind die Unterstände sind wieder gut gefüllt. Perfekt!

    Ich beschließe, mich noch etwas auszuruhen.


    ~~~

    Ein Funkspruch weckt mich aus einem gefühlt kurzen Schlaf. Kanu und Jammet sind auf dem Weg ins Lager und möchten sich mit mir treffen, damit wir gemeinsam nochmals ins Sommercamp fahren können. Vielleicht finden wir ja noch weitere brauchbare Sachen.

    Gesagt getan und gemeinsam geht die Fahr durch Berg und Tal. Tatsächlich lohnt sich der Abstecher in einen Supermarkt und wir finden eine weitere Fahne für ein potenzielles Lager. Am Camp angekommen, teilen wir uns auf. Jammet und Kanu möchten sich den Militärteil ansehen, doch da stürzt plötzlich auf der anderen Seite des Flusses ein Helikopter ab. Diesen wollen sich die beiden nicht entgehen lassen, während ich im Sommercamp nochmals einige Jacken und Hosen einstecke.

    Wir verstauen alle Fundsachen im Auto und als ich nochmals ins Camp möchte, um weitere Kleidungsstücke zu holen, lässt mich ein ohrenbetäubender Lärm aufhorchen. Direkt über mir sehe ich, wie ein weiterer Helikopter abstürzt. Jammet und Kanu beschließen, nun doch das Militärlager zu durchsuchen. Ich dagegen klettere den kleinen Berg hinauf und versuche, den Helikopter zu finden. Vielleicht gibt es ja Überlebende? Vorsichtig schleiche ich mich heran und tatsächlich erkenne ich in einiger Entfernung große Gestalten. Ich bin aufgeregt und etwas ängstlich, wer das wohl sein mag, doch noch ehe ich die Lage richtig erkannt habe, stürzt auch schon ein Zombie mit lautem Geheul von hinten auf mich zu. Die Gestalten vor mir sind gewarnt und springen ebenfalls jaulend auf. Mit einem Schlag wird es mir eiskalt bewusst: Es gibt keine Überlebenden. Das Virus hat den Piloten und die Besatzung erwisch und darum muss der Helikopter abgestürzt sein. Ich kämpfe verbissen um mein Leben, ziehe meine Waffe und schieße auf die schiere Übermacht. Das Magazin ist leer. Ich hebe meine Fäuste zum Schutz und hole aus. Rechts, links… Deckung, doch die Zombies sind einfach zu viele. Von allen Seiten prügeln sie auf mich ein und ich gehe zu Boden. Um mich rum wird alles schwarz. Zwar konnte ich noch einen Notruf ausgeben, aber ich fürchte, das war das Ende meines Abenteuers.


    ~~~


    Ein Licht. Es tanzt vor meinen Augen. Kommt näher und verschwimmt wieder im Dunkel. Es wirkt, als wolle es mich provozieren und herausfordern. Ich rufe dem Licht entgegen: „Bleib hier! Warte! Ich will noch nicht gehen!“ Dann ist wieder alles schwarz. Wie lange habe ich da gelegen? Ich weiß es nicht, aber plötzlich komme ich wieder zu mir. Neben mir steht ein großer Zombie, der wohl das Interesse verloren hat. So leise wie möglich verbinde ich meine Wunden und schleiche mich gebückt an den stöhnenden Viechern vorbei in Richtung des Helikopters. Ich packe alles ein, was für uns von Nutzen sein könnte, lade meine Waffe nach und erledige drei, vier Zombies mit einem glatten Kopfschuss. Das Adrenalin schießt in meinen Körper und ich beginne zu rennen. Immer weiter, zurück zu meinen Freunden und dem Auto. Über Funk teile ich ihnen mit, dass alles in Ordnung ist. Sie warten am Feldweg auf mich und hastig steige ich ein, den Rucksack voller erbeuteter Dinge in der Hand.


    Schließlich geht unsere Fahrt weiter zurück in unser Lagerhaus. Dort warten wir erst einmal das Auto, sortieren die Kleider nach Brauchbarkeit und füllen schließlich die Unterstände im Camp auf. Charly, Opi und Tabasko kommen noch kurz vorbei, um mir ein Megaphon zu überreichen. Ich grinse breit. Mit solch einem Ding habe ich schon allerhand angestellt. Wir testen gleich, wie weit es reicht und treiben Allerhand Schabernack. Ich bedanke mich herzlich für das unheimlich praktische Geschenk. Mit einer gefundenen Spitzhacke erstelle ich noch einen kleinen Steinofen und brate etwas Hähnchenfleisch, ehe ich mich müde in meine Behausung zurückziehe.


    Was für ein ereignisreicher Tag und wieder habe ich überlebt. Über Funk höre ich noch kurz Eugene, der ebenfalls einen spannenden Tag hinter sich hat und mit seinem Freund überlebt hat. Alles ist gut. Der Traum lebt weiter. Danke, Freunde!


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  • 21. April 2023 – Schwierige Fälle


    Ein neuer Tag, neues Glück!

    Gut gelaunt drehe ich meine morgendliche Runde, als ich plötzlich über Funk einen Notruf empfange.


    Opi und Ravini hatten beschlossen, gemeinsam mit dem Auto einige Gebiete abzufahren und für das Projekt der Gruppe mit den lilafarbenen Armbändern, die ich aufgrund ihrer eigenwilligen Vorliebe, anderer Leute Basen zu knacken nur „die Panzerknacker“ nenne, Vorräte zu besorgen. Soweit so gut.

    Warum jemand anderer Lager plündert und regelrecht Freude daran hat, vor verschlossenen Türen ohne Erlaubnis Einlass zu forcieren, wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben. Charly und Tabasko meinten einmal, das sei eine Art Herausforderung und Nervenkitzel… Na schönen Dank…. Andererseits, vielleicht ist es für mich auch Nervenkitzel, vorurteilsfrei auf andere Menschen zuzugehen und sie arglos anzusprechen. Jedes Mal gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich überlebe, oder eben nicht. So gesehen sind wir uns im Grunde wohl ähnlicher, als mir lieb ist.

    Es ist schon eigenartig, was die Apokalypse mit uns macht. Man sollte doch meinen, dass der tägliche Kampf ums Überleben und die Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Infizierten Zombies mehr als genug Spannung ins Leben bringt und uns dazu motiviert, zusammenzuarbeiten und uns gegenseitig zu helfen. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass wir Menschen einfach zu anpassungsfähig sind und dass eine gewisse Gleichgültigkeit und Abstumpfung Teil der Überlebensstrategie ist. Der tägliche Kampf ums Überleben ist für uns eben zur bitteren Normalität geworden. Kein Wunder, dass so mancher seinen Nervenkitzel anderorts sucht, um zu zeigen, dass er doch noch lebt und nicht nur vor sich hinvegetiert. Viele streben auch nach dem Schaffen eines sicheren Hafens für sich und seine Verbündeten. Und je größer dieser Hafen ist, desto mehr Neider gibt es, vor denen man sich schützen muss.

    Ich hatte mal die Gelegenheit mir das Mammutprojekt in Chernogorsk teilweise anzusehen. So viele Türen und Schlösser überall, das grenzt schon fast an Paranoia…. Eher ein Gefängnis, als eine Basis. Daher nennen ich es auch eher Alcatraz, in Anlehnung an die berühmte Gefängnisinsel oder Chernotraz. Aber auf der anderen Seiten, entspricht das Konzept des Bauens von Basen so oder so nicht meinem nomadischen Lebensstil. Ich bin ein rotes Eichhörnchen. Habe Nüsse überall… aber gut… ich kann die Menschen um mich herum nicht ändern, lediglich die Art, wie ich mit ihnen umgehe. Wenn es die Panzerknacker glücklich macht, dann sollen sie ihr Mamutprojekt bauen. Solange wir füreinander so etwas wie gegenseitige Akzeptanz entgegenbringen und meine Bemühungen hier in Prigorodki oder anderorts nicht torpediert werden, können wir friedlich nebeneinander existieren und uns im Fall der Fälle gegenseitig unterstützen. So sehr ich das Verhalten der Panzerknacker gegenüber dem Eigentum anderer kritisiere, muss ich mir eingestehen, dass sie bisher in jedem Fall sehr umgänglich waren und man gut mit ihnen reden konnte. Im Grund sind sie vielleicht gar nicht so rau, wie sie sich immer geben. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Jedenfalls hat unser Opi sehr Gefallen an der Gruppe gefunden und sich mit einigen angefreundet. Auch von gemeinsamen Bauprojekten ist die Rede. Und so kam es, dass er eben in dieser Nacht mit Ravini loszog, um ihre Vorräte aufzufüllen.


    Was dann aber passierte, war jedoch wirklich tragisch.

    Opi berichtete mir kleinlaut, dass sie beide im Auto saßen und ihre Nachtsichtgeräte aufgesetzt hatten. Alles lief nach Plan, sie kamen gut vorwärts. Plötzlich jedoch, packten sie starke Schmerzen und sie fingen an zu bluten. Es dauerte nicht lange, dann setze ein kräftiger Husten ein und sie fingen an, Blut zu erbrechen. Man muss hier in Chernarus keine medizinische Grundausbildung genossen haben, um zu wissen, was die bedeutet. Jeder, der sich einmal in größere Städte gewagt hat, wird von den schrecklichen Giftgasangriffen gehört haben. Während Opi erzählt, füllt sich mein Herz mit Trauer und Mitleid. So etwas wünsche ich nicht einmal meinem ärgsten Feind, sollte ich denn einen haben. Die beiden armen Seelen sind wohl nichtsahnend durch ein vergiftetes Gebiet gefahren und haben aufgrund ihres Nachtsichtgeräts nichts von dem schleichenden Gift bemerkt. Ohne Eigenblut oder ein Gegenmittel, keine Chance. Ein Ende unausweichlich.

    Es kam, wie es kommen musste und das Schicksal verschlug die beiden zurück an die Küste. Opi berichtete mir, dass er sofort wieder zurückrannte, um sein Auto und ihre ganze Ausrüstung zu sichern. Dieser Materialist… Dabei achtete er kaum auf sich, denn nun war er zwar mit dem Auto wieder in Richtung Bambilager unterwegs, aber er schien sich eine neue, ernsthafte Erkrankung zugezogen zu haben. Ravini dagegen schlug sich wacker immer an der Küste entlang und profitierte dabei von einer unserer zahlreichen Bambi-Kisten, an der er sich dankbar bediente. Wenigstens so konnte ich ihm indirekt etwas helfen.


    Soweit die Erzählung der beiden. Opi kommt mit seinem Auto an und schon von Weitem höre ich Husten und Stöhnen. Zum Glück trage ich eine Schutzmaske, aber ich achte trotzdem auf den entsprechenden Abstand. Er berichtet, dass er zuvor schon mindestens 14 Tabletten mit Antibiotikum zu sich genommen hatte und trotzdem seit einer Stunde unter Husten, verschwommener Sicht, verminderter Ausdauer, Erbrechen und sogar Gesundheitsverlust leidet. Ein sehr komplexes Bild zeichnet sich in meinem Kopf. Ich untersuche ihn so gut es geht, aber er scheint wie unter Strom zu sein und der Krankheit müde. Er hat keine erhöhte Temperatur und einen starken Puls. Meine Frage, ob er sich eine Verletzung eventuell mit einem Stofffetzen verbunden hat, der nicht desinfiziert war, wird bejaht. „Hey, ich bin war BAM-BI! Was hätte ich denn tun sollen?!“. Nun, das erklärt einiges. Nüchtern antworte ich: „Gut, dann leidest du neben den Salmonellen oder der Cholera, einer Influenza nun vermutlich auch an Wundbrand…Das wird dauern…“ Wir beschließen, erst einmal weiter mit dem Antibiotikum zu verfahren, damit mir der Arme nicht im Lager einfach wegstirbt. Denn der Wundbrand scheint mir momentan die lebensbedrohlichste der drei Krankheiten zu sein. Da er sich nicht mehr ständig übergibt, liegt es auch nahe, dass sich sein Immunsystem bereits gegen die Cholera oder die Salmonellen zur Wehr setzt. Der Wundbrand hat konsequenter Weise Priorität und darum gebe ich ihm nach und nach eine Tetracylin-Pille nach der anderen, aber sein Zustand bleibt leider unverändert. Am Camp nimmt er immer nur kleine Bissen zu sich, damit er nicht zu schnell an Kraft verliert.

    Ich lasse ihm ein paar Tabletten da und beschließe, währenddessen nach Ravini zu schauen. Solange wir nicht sicher sein können, dass seine Influenza überstanden ist, sollte er mit keinem in ein Auto steigen. Daher gehe ich alleine auf die Suche.


    Schnell schnappe ich mir mein neues Megaphon und renne damit die Küste ab. Immer wieder mache ich eine Durchsage, in der Hoffnung, dass unser Farmer sie hört und wir so seine Position bestimmen können. „Achtung, Achtung! Dies ist ein Einsatz der Samariter von Chernarus. Bitte nicht schießen!“ Ich wiederhole: „Bitte nicht schießen! Dies ist ein Einsatz der Samariter von Chernarus.“ So hallt es durch die verschiedenen Ortschaften an der Küste, bis ich schließlich in Kamyshovo eintreffe. Ravini hört jedoch nichts und beschreibt mir einige weitere Anhaltspunkte. Offenbar war er von Kamyshovo aus weitergelaufen, denn nun beschreibt er mir den Leuchtturm in Richtung Westen. Na klasse… da ist der Gute einfach an mir vorbeigerannt, trotz aller Vorkehrungen. Junge, ich trage ROT, rufe wie bekloppt in mein Megaphon und dann passiert sowas. Nun gut. Ich bitte ihn, einfach am Leuchtturm stehen zu bleiben, damit ich ihn abholen kann. Doch kaum bin ich dort, beschreibt er mir zahlreiche Baukräne, Container und schließlich ein gesunkenes Schiff. Scheinbar hat er keine Lust, gefunden zu werden und möchte sich alleine durchschlagen. Ich knirsche mit den Zähnen. Nun gut, einen letzten Versuch unternehme ich, um ihn zum Bambi-Auffanglager zu lotsen, wo das Auto mit seiner und Opis Beute wartet, aber da drohen mir die Batterien auszugehen. Ein Wandertag mit einer Gruppe motzender und pubertierender Achtklässler durchzuführen ist bestimmt einfacher, als diese beiden am Leben zu erhalten…

    Gerade, als das Megaphon den Geist aufgibt, bestätigt mir Ravini, etwas gehört zu haben. Gott sei Dank, endlich!

    Und tatsächlich, ich sehe ihn emsig zwischen den beiden Containern umherwuseln und begrüße ihn freundlich. „Wie kommt es eigentlich, dass ich immer zuerst gesehen werde?!“, fragt er etwas resigniert, aber ich bin für den Moment nur froh, dass wir ihn gefunden haben. Schnell begleite ich ihn zurück zum Bambi-Auffanglager, da erklärt mir Opi, dass seine Medikamente nun aufgebraucht sind. Schließlich geht auch mein Vorrat zur Neige und wir müssen zusammen nach Cherno, um Nachschub zu organisieren. Ravini rüstet sich aus und wir gehen zu dritt zu unserer Lagerhalle, um nach neuem Tetracylin zu schauen. Dort bekommt der Farmer seine Beute aus Opis Auto zurück und schließlich kann er wieder voll ausgestattet, gesund und munter seiner Wege gehen. Opi und ich legen eine kurze Rast am Bambi-Auffanglager ein.




    ~~~




    Nach einer kurzen Pause, machen Opi und ich uns auf den Weg nach Chernarus. Er benötigt weiterhin Medikamente und scheint wirklich mehrere Krankheiten gleichzeitig zu haben. Wenigstens die Influenza scheint nun besiegt, denn das Husten bleibt aus. Bleiben noch die letzten Ausläufer der Cholera, denn beim zu schnellen Essen und Trinken übergibt er sich nach wie vor. Tja und da wäre natürlich noch der Wundbrand. Allerdings scheint diese Infektion langsam ebenfalls zurückzugehen, denn sein Stöhnen wird seltener und er macht generell einen stabileren Eindruck. Wir schleichen uns also an Zombies vorbei immer weiter in Richtung Klinik. Da er noch ziemlich angeschlagen ist, kommen wir nicht so schnell vorwärts und es braucht seine Zeit. Wir greifen uns alles, was wir finden können, - inklusiver einer Piratenfahne und arbeiten uns zurück zum Bambi-Auffanglager. Unterwegs nehme ich noch zwei Hühner mit, denn Opi benötigt dringend hochwertiges Essen. Über Funk schaltet sich Kanu dazu. Ich bin sehr froh, seine Stimme zu hören. Er macht sich ebenfalls auf dem Weg zum Lager, um uns etwas Rückendeckung zu geben, während Opi sich erholt. Danach würde er mich sogar zum medizinischen Militärlager am Airstrip mitnehmen, wo wir vielleicht noch weitere Medikamente finden könnten.

    Auch Charly, Tabasko und Wolfgang schalten sich per Funk dazu und wir setzen ihn über Opis und Ravinis Abenteuer ins Bild. Zurück am Lager entfache ich ein kleines Lagerfeuer und brate die Hühnchen. Das wird ein richtiges kleines Festmahl!

    Opi sitzt stöhnend am Feuer und ich befrage ihn erneut nach seinen Symptomen. Die Übelkeit scheint besser zu sein, das Stöhnen wurde weniger. Wir beschließen, zur Abwechslung eine Vitamintablette zu versuchen, damit sein Immunsystem den restlichen Infekt eventuell selbst in seine Schranken weisen kann. Wie aus dem Lehrbuch. Doch dies alles benötigt Geduld. Diese ist jedoch bei Opi gerade am Nullpunkt angelangt. Leider übergibt er sich zu allem Überfluss auch wieder, nachdem er etwas Hühnchen zu sich genommen hat. „Ganz ruhig Opi. Lass alles raus, was keine Miete zahlt!“, flüstere ich ihm ermutigend zu und tätschel ihm kameradschaftlich auf den Rücken.

    Er ist ziemlich verzweifelt und er fleht mich schnell um Antibiotika an. Ich halte dagegen, dass wir nun erst einmal schauen müssen, welche Infekte er nun überhaupt noch hat und abwarten sollten, wie die Vitamintabletten wirken. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, er hält diese kleinen Lebensretter für Homöopathie…. Da er seit Stunden eine Tablette nach der anderen ohne signifikante Wirkung zu sich nimmt, wäre es aber dringend angeraten, die Strategie zu überdenken. Doch seine Ungeduld nimmt Überhand. Er möchte sich nicht weiter behandeln lassen. „Dann nimm halt 9mm“, grinst Tabasko trocken. Es scheint wirklich so zu sein, als ob Opi das ernsthaft in Erwägung zieht! Ich kann diese Haltung absolut nicht verstehen und will gerade an ihn appellieren, da meldet er, dass er sich schlagartig besser fühlt. Nun nur nichts überstürzen, denn ich glaube, dass vermutlich der Wundbrand nun ausgestanden ist, aber sich eventuell noch ein Erreger in seinem Körper befindet. Opi meint, man müsse nur fest genug vorhaben, sich das Leben zu nehmen, dann würde man auch wieder gesund…. Eigenwillige Logik, aber sofern er nun wieder in Ordnung ist, soll es mir recht sein. Ich gebe ihm Not-a-Cola, Salzstangen und einen Apfel. Alte Hausmittel. Hauptsache, er behält alles bei sich. Kanu kommt von seinem Aussichtspunkt zurück und gemeinsam brechen wir zur Lagerhalle mit unseren Autos auf, um eine Tour zum medizinischen Lager am Airstrip zu unternehmen. Opi fährt voraus, Kanu und ich nehmen das rote Bambi-Mobil. Unterwegs füllen wir noch kurz die Bambi-Kiste in Kamyshovo auf. Sie hat heute gute Dienste geleistet.


    Wir werden noch von einem Zug mit Zombies aufgehalten, ehe es dann schließlich weitergeht. Über Stock und über Stein… Schließlich kommen wir am medizinischen Lager an. Erinnerungen an vergangene Zeiten kommen mir in den Sinn, aber damals sah hier alles noch anders aus. Wir stopfen uns die Taschen voll mit allem, was wir an medizinischer Versorgung finden können. Auch ein Tarnzelt ist dabei.

    Auf dem Rückweg machen wir noch einen kleinen Abstecher in die Schule nach Elektrozavdosk, die jedoch verlassen ist.


    Zurück an der Bambi-Auffangstation darf Kanu etwas mit dem Humvee der Panzerknacker Probe fahren. Als Gegenleistung gebe ich ihnen die Piratenfahne. Die Gruppe hat wohl wieder eine Basis „geknackt“ und ist dementsprechend gut gelaunt. Da passt die Piratenfahne ja bestens… Charly witzelt noch etwas, er würde das gekaperte Zelt samt Loot 1:1 in unserem Lager aufbauen, um den Verdacht auf uns zu lenken. Ich bin natürlich wenig davon begeistert. Er lässt wirklich keine Gelegenheit aus, mich für das Lager aufzuziehen, aber im Grunde ist er schon dankbar dafür. Bestimmt. Ich muss nur fest genug daran glauben. Lalala….


    Kanu jedenfalls genießt die Fahrt und die neuen Erfahrungen, auch wenn er nicht der Meinung ist, dass im Humvee nun die Dinge groß anders sind als in anderen Autos. Aber es ist schon ein imposanter Anblick, so eine Militärfahrzeug. Im Gegensatz zu Opi am Vortag passiert ihm auch kein Unfall. Wir statten Max und Kevins Basis einen kleinen Besuch ab, aber die beiden sind nicht anzutreffen. Dafür scheint dort aber alles in Ordnung zu sein. Von dem mysteriösen Mitspieler, der sich dort unerlaubt Zutritt verschafft hat, ist nichts zu sehen. Wieder zurück am Bambi-Auffanglager gesellen sich Hikaru und Jammet per Funk zu uns und auch ein Neuzugang namens Dani ist mit dabei. Er scheint sich auch schon mit Charly und seinen Panzerknackern ausgetauscht zu haben. Fast eine richtig kleine Familie…

    Kanu beschließt, eine Art Event für unsere Gruppen vorzubereiten und begibt sich in die Planungsphase. Er murmelt irgendetwas von „Mister X“ und einem alten Brettspiel namens „Scotland Yard“. Nun, wir werden sehen. Alles ist besser, als nur jeden Tag stumpf ums Überleben zu kämpfen.

    Hikaru kommt runter zum Bambi-Camp und gemeinsam machen wir uns nochmals auf nach Cherno, um „bummeln“ zu gehen.

    Wir finden zwei Spitzhacken, eine Gartenharke und unterwegs noch zwei Schweine, die ich mit der Waffe versuche zu erwischen. Das ist gar nicht so einfach, denn ich bin alles nur kein Sniper. Wir schaffen es dann irgendwie doch, einige Zombies helfen und dabei und wir erlösen sie zum Dank von ihrem schrecklichen Dasein und grillen bzw. räuchern bei der Hütte das gute Fleisch. Was wir nicht brauchen, wir eingelagert für Bambis. Allerdings ermahne ich Hikaru, kein Fett einzulagern. Ein weiser DayZ-Überlebender sagte eins „Iss nie unbekanntes , es könnte Mensch gewesen sein…“. Solch einen Eindruck wollen wir keinesfalls erwecken, daher meine Anweisung an Hikaru. Jedenfalls war das Schicksal uns heute wieder gnädig, wie es aussieht. Gemeinsam albern wir etwas am Lagerfeuer rum, genießen einfach die Zeit und verabschieden uns schließlich.


    Gerade will ich mich im Haus hinlegen, als Dani einen Funkspruch abgibt. Er sitzt irgendwo weiter nördlich fest und hat sich wohl durch den Verzehr von Nahrung mit blutigen Händen eine Infektion zugezogen. Ich lotse ihn zur Klinik in Stary Sobor, lagere meine rote Kleidung sicherheitshalber ein, packe die nötigsten Medikamente zusammen und renne los. Immer in Richtung Norden. Der Plan ist, Mogilevka schnellstmöglich zu erreichen und dann in Vyshnoye auf Dani zu treffen, sollte er in Stary Sobors Klinik keinen Erfolg haben und Kohletabletten finden. Um seine Gesundheit steht es nicht gut.

    Kaum, bin ich losgerannt, wird es auch schon dunkel. Ich laufe und laufe, wie im Automatismus. In Mogilevka muss ich mich erst kurz orientieren, dann jedoch ist die Sache klar. In der Klinik hat er tatsächlich Kohletablette gefunden und Vishnoye erreicht. Erleichtert gibt er durch, dass seine Erkrankung wohl auskuriert ist. Ich mahne ihn zur Vorsicht und rate ihm, sich ein Haus mit einem Kamin zu suchen, ein Feuer zu machen und langsam zu essen. Ich setze meinen Weg unterdessen so oder so fort, um ihm weitere Medikamete für den Ernstfall zu geben.

    Kurz vor Vishnoye beginnt es heftig zu regnen. Die Kleidung klebt an meinem Körper und ich friere. „Nur nicht aufgeben!“, sage ich mir und kämpfe mich durch den Sturm weiter die Straße entlang. Ich entzünde ein kleines Knicklicht, damit ich leichter gesehen werde, auch auf die Gefahr hin, von anderen zuerst gesehen zu werden. Aber es hilft. Dani sieht mein Ankommen und lotst mich gleich in die Hütte, in der er schon ein Feuer vorbereitet hat. Gemeinsam zünden wir es an, essen etwas und ich übergebe ihm meine Medikamente und noch einige andere Vorräte. Mission erfüllt.

    Unglaublich, wie gefährlich einfache Erkrankungen werden können, wenn man nicht auf sich aufpasst. Ich bin froh, dass dieser Tag keine weiteren Opfer gefordert hat und lege mich müde auf den alten Sessel am Kamin. Umgeben von der wohligen Wärme träume ich meinen Traum weiter.


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  • 22. April 2023 – Eine Lektion in Dankbarkeit


    Ich erwache durch ein Ziehen in meiner Schulter. Vorsichtig blicke ich mich um und erinnere mich… ich hatte mich ja nach dem nächtlichen Einsatz für neben dem Kamin in den Sessel gekuschelt und war eingeschlafen. Vermutlich in einer ungesunden Position, denn jetzt zahlen meine Steifen Schultern den Preis. Ich recke und strecke mich im Sonnenlicht, das durch das Fenster scheint. Ich bin also in Vishnoye. Bis auf ein paar Zombies ist draußen alles friedlich und ruhig. Keine Spur von Dani, die Asche im Kamin ist kalt.

    Scheint, als würde mich mein heutiger Weg erst einmal zurück an die Küste nach Prigorodki führen. Ich funke in die Runde und tatsächlich melden sich der farmende Ravini sowie der immer wandernde Wolfgang. Stolz verkündet er mir, dass er eine Bambi-Fahne für unser Lager gefunden hat. Ich danke ihm und bitte ihn, sie in eine meiner Kisten in der Nähe des Bambi-Lagers zu legen, damit ich sie dort später abholen kann. Als Gegenleistung verspreche ich ihm, alle 9x39 Munition zu geben, die ich so auf meinen Reisen finde. Eventuell verschlägt es mich ja in ein Militärgebiet und ich finde etwas Brauchbares. Jedenfalls weiß ich bei Wolfgang, dass er ebenfalls auf seine Art für eine gute Sache kämpft und niemanden einfach so grundlos kaltblütig und hinterrücks erschießen würde. Er kennt Chenarus wie seine Westentasche und erinnert mich in der Hinsicht an Kanu. Sie beide müssen als Kind eine Karte von Chernarus versehentlich verspeist haben… achso ich wollte ja mit diesen Witzen aufhören. Schon gut.


    Nach einem spärlichen Frühstück in Form einer getrockneten Birne, schaue ich mich etwas in Vishnoye um und schleiche mich an einigen Zombies vorbei. Am Ortausgang weiden drei Ziegen. Was für ein Glück!

    Ich beschließe, mir etwas Fleisch für die Bambi-Auffangstation mitzunehmen. Dummerweise wurden durch meine Schussgeräusche einige Zombies aufgeschreckt. Ich kralle mir alles Fleisch schnell zusammen und laufe los. Am anderen Ende des Ortes flüchte ich mich in eine Hütte. Alle Zombies reihen sich vor der Türe auf. Na toll… aber auch jetzt ist das Schicksal mir wieder hold. Ein großer Rucksack liegt arglos auf dem Boden, in den ich das Fleisch aufteilen kann. Ich nehme den blauen Rucksack in die Hand. Somit habe ich wieder etwas mehr Platz. Die Zombies erledige ich nach und nach mit allem, was mir zur Verfügung steht. Speer, Schusswaffe und bloße Fäuste. Nach einigen anstrengenden Minuten ist es geschafft und sie türmen sich vor dem Haus auf. Da meldet sich Kanu über Funk bei mir. Er ist doch tatsächlich in der Nähe und würde mich ein Stück weit begleiten. Was für eine schöne Wendung!

    Wir tauschen ein paar Sachen aus und wandern in Richtung Küste.

    Etwas überrascht ist er durch mein grünes Outfit, denn normalerweise trage ich ja rot, aber für den externen Einsatz gestern hatte ich mich noch schnell umgezogen. Hauptsache, mein rotes Kreuz, der blaue AN-Helm und momentan eine quietschgelbe NBC-Hose machen mich gut sichtbar und lassen mich nicht wie ein vollausgestatteter, feindlicher Überlebender aussehen. Wir stapfen durch das hohe Gras, beseitigen hier und da ein paar Zombies am Vorort und setzen unseren Weg fort. Auf einem kleinen Hügel erklärt mir Kanu den weiteren Weg in Richtung Bambi-Lager, dann stockt er plötzlich. Auch ich sehe, was er meint: Auf dem Feldweg am Waldrand in knapp 500 Metern Entfernung rennt ein anderer Überlebender!

    Ich verabschiede mich von Kanu und beschließe, den Fremden anzusprechen. Vielleicht kann ich ihm ja helfen. Schnell renne ich gut sichtbar über die Wiese und den kleinen Hang hinauf, auf dem er oben in den Wald verschwunden ist. Am Waldrand schaue ich mich um, aber er ist nicht mehr zu sehen. Über Funk habe ich auch noch Kontakt zu Kanu und frage nach, ob er noch eine Spur von dem Fremden hat. Fehlanzeige. Ich beschließe zu rufen und verfluche die Tatsache, dass ich mein Megaphon in der Bambi-Basis gelassen habe. Das wäre jetzt hier sehr praktisch gewesen.




    „Haaalloooo! Hallo, Hallo, Halloooo!“, trällere ich unbedarft durch den Wald, um auf mich und meine friedlichen Absichten aufmerksam zu machen, den schweren Rucksack voller Ziegenfleisch in meinen beiden Händen. Keine Antwort. Ich sehe mich um.

    Von rechts vorne höre einen Knall. Erst leise, dann zunehmend lauter. Verdammt schnell!

    Vor mir wird alles schwarz. Ich höre noch, wie ich stöhnend zu Boden falle.

    Stille.

    Ist das nun das Ende?

    Komischerweise glaube ich nicht, dass dies das Ende ist, denn ich kann noch denken. Und ich denke, so komisch es ist daran, dass ich hoffentlich Kanu noch einen Funkspruch zugeschickt und ihn gewarnt habe. Ich denke daran, dass ich sogar extra noch gerufen habe und der Überlebende wohl alles andere als gute Absichten hatte. Wie offensichtlich… Aber ja, ich denke. Also bin ich.

    Tja und nun? Also wenn das das Ende sein soll, dann ist es unbefriedigend, immer noch solche Gedanken zu hegen. Denn dann wäre das ja nun alles unnütz. Ich dachte immer, dann wäre einfach alles vorbei und man würde aufhören zu denken. Tja… Aber was ist das? Um mich herum wird es plötzlich wieder hell und ich finde mich auf dem Waldboden wieder. Stöhnend rolle ich mich auf meinen Bauch. Der Kerl hat mich an den Beinen erwischt. Und da mache ich etwas ziemlich Blödes… Anstatt mich in Sicherheit zu bringen, bin ich noch so im unvernünftigen „kleines-Kind-Modus“, dass ich laut nach dem Fremden rufe. „Hey! Was soll denn das denn?! Ich habe dir doch gar nichts getan!“ Mein Gehirn arbeitet wieder, denn ich wiederhole fast schon automatisch die Nachricht auf Englisch. Es könnte ja sein, dass man mich sonst nicht versteht. „I didn’t do anything to you! Come on, why are you shooting?“ Vorsichtig stehe ich auf und sehe mich um. Keine Spur von dem Fremden zu sehen. Meinen Rucksack mit dem Fleisch lasse ich liegen und ziehe mich keuchend an die Türe eines im Wald abgestellten Bauwagens zurück. Noch unter Schock funke ich Kanu zu, dass ich noch lebe und versuche, den Fremden anzusprechen, aber keine Antwort bekomme. Eigenartigerweise blute ich auch nicht, aber der Schuss muss mich voll erwischt haben. Ob meine Presseweste mir das Leben gerettet hat? Der Helm ist jedenfalls noch in bester Ordnung. Ich gehe zwei, drei Schritte aus meiner Deckung und rufe in Richtung Wald: „Hey! What is it?“. Die Antwort kommt prompt. An meinem rechten Ohr zieht ein Schuss vorbei und trifft hinter mir die Metallene Wand des Bauwagens. Ich ziehe mich hinter den Bauwagen zurück. Vermutlich muss das eine große Waffe gewesen sein. Eventuell eine Sporter oder etwas in der Richtung bei dem Lärm… Hinter dem Wagen rufe ich in Richtung in der ich den Schützen vermute. „What is it? Was ist denn mit dir kaputt, Junge?“ Ich bleibe dabei immer in Bewegung. Keine Antwort. Wenn ich nur wüsste, wo genau er hockt. Ob er versucht mich zu flankieren? „Junge, was ist denn mit dir kaputt, ich mach doch gar nichts!“

    Wie zur Antwort knallt ein erneuter Schuss gegen den Bauwagen. Okay…da, wo ich ihn vermutet habe, sitzt er schon einmal nicht. Wieder versuche ich es in Englisch von meinem Schutz hinter dem Bauwagen aus. „Come on you guy, what’s wrong with you? I didn’t do anything to you!“ Per Funk meldet sich Kanu. „Ich brauche Ortsangaben…!“. Das ist ganz schön schwer, wenn man im Wald ist, keine Ahnung wo und aus unbekannten Richtungen beschossen wird und gerade von einer Nahtoderfahrung aufwacht. Aber ich versuche so genau wie möglich zu sagen, wo ich stehe. „Öhh…Hinter einem Bauwagen. Im Wald. Er schießt auf den Wagon.“ Von wo aus kann ich nicht genau sagen. Ich bleibe in Bewegung, gehe ein paar Schritte weiter nach hinten und werde an der Schulter getroffen. Allerdings bin ich noch nicht tot. Ich schleppe mich in den Bauwagen an die Türe und verbinde meine Wunde. Das hat verdammt weh getan, du Sack!

    Während ich mich verbinde, melde sich auch Wolfgang zurück per Funk. Wir setzen ihn ins Bild, dass ich im Wald unter Beschuss geraten bin. Sofort möchte mir der Gute zur Hilfe eilen. Nördlich von Cherno, westlich vom Sommercamp ist die Jagd ist eröffnet…

    Mir geht es gar nicht gut. Ich kauere mich stöhnend im Bauwagen zusammen und gebe mir etwas Kochsalzlösung. Das gute alte Salin… Vielleicht auch nur ein Placeboeffekt, aber mir geht es schon besser. Bloß nicht das Bewusstsein verlieren, sonst war es das. Für einen Moment ist es ruhig und ich funke enttäuscht, dass ich versucht habe mit ihm zu reden, aber er das wohl nicht wollte. Wie ein kleines enttäuschtes Kind. Unter Schock.

    Ich halte Inne und versuche zu lauschen. Keine Schritte, alles ist ruhig, bis auf das Vogelgezwitscher. Ich verhalte mich ruhig. Ganz ruhig. Nach ein paar Minuten beschließe ich, etwas zu versuchen und beiße herzhaft in ein getrocknetes Steak. Genüsslich kaue und schmatze ich, dann höre ich wieder einen Schuss. Mein Plan hat geklappt. Oder doch nicht? Er schießt nicht auf mich, sondern Kanu meldet nun Beschuss. Er hat Sichtkontakt. „Wo bist du, du Scheißkerl?!“ flucht er in den Funkkanal. Sicherheitshalber rufe ich nochmals in den Wald hinein: „Sag mal Leute, was macht ihr denn da eigentlich?!“ und Sätze wie „Was fällt dir eigentlich ein, auf einen unschuldigen Samariter zu schießen?!“ hallen durch den Wald, aber vermutlich hört mich keiner. „Noch lasse ich dich in Ruhe, aber ich habe keinen Bock auf irgendwelchen Streit! Komm du mir mal in mein Bambi-Camp, dann gibt es nichts von mir. Kein Essen! Kriegst keine Kleider von mir, wenn du weiter auf mich schießt…. Ich sag’s dir!“ Das hat gesessen! Das wird ihn bestimmt davon abbringen, sowas zu machen…. NICHT. Aber egal, vielleicht habe ich ihn oder eventuelle Kumpel dadurch abgelenkt und halte sie ab, auf Kanu zu schießen. Dieser meldet sich gerade, dass der Überlebende wohl in Richtung Sommercamp verschwunden ist.

    Gut, dann bin ich hier wohl überflüssig. Es gab wohl zwischen den beiden ein kleines Feuergefecht, aber Kanu blieb unverletzt. Jedenfalls hebe meinen Rucksack auf und laufe weiter in Richtung Cherno. Wer auch immer das war, er muss schlecht geschossen haben, aber er wollte mich töten. Diese Erkenntnis muss erst einmal sacken.

    Natürlich ist mir jederzeit bewusst, dass jedes Ansprechen und jeder Kontakt mit Überlebenden meine letzte Tat sein könnte, aber wenn es dann doch mal so ist, schmerzt es schon. Körperlich und psychisch. Ich laufe langsam mit Kanu weiter, immer den Hang hinab in Richtung Küste.

    Tja… wie werde ich mich verhalten, wenn ich das nächste Mal beschossen werde?

    Werde ich noch immer so friedlich sein oder bald doch so werden wie Charly, Tabsko und die anderen? Die „dunkle Seite“ nennen sie es scherzhaft.

    Kurz vor dem Waldrand trennen sich Kanu und ich. Ich ziehe allein weiter in Richtung Novoselki. Dort kämpfe ich mich mit meinem Rucksack durch die Stadt, sammele hier und da etwas Essbares und arbeite mich so weiter vor in Richtung Chernogorsk. Mein Ziel ist es, dort einen Abstecher zur Klinik zu machen und von dort aus wieder nach Prigorodki ins Bambi-Auffanglager zu gelangen.

    Nach gefühlten Stunden habe ich endlich die Klinik erreicht. Über Funk schaltet sich Tabasko zur Gruppe und wir berichten ihm kurz, wie es uns ergangen ist. Ich schlage vor, man könnte den Fremden ja suchen und ins Lager bringen. Tabasko gibt lächelnd zu bedenken, dass ich immer mehr auf die dunkle Seite käme… nein nein! Weit gefehlt. Ich würde aber mit dieser Person gerne reden und ihr klar machen, dass man so einfach nicht mit anderen Menschen umgehen kann. Apokalypse hin oder her. Einen Funken Menschlichkeit braucht die Welt eben! Den sollte man nicht einfach mit dem Fuß im Keim ersticken. Mein inneres Kind möchte mit ihm reden und ihm trotzig erklären, dass es ganz blöd war, was er gemacht hat. „Achso, wir sollen ihm die Beine wegschießen, Fesseln, Tüte überm Kopf und dann zum Bambi-Lager bringen?“, fasst es Tabasko zusammen.

    Ich bezweifle, dass er mich verstanden hat oder mich verstehen will…

    „Ich denke aber, wenn man vernünftig mit diesen Leuten redet, dann klappt das auch…“, erwidere ich. Ravini schüttelt vor meinem geistige Auge den Kopf „Also am Anfang des Satzes, oder was das war, war das noch in Ordnung eben. Nach hinten hin wurde er immer schlimmer.“

    Kurz sage ich noch, dass ich leider nicht weiß, wie dieser ominöse Schütze aussieht, aber dass Kanu etwas von einem schwarzen Rucksack gesagt hat. Vermutlich ein Feldrucksack.

    Wie dem auch sei, ich raffe unterdessen alles in der Klinik zusammen, was mir brauchbar erscheint und beschließe dann, die beiden Kioske vor der Klinik zu inspizieren. Kanu und Wolfgang haben jedenfalls keine Spur mehr von dem unheimlichen Schützen finden können.

    Im Kiosk finde ich eine grüne Sanitäter-Hose, die perfekt zu meinem Oberteil passt. Ich schließe hinter mir die Türe und ersetze meine ruinierte gelbe NBC Hose. Schließlich nehme ich meinen Rucksack wieder in die Hand und öffne erneut die Türe vom Kiosk. Dann renne ich in den nächsten Verkaufsstand und durchsuche eilig die Regale, als ich plötzlich aufschrecke. Neben mir schlägt eine Kugel in den Boden ein. WAS ZUM?!

    Ich suche Deckung hinter einer Wand, als die zweite Kugel an meinem Kopf vorbeisaust.

    Eilig sende ich einen Funkspruch los. „Ich werde beschossen!“, allerdings kann ich es noch immer nicht glauben. Ausgerechnet hier, in Chernogorsk? Vielleicht war es Tabasko, der mich in meinem grünen Samariter-Outfit nicht erkannt hat? Doch dieser verneint.

    Ein neuer Schuss, ich werde wieder in die Schulter getroffen. Ich laufe etwas im Kiosk umher, um kein gutes Ziel abzugeben, da stürmt ein Bambi mit Brechstange durch die Türe auf mich zu. Ich halte den Rucksack schützend vor mich, sage meinem Team, dass ich mich vor der Klinik befinde und stürme an ihm vorbei aus dem Kiosk raus. Blos weg und raus, aus der Todesfalle! Hinter mir mein Verfolger, die Brechstange drohend in der Hand. Ich kann mich nicht wehren mit dem Rucksack, aber wenn ich ihn ablegen würde, müsste ich sehen bleiben und hätte keinen Schutz mehr. Also beschließe ich zu rennen. Mitten in die Klinik.

    Ich rufe meinem Verfolger hinterher „Sag mal, was soll das, hey hey hey!“ und „Lass mich in Ruhe! Was machst du denn?“ Ein Blick nach hinten zeigt, dass er mir mit einem Zombie folgt und nicht viel vom Reden hält. Ein echtes Killer-Bambi, geht es mir durch den Kopf. Ich renne in die Klinik und schleudere meinem Verfolger die Türe entgegen. Dummerweise verpasse ich die Treppe und sitze nun in der Falle. „Lass mich in Ruh‘!“ Doch dieser denkt nicht daran. Er öffnet die Türe und schlägt mit seiner Brechstange immer weiter auf mich ein. Immer wieder halte ich den Rucksack schützend vor mein Gesicht. Kurz habe ich die Hoffnung, dass der Zombie hinter ihm mich unterstützt und ihn ablenkt. So schlage ich nach meinem Gegner mit dem einzigen, was ich habe: Meinem Rucksack voller Fleisch.

    Doch nach 5 Schlägen bricht meine Verteidigung zusammen und ich gehe bewusstlos zu Boden. Meine einzige Hoffnung ist, dass Tabasko den Funkspruch gehört hat und mir zur Hilfe eilt. Vielleicht lockt ihn ja der Fakt, dass ich für die Gruppe eine Piratenfahne im Inventar habe, die ich am Vortag bei der Rettungsaktion für Dani gefunden hatte.

    Ein Licht… es kommt auf mich zu und geht wieder weg. Es lockt mich, provoziert und gerade, als ich es greifen will ist es wieder weg. Da! Ich wache auf. Eine Stimme dringt in mein Ohr: „Hey friendly! Ist mit dir alles okay?“ und „Friendly okay?“ Doch mir dröhnen noch so die Ohren, dass ich die Wortfetzen nicht zuordnen kann. Ich setze mich auf. Vor mir der Bambi mit der Brechstange. Keuchend stehe ich da. Ordne meine Gedanken. Dann bahnt sich eine Welle der Entrüstung in Form eines Wortschwalls aus dem Mund: „Ja klar, friendly! Du friendly my ass! Hey, sag mal!“. Taumelnd bin ich nicht in der Lage, einen klaren Satz zu formulieren. Mein ganzer Körper schmerzt höllisch und ich fühle mich, als ob ich unter die Räder gekommen wäre.

    Nicht gerade die beste Begrüßung, aber man darf nicht vergessen, dass ich gerade von meinem Gegenüber zu einem kleinen grünen Klumpen Brei geschlagen wurde. Dann füge ich keuchend hinzu: „German or English?“ und ermahne meine Teamkollegen im Funkkanal bitte Funkstille zu waren. Mein Kopf dröhnt von den vielen Stimmen und ich kann den Fremden kaum verstehen. „Öhh…. German“, kommt es von meinem skeptischen Gegenüber, der vermutlich auch nicht weiß, wo ihm der Kopf steht. In der Ferne höre ich meinen Namen rufen, aber ich vermute das war der Funk mit Tabasko, Kanu, Wolfgang und Ravini. Keine Zeit, die Stimme einzuordnen. In meinen Ohren piept es, mein Herz pumpt wie wild und am liebsten würde ich meinem Gegenüber ins Gesicht springen. Doch stattdessen versuche ich zumindest physisch ruhig zu bleiben, aber ergebe mich nochmals dem Drang, eine Schimpftirade auf mein Gegenüber abzufeuern. Ich brauche keine Knarre. Ich hab Worte! Tja und dann folgt die vermutlich epischste Konversation zwischen einem vermutlich geläuterten Killer-Bambi und einem Samariter, die man sich denken kann. Ich versuche den Dialog an dieser Stelle mal so detailgetreu wie möglich wiederzugeben.

    „German. Also Junge, was soll denn das?!“ Er fängt an stark zu husten. „Ja ich…“ doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen, lege jetzt erst richtig los: „Sag mal, hast du sie noch alle, oder wie?!“ „Nein… ich… ich hab...dachte nur du hast irgendwie Stress gehabt eben mit ‘nem Kollegen.“ „Ja, Stress mit DIR, hallo?! Ich loote hier einfach und du greifst mich an? Ich bin ein Samariter!“, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass man auf mich eben nicht zu schießen hat. Dass die Realität ganz anders aussieht, weiß ich zu gut, aber mein Gegenüber soll ruhig merken, was er da für einen Bockmist verzapft hat! Ha, gib ihm!

    „Aber okayyyy, passt schon!“, sag ich in einem sarkastisch-unterschwelligen Ton. Haut nur alle auf mir rum! Erschießt mich, knüppelt mich zu Boden. Passt schon! „Ja kooomm, entspann dich“, versucht er freundschaftlich anzusetzen, „ich hab dich doch leben lassen!“. Ich fasse es nicht… so kontert er wirklich? Allen Ernstes? Tja und dann bin ich wieder so in Rage, dass ich ihm zynisch entgegne „Oh… du hast mich leben lassen! Hallo, hallo! Na toll!“ Wirklich ganz großes Kino. Wieder höre ich meinen Namen an meinem Ohr und denke, es sei der Funk. Außerdem bin ich mit dem Knilch da vor mir noch nicht fertig. Ein weiterer Überlebender kommt hinzu. Ich bin der festen Überzeugung, das sei Tabasko zur Unterstützung und gifte dem Fremden mit der Brechstange belehrend entgegen: „Kannst du erstmal reden, bevor zu zuhaust, Junge? Was hast denn du für ein Problem?“. Ha, das hat gesessen! Der Überlebende, den ich für Tabasko halte, kommt etwas näher auf mich zu. Ich höre wieder eine Stimme, glaube aber sie käme aus dem Funk. Ich versuche meinem Team zu erklären, dass ich die Person in Grün bin. Aber es kommt keine Antwort. Da mich mein Gegenüber aber in Ruhe lässt, jage ich mir erst einmal erneut Kochsalz in die Venen. Ah… das tut gut. Nun fragt Kanu im Funkkanal, ob Tabasko bei mir sei. Ich sage „Ja“, Tabasko sagt aber gleichzeitig „Nee“. Mir läuft ein Schauer über den Rücken.

    Okay.. gut. Lage analysieren.

    Da sind also zwei Fremde, die offensichtlich Freunde sind. Einer hat gerade versucht mit der Brechstange zu Tode zu prügeln. Tja und der andere..? Gut. Ich brauche mehr Informationen. „So, wer seid ihr zwei?“, verbalisiere ich die einzig sinnvolle Frage, die mir gerade in den Sinn kommt. „Öhhh…“ beginnt das Killerbambi mit der Brechstange. Mehr bringt er nicht zu stande. Kennt nicht mal seinen eigenen Namen oder wie? Ich versuche es nochmals.

    „So, wer seid ihr zwei, wenn wir uns jetzt mal wieder etwas beruhigt haben?“

    Wieder die Frage nach meinem Namen und Tabasko versucht gerade von mir eine Lagebeschreibung herauszukitzeln. Wenn ich nur wüsste, wer wo redet! Erneut versuche ich meine Gedanken laut zu ordnen. Ich hole hörbar Luft, während Kanu und Tabasko im Hintergrund versuchen abzuklären, wie sie am schnellsten zu mir kommen.

    „Also liebe Leute. Nochmal gaaaanz langsam von vorne. Ihr zwei kommt einfach hierher und überfallt mich armen Samariter. Ja, ich bin hier am Helfen. Ich habe ein Bambi-Camp und ich versorge gerade Bambis.“ „Okay?“, füge ich, betont langsam, im belehrenden Ton für begriffsstutzige Teenager hinzu. „Okay“, besttätigt das Killerbambi, das seine Brechstange inzwischen weggepackt hat und sich immer wieder den Schweiß von der Stirn wischt.

    Weiterhin betont ruhig ergänze ich: „Und ich reagiere empfindlich drauf, wenn plötzlich jemand mit der Brechstange kommt und auf mich zuhaut.“

    Dramatische Pause.

    „Aaaalsooo…“, beginne ich von Neuem und hole gekonnt hörbar Luft zur Untermauerung, „jetzt wo wir uns alle ein Bisschen kennengelernt haben…. Wer seid ihr denn?“

    „Warte mal kurz… wieder.“, fängt das Killerbambi an. Eventuell hat auch es Kontakt zu seinem Team über Funk. Da keine Antwort kommt und Killer-Bambis erwiesenermaßen mit zu vielen kognitiven Anforderungen auf einmal überfordert sein könnten, wiederhole ich meine Frage nochmals gedehnt langsam, als ob ich mit kleinen Kindern reden würde. „Also nochmal. Wer seid denn ihr zwei Hübschen?“ Das Killerbambi niest hörbar. Oh oh. „Öhh. Also ich bin Sebb. Hallo. Und wir spielen den ersten Tag grade erst zusammen“, fängt der fremde an.

    „Okay, also du klingst sehr erkältet. Da müssen wir auf jeden Fall mal was dagegen tun“, sage ich. Mein Samariter-Instinkt hat wieder die Kontrolle übernommen, das innere Kind und der innere Lehrer wurde zurückgedrängt. „Dein Kumpel, wie heißt der? Ich habe es nicht verstanden.“ „Äh… ich weiß gar nicht…..Mojo.“ Mann, bekommt man aus dem endlich mal was raus zur Abwechslung? Aber bei dem Namen geht mir innerlich eine Kerzenfabrik auf. Mojo… das ist der Spitzname von…

    „Mojo! Dani, bist du das? DANI?“, rufe ich ungläubig in den Raum und starre den anderen mit dem schwarzen Rucksack vorwurfsvoll an.

    Schweigen. Mitten ins Schweigen knurrt sein Magen hörbar. Die Situation ist grotesk.

    Ich humpele auf ihn zu. „Also, ich geb‘ euch erstmal was zu Essen, Ja?“, sage ich und werfe ihm eine Packung Reis auf den Boden.

    Ich krame in meinen Sachen, da dringt eine bekannte Stimme an mein Ohr. Funk oder echter Kontakt? Wenn mein Kopf nur nicht so schmerzen würde..

    „Hallo, ICH bin der andere!“, ruft eine Stimme lachend.

    Müde gebe ich zurück: „Ja, das dachte ich mir gerade, Dani. Hi….“

    Weiter lachend fügt er hinzu: „Ich bin nämlich der mit dem schwarzen Rucksack und den anderen habe ich ja schon vorangekündigt…“ Ja… ja. Das hätte man alles auch friedlich… Warte mal. Eine Sekunde. Schwarzer Rucksack… Wo habe ich das schon einmal… Nein… das darf doch jetzt nicht wahr sein! Während es in meinem Kopf rattert, setzt Dani seinen Dialog fort.

    „…und das war jetzt so ein dummer Zufall, dass wir… wir hatten nämlich vorher ein Gefecht ganz…in der Nähe von hier. Ich war mit ihm dann da und er hat gesagt er hat Schüsse in den Rücken bekommen. Dann dreh ich mich um, vom Jägerstand runter und hab geschossen, weil ich da jemanden gesehen hab, der nicht ausgeschaut hat wie er.“

    Jetzt wird mir alles klar. Ich versuche die bizarre Situation laut denkend aufzulösen.

    Also, ich habe einen Spieler auf dem Weg nach Chernogorsk gesehen und bin ihm nachgelaufen. Das war vermutlich Dani. Irgendwie war er der Meinung, jemand habe seinen Freund, den Sebb, angeschossen und er dachte, das sei ich gewesen. Daraufhin hat er einfach auf mich geschossen. Dann hat er wohl Kanu gesehen und ihn ins Visier genommen, ehe er dann mit Sebb zusammen nach Cherno aufgebrochen ist. Dort hat dann Sebb versucht, mich mit der Brechstange zu erledigen. Hat wohl Gewissensbisse bekommen und mich mit einer Infusion versucht am Leben zu erhalten.

    WAS IST DAS FÜR DROGENTRIP?!?!

    „Du hast ja gar nicht reagiert so, ne?“ versucht das Killerbambi namens Sebb sich noch zu rechtfertigen, aber ich würdige das keines Wortes und kann es auch nicht einordnen. Ich würde laut durch den Wald rufe, sich nicht wehr und stattdessen Schutz suchen wohl kaum als „nicht reagieren“ bezeichnen. Oder was meint er da gerade? Grenzdebiles Killerbambi!

    Die bizarre Situation wird aufgelöst, als ich Tabasko sehe, der nun auch in die Klinik spaziert kommt. So stehen wir vier hier in einem Gang und starren uns an. Oh Mann!

    Die Situation ist so bizarr, dass mein innerer Samariter wieder die Kontrolle übernimmt. Alle anderen Modi haben keine Chance.

    Sebb ist krank.

    Sebb braucht Medizin.

    „Ich geb dir erst mal was gegen die Erkältung…“, seufze ich resigierend.

    „Okay, das ist nett“, antwortet er.

    „Tut nicht weh.“, sage ich und ramme ihm eine Packung Tetrazylin in den Arm.

    Tabasko lacht: „Haha, die schießen und im nächsten Moment hört man nur ‚Ich geb dir mal was gegen die Erkältung.‘“

    Ja, Recht hat er. Soviel zum Thema auf „die dunkle Seite wechseln“. Klar, ich bin noch immer tierisch sauer, dass ich heute fast zweimal gestorben wäre und dass vor allem jemand dahintersteckt, für den ich gestern erst die Tour nach Vishnoye unternommen habe. Undank ist der Welten Lohn…aber irgendwie ist die Situation so grotesk komisch, dass ich nun doch etwas lachen muss. Wow… was für ne Story.

    „Naja wir leben ja noch alle.“, sagt Sebb etwas kleinlaut.

    „Hahaha…“, lache ich nun laut los. „Ich zwei seid einfach wunderbar…“ Autsch, das tut weh.

    Jedenfalls weiß ich jetzt, das mein Rufen im Wald einfach nicht gehört worden ist. Soviel dazu.

    Leider scheinen Sebb und Dani ernsthaft erkrankt zu sein. Bei den Symptomen tippe ich bei Dani auf einer Erkältung oder sogar der Influenza. Das bekommen wir bestimmt bald in Griff, aber Dani macht mir mehr Sorgen. Er hat sich wohl wieder eine Vergiftung zugezogen. Entweder sind es Salmonellen oder doch die Cholera. Wir beschließen, beide zur näheren Behandlung zurück ins Bambicamp zu bringen. Der Weg dorthin ist beschwerlich, denn Dani kommt nur langsam voran. Unterwegs fühlt sich Sebb wenigstens schon besser, denn sein Husten lässt nach. Das Medikament zeigt jedenfalls schon Wirkung. Zum Glück werden wir von Tabasko begleitet und er hält uns die Zombies vom Leib. Für einen kurzen Moment gebe ich mich Gewaltfantasien als Rache hin. Die beiden wären uns komplett ausgeliefert und wollte ich nicht vor einer knappen Stunde noch die beiden freiwillig oder unfreiwillig ins Lager bringen lassen? Ironie des Schicksals, dass wir jetzt alle drei humpelnd dem Lager immer näherkommen. So habe ich mir das nicht gedacht. Aber lasse von meinen Rachegedanken ab. Samariter machen den Unterschied! Und wie sagt Opi immer? „Wer Rache nimmt, muss mindestens zwei Gräber schaufeln.“

    Dass er das allzu oft billigend in Kauf nimmt, lassen wir jetzt einfach mal gekonnt weg.


    Nach einem fast endlosen Weg kommen wir müde und erschöpft endlich im Lager an. Wie gut, dass ich die Ziegen erlegt habe, denn so können wir gleich das Fleisch braten. Auch Jammet kommt hinzu und wir kümmern uns um Danis Erkrankung. Am Brunnen halte ich beiden nochmals eine Standpauke mit erhobenem Zeigefinger, um mich besser zu fühlen.

    Es scheint ihnen schon leid zu tun, jedenfalls rede ich mir das ein.

    Schließlich lege ich mich noch ein paar Stunden in einer Hütte ins Bett und ruhe aus, damit mein geschundener Körper etwas zur Ruhe kommt.

    Für den Abend hat Kanu sich ein Event für die Gruppe ausgedacht, bei der nach einem mysteriösen Mister X gesucht werden soll. Ich habe zwar genug von Mister X für den Tag, beschließe aber, dann doch mitzumachen. Das wird bestimmt lustig. Solange ich nicht viel laufen muss, ist alles gut.


    ~~~

    Nach meinem kurzen Schlaf wache ich im Haus am Brunnen auf. Fast alle sind zu unserem kleinen Event gekommen: Jammet, Dani, Opi, Wolfgang, Sebb, Tabasko. Charly möchte später dazustoßen, ebenso wie Hikaru. Schade, dass Kevin und Max fehlen und Ravini wohl auch beschäftigt ist, aber wir haben unheimlich viele Leute hier am Brunnen.

    Eine richtige kleine Feier! Die Ziegen sind im Nullkommanichts aufgegessen.

    Außerdem bekommen wir Besuch von Blue, der heute zum ersten Mal in Chernarus angekommen ist. Zunächst möchte ich ihn in Kamyshovo abholen, werde dann aber von Opi und Jammet abgelöst, die ihn mit dem Auto zum Bambilager bringen möchten. Während ich zurücklaufe, meldet Wolfgang von seinem Ausguck ein Bambi beim Industriegebiet vor Cherno. Mein Herz rast.

    Sofort laufe ich zurück, finde jedoch keine Spur mehr. Bei den Containern habe ich den Fremden verloren. „Vielleicht ist es auch besser so“, denke ich bei mir. Ich hatte wirklich genug Aufregung für einen Tag.

    Doch auf dem Rückweg, sehe ich in einem Wachhäuschen einen Zombie stehen. Hat den der Überlebende da eingeschlossen? Ich schleiche mich näher und erkenne, dass es kein Zombie, sondern ein Spieler im Regenmantel ist!

    Vorsichtig schleiche ich mich heran und versuche ihn anzusprechen. Ich sage ihm, dass er bitte nicht erschrecken soll und dass heute sein Glückstag sei. Er stellt sich mir als Andi vor und ich begleite ihn, geschützt von Wolfgang in der Ferne, zum Bambi-Lager. Dort stattet er sich erst einmal aus und verspricht, auch mal die ein oder andere Spende dazulassen. Ist zwar nicht Pflicht, aber eine nette Geste.

    Anschließend kommen noch zwei weitere Freunde von ihm an: Basti und Florian. Sie alle werden ausgestattet und auch Blue ist am Brunnen angekommen. So viele Bambis hatten wir schon lange nicht mehr am Brunnen. Auch Danis Erkrankung scheint ausgestanden zu sein.

    Beim Event machen Andi, Basti und Florian dann aber nicht mit.


    Es ist schon spät, als wir uns für das „Spiel“ fertigmachen. Ich schlüpfe wieder in meine rote Sanitäterkleidung und packe einen großen Rucksack mit Medikamenten und Verpflegung zusammen.
    Kanu hat sich irgendwo versteckt und wir sollen ihn suchen. Immer wieder wird er uns Hinweise verschiedener Art auf seinen Aufenthaltsort geben. Das kann ja heiter werden! Drei Autos, die wir von Opi und den Panzerknackern geliehen bekommen, werden losgeschickt. Ich steige zu Charly, Dani und Sebb in den Humvee, stecke mir mein Tagebuch in die Westentasche und fahre los.

    Möge Gott meiner Seele gnädig sein. Ich kenne ja Charlys Fahrstil…


    ~Fortsetzung folgt...~


    Dani.jpg


    Sebb.jpg


    Gespraech.jpg



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  • Ein Hinweis vorweg:
    Dieser Beitrag behandelt dem Umgang mit Tod und Unfällen und verwendet verbale Kraftausdrücke. Wenn du auf diese Themen sensibel reagierst, lies diesen Eintrag vielleicht lieber mit einer vertrauen Person, mit der du das Lesen auch unterbrechen kannst, um dich über das Gelesene auszutauschen oder lies einfach nicht weiter.



    22. April 2023 – Nachtrag


    Wo soll ich nur anfangen?

    Eigentlich bin ich kein großer Schreiber oder Leser.

    Aber nachdem ich aber die letzten Stunden damit verbracht habe, dieses Tagebuch zu lesen, muss ich einfach auch etwas aufschreiben. Okay, okay.. eigentlich liest man nicht fremder Leute Tagebücher. Aber zu meiner Verteidigung: Die Person ist tot, die juckt das eh nicht mehr. So… jetzt ist es raus. Scheiße!... Hässliche Sache das. Klar, man ist hier draußen schon so einiges gewohnt. Aber dieses Mal…ich hätte das Buch nicht lesen sollen…. Verdammt. Erstmal ein Schluck Bier zur Stärkung. Nerven beruhigen… Das tut gut.


    Also, der Reihe nach.

    Als ich am Abend von Nizhneye nach Solnichniy lief, kam ich auf der höhe der Militär-Straßensperre an einem ramponierten Humvee vorbei. „Hä?“, dachte ich bei mir, „der steht doch sonst nicht da.“ Also, was tut der typische Überlebende? Klar: erstmal gaffen. Vorsichtig, natürlich. Könnte ja ne Falle sein. Aber alles war ruhig.

    Der arme Teufel von Fahrer muss beim Vorbeifahren auf Höhe der Schienen frontal mit einem Masten zusammengekracht sein. So wie ich das einschätze, müssen es vier Leute gewesen sein, aber mein Blick fiel sofort auf die Person im roten Sanitäteranzug und mit dem blauen Helm. Ich vermute, es ging alles sehr schnell. Sie hat sicher nicht mal gemerkt, was eigentlich passiert ist, aber als ich ankam lag sie eben neben dem Humvee auf der Straße. Mausetot. Ironischerweise strahlte mich der unversehrte Helm grinsend an. Jetzt klinge ich schon fast wie mein Vorredner… oder in dem Fall Schreiber. Jedenfalls kam für die Person auf dem Beifahrersitz jede Hilfe zu spät.


    Eigentlich wollte, Lootgoblin der ich nunmal bin, nur das Nötigste schnappen und dann abhauen. Vielleicht eintauschen gegen das eine oder andere Bier. Aber beim Durchsuchen der Taschen, bin ich dann auf das Tagebuch gestoßen. Es ist mir gleich aufgefallen, weil ich so etwas seit Jahren nicht mehr gesehen habe und ich beschloss, es mitzunehmen. An Ort und Stelle hatte ich schließlich keine große Zeit, mich damit zu beschäftigen. Und ja… ich weiß nicht, was mich dazu geritten hat, aber ich habe mir die Spitzhacke des Samariters geschnappt und der Leiche ein kleines Grab bei der Stelle gegeben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das angemessen war und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war es das auf alle Fälle. Ich meine, schaut euch mal an, was da alles im Buch geschrieben steht. Was die Person alles gemacht hat und so. Einfach nur krass.

    Tja und ich? Also habe ich erstmal alles an Versorgungsgütern (inklusive dem dreist grinsenden blauen Helm) geschnappt und mich etwas abseits versteckt. Und ja… ich habe die komplette Sanitäterkleidung mitgenommen. Okay, okay… technisch gesehen ist es kein Stehlen. Es geht schließlich ums Überleben und vielleicht ist die ja noch zu etwas gut. Auch wenn sie arschkalt ist bei diesen Temperaturen. Wie hat das mein Vorredner nur ausgehalten? Tja und dann saß ich da. In Gedanken versunken und las in dem Tagebuch. Ganz schön krasser Scheiß, der da abgegangen ist. Demnach müssen es also vier Personen in dem Auto gewesen sein und einer davon war die Person im roten Sanitäter-Anzug und dem blauen Helm. Was soll ich sagen? Ich empfinde seit Jahren mal wieder so etwas wie Mitleid mit jemandem. Das Gerede vom großen Traum… Tja, so hätte die Person sich das Ende auch nicht gedacht. Oder doch? Obwohl… Mann wird das philosophisch….

    Die Geschichte noch nicht zu Ende. Als ich nämlich im roten Anzug mit dem dämlich grinsenden, makellosen Helm in meinem Versteck saß und las, spürte ich Dinge, die ich seit Jahren nicht mehr gespürt habe. Und zur Hölle… ja… ich habe auch geweint. Tat irgendwie erstaunlich gut nach all den Jahren des abgestumpften vor sich Hinvegetierens. Ich habe Gefühle entdeckt, die ich längst vergraben habe. Und weißt du was? Ich möchte auch… helfen. Für andere da sein. Menschlichkeit zeigen und leben. Mit allen Facetten. Mit Freunden umherziehen und für sie da sein. Dass das schlimm enden kann, sieht man jetzt. Wobei ich glaube, dass dieser Unfall wirklich nur ein dummer Unfall war und keine geplante Tötungsaktion. Aber dieser Mensch hat so viel bewirkt in der kurzen Zeit. Ein Jammer, dass es so enden musste und wir uns nicht begegnet sind. Es ist einfach zu krass…

    Am besten ich nehme noch einen Schluck.

    ~~~

    Ich habe zwar keine medizinische Ausbildung, aber ich habe beschlossen, die Jacke zu behalten und das Bambilager bei Prigorodki aufzusuchen und da weiterzumachen, wo dieser Samariter aufgehört hat. Ironischerweise haben wir sogar die gleiche Blutgruppe und die Kleidung passt wie angegossen… wenn das kein Schicksalswink ist. Und hey, mit den ganzen Aufzeichnungen über Verletzungen und Krankheiten habe ich mir bald das nötige Wissen angeeignet. Was kann schon schief gehen?
    Die Gruppe hat mich als Samariter jedenfalls gut aufgenommen. Klar, es ist furchtbar, was da pssiert ist. Aber irgendwie ist das auch ein Neustart.


    Wie stand es noch im Tagebuch so blumig?
    „Wenn wir überleben wollen, muss der Traum weiterleben.“

    Ich werde dafür sorgen, dass er das tut, mein .....Freund.

    Außerdem werde ich dein Versprechen für dich einlösen.


    Ich habe es nach einigem Suchen geschafft, die kurz erwähnte Stelle mit dem Haus zu finden und dort tatsächlich eine Bambifahne entdeckt. Ich ersetze die „Refuge“-Fahne im Lager mit dem Bambi, das wieder stolz im Wind tanzt und halte kurz inne. Eine Schweigeminute für den gefallenen Samariter.


    Und dann warte ich. Warte, auf einen Einsatz. Auf Freunde, auf ein Bisschen Menschlichkeit.


    Der Traum wird weiterleben.


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  • 23. April 2023 – Glück gehabt



    Liebes Tagebuch,

    Lieber Überlebender,

    Lieber Leser,


    Ach vergiss das. Ich hab keine Ahnung, wie man sowas schreibt.

    Was war heute los? Also ich lebe mich so langsam im Lager ein.


    Durch das Tagebuch habe ich ja einen großen Einblick bekommen, was hier so alles steht und worum ich mich kümmern kann. Anfangs hatte ich zwei linke Daumen, aber mit etwas Unterstützung habe ich es geschafft, meine ersten Pflanzen zu ziehen.

    Schmeckt gar nicht mal so schlecht, dieses Gemüsezeug. Allerdings habe ich schon den ganzen Tag so ein merkwürdiges Gefühl. Schon als ich heute früh aufgewacht bin, war aus irgendeinem Grund ein Rattern im Bambi-Lager zu hören. Wie ein Motor, aber kein Auto. Ich bin dann darauf gekommen, dass der Stromgenerator lief. Warum, das kann ich nicht sagen. Ich habe ihn dann abgestellt.

    Außerdem ist mir aufgefallen, dass auf der Straße nach Elektro eine Gaskartusche lag. Mitten auf dem Weg. Und Jammet, der wirklich gute Adleraugen hat, hat die Überreste eines gejagten Schweins im Wald gefunden. Es kann noch nicht so lange her sein, da muss ein anderer Überlebender hier gejagt haben. Komischerweise ist in einer kleinen Metallhütte in der Nähe ein erkaltetes Lagerfeuer. Wenn ich also alles zusammenzähle, muss hier jemand Fremdes vorbeigekommen sein, als ich seelenruhig geschlafen habe. Von unserer Gruppe war es allem Anschein nach keiner. Schon ein seltsames Gefühl.


    Während wir unserer Arbeit nachgehen, gesellt sich auch Ravini zu uns. Er versucht sich an unser Lager heranzupirschen und fast wäre es ihm auch gelungen. Was er an diesem Spiel findet, weiß ich nicht. Aber er hat auf jeden Fall sehr viel Ahnung von der Aufzucht von Pflanzen und ich tausche mich gerne mit den anderen aus. Jammet zeigte ihm noch etwas die Gegend, dann ging er wieder seiner Wege.


    Tja und dann auf meinem Rundgang mit Jammet, passiert dann etwas Schockierendes. Wir waren gerade dabei, ein Haus, das sich im Bau befindet zu durchsuchen, da fällt mir plötzlich ein kleiner Stab an der Seite einer Tür auf. Vorsichtig trete ich einen Schritt näher, aber instinktiv rufe ich erst einmal Jammet. Diese Art von Ding kenne ich einfach nicht.

    „Ja, das ist eine Stolperdrahtfalle“, sagt er trocken und hält mich zurück. „Was?!“, gebe ich schockiert zurück. „Am besten entschärfst du sie mit einem Schraubenzieher oder sowas…“ Jammet ist gut…. Woher soll ich jetzt einen Schraubenzieher nehmen? Aber ich habe eine andere Idee. „Nein, mit dem Speer würde ich das auf keinen Fall machen….“, warnt Jammet mich. „Okay, wie dann?“, gebe ich ratlos zurück.

    „Nimm eine Waffe, aber geh sicherheitshalber einige Schritte zurück.“, kommt die sachliche Antwort. Ich gehorche und gehe einige Schritte zurück, nehme meine Pistole und ziele auf das Holzstäbchen. Einmal, zweimal, dreimal drücke ich ab. Dann ist die Falle ruiniert. Als ich den Stolperdraht etwas näher beobachte, sehe ich eine Granate versteckt baumeln. Das hätte verdammt noch mal ins Auge gehen können!

    Schweiß rinnt mir über die Stirn. „Jemand hat es also auf uns abgesehen?“, frage ich Jammet besorgt. Dieser nickt und ist ebenfalls sichtlich schockiert, wie nah wir einer Katastrophe entgangen sind. Nicht auszudenken, wenn ich hier ahnungslos hineingerannt wäre…

    Mir wird langsam klar, dass dieses „Samariter-Spiel“ ein Spiel mit dem Tod ist, auf eine ganz perfide Art und Weise. Wie lange hat mein Vorgänger gebraucht, um das zu begreifen? Es wird wohl immer Leute da draußen geben, die sich einen Spaß damit machen, anderen aufzulauern. Vielleicht hatten wir heute unverschämtes Glück.

    Jammet legt seine Hand auf meine Schulter. „Dann werden wir ab jetzt eben besonders vorsichtig sein müssen“. Ich nicke beklommen. Es tut gut, solche Freunde zu haben und auch Kanu schaltet sich mit Blue über Funk ein. Ja, es ist widerwärtig, was da gemacht wurde. Aber dieses Leben ins jetzt das einzige, was ich habe und ich möchte nicht schon wieder den Sinn verlieren.

    Also beschließe ich, beharrlich zu bleiben.


    Gemeinsam erlegen wir noch drei Schweine und grillen sie abends gemütlich am Lagerfeuer. Äußerlich erinnert nichts an den Vorfall, aber ich gehe mit einem unsicheren Gefühl schlafen. Morgen werde ich mir die Umgebung nochmals ganz genau ansehen.


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  • 24. April 2023 – Leichenfund


    Vogelgezwitscher weckt mich. Als ich aus dem Fenster sehe, scheint es ein friedlicher und ruhiger Morgen zu sein. Zu ruhig. Zu friedlich.

    Ich traue dem nicht. Nicht nach dem, was Jammet und ich gestern gefunden haben.

    Da ich noch allein am Lager bin, stärke ich mich zunächst etwas mit Trockenfleisch. Beobachtend schaue ich aus dem Fenster. Suche mit bloßem Auge die Tannen, Bäume und so gut es geht die Felder ab. Keine Auffälligkeiten. Selbst die Zombies im Vorort scheinen ruhig zu sein.

    Dennoch achte ich auf meine Schritte, als ich über den Platz mit den Unterständen und zum Koch-Haus laufe.

    Wer weiß, vielleicht hatten wir wieder ungebetenen Besuch und jemand hat wieder seine kleinen „Geschenke“ zurückgelassen. Möglicherweise steht auch schon ein ganzer Trupp irgendwo versteckt und ich bin hier allein, auffällig in meiner roten Uniform.

    Keine so rosigen Aussichten.

    Ich starte meine Kontrollrunde am Lager. Durchsuche stark frequentierte Stellen, Felder, Türen, entdecke aber nichts. Auch die Vorräte scheinen nicht angetastet worden zu sein.

    Schließlich kümmere ich mich um die Pflanzen und prüfe das Baugebiet. Leise schleiche ich mich an den Zombies vorbei, nehme jeden Raum und jede Stufe unter die Lupe: Nichts. Keine Fallen, alles ist ruhig. Die Aussicht von hier oben ist fantastisch, aber mir wird auch schlagartig bewusst, wie exponiert man unten im Lager ist. Was hat denn dieses Samaritergrüppchen dazu bewogen, ausgerechnet diese Stelle für ein Bambi-Camp zu wählen? Gut, es gibt hier regen Durchgangsverkehr, keine Zombies am Brunnen und genügend Ressourcen in der Nähe. Aber um welchen Preis? Schützende Wände oder etwas mehr Übersicht wären mir lieber.

    Vor allem weiß ich noch nicht so richtig, wie ich mit anderen Überlebenden umgehen soll. Die rote Uniform verpflichtet, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich nicht so offen sein kann oder darf wie mein Vorgänger. „Nur ruhig…“, versuche ich mir einzureden, „das war ein Unfall. Ein tragischer Unfall. Statistisch gesehen liefen die meisten Begegnungen noch immer friedlich ab. Zumindest stellte sich am Ende immer alles so dar… Die Menschen sind im Kern gut. Du musst nur daran glauben.“ Aber so recht funktioniert es nicht.

    Über Funk meldet sich unser Neuzugang Blue. Er ist ebenfalls unterwegs zum Camp, was mich etwas beruhigt. Zu zweit sind die Chancen einfach besser. Mein Zeigefinger ist nervös, als der Frischling und ich gemeinsam eine Kontrollrunde drehen. Allerdings klammert mein Finger sich nicht um eine Schusswaffe, sondern um meinen Speer. Auch hier habe ich noch viel zu lernen. Wie kann man mit diesem Ding kämpfen? Naja, der Vorteil ist, dass man nicht mühsam nach Waffenreperaturkits suchen muss und die Zombies relativ leise aus dem Weg geräumt werden können. Theoretisch. In der Praxis muss ich noch viel zu viele Angriffe blocken oder einstecken, aber zum Glück sind wir zu zweit.

    Wir besuchen zunächst Hikarus Lager, aber dort ist noch alles in Ordnung. Ihr Auto steht noch friedlich an Ort und Stelle. „Sehr schön“, flüstert Blue. Scherzhaft frage ich ihn, ob er auch ein eigenes Auto haben möchte, aber er verneint. Momentan noch nicht, außerdem sind sie schließlich schwer zu finden. Nachdem hier alles in Ordnung ist, sehen wir uns Rohbau Nummer 2 an. Auch dort gibt es keine Auffälligkeiten. Unser Weg führt uns weiter zur Lagerhalle des Bambi-Mobils. Ich stutze. Die kleinere der beiden Türen ist offen. Angespannt umklammere ich meinen Speer fester und schleiche mich vorwärts. Meine Augen suchen die Umgebung ab. Keine Stolperdrähte, keine anderen Überlebenden.

    Aber jemand war definitiv hier. An der Bambi-Kiste vor dem Lager hat sich jedoch keiner bedient. Daraus schließe ich, dass der Überlebende, der die Türe offengelassen hat, kein Bambi gewesen sein muss. Ich bin weiter vorsichtig. Vielleicht kommt er zurück. Mit Verstärkung. Doch das Schloss und der Zaun sind noch unangetastet. Ich zeige Blue kurz das Innere des Lagers, decke mich mit ein paar Versorgungsgütern ein, die ich wieder am Bambi-Camp verteilen möchte und setze meinen Weg fort in Richtung Chernogorsk.

    Unser Weg führt uns durch den kleinen Militärposten, aber wirklich nennenswerte Dinge finden wir dort nicht.

    Weiter geht die Reise in Richtung des Krankenhauses. Wir schlängeln uns unter einer Mauer durch, an Zombies vorbei und durchsuchen einige Garagen, ein Bürogebäude und ein paar Wachhäuschen. Eventuelle Zombies werden von mir zunehmend geschickter mit dem Speer bearbeitet und Blue setzt sich gekonnt mit dem Messer zur Wehr.

    Schließlich sind wir in der Klinik. Dort erkläre ich Blue einige Dinge, die ich über Gaszonen und Gasangriffe gelernt habe, wir stecken einige Medikamente und zahlreiche Bandagen ein und arbeiten uns so nach oben.

    Wir nehmen die erste Treppe, gehen um die Ecke und dann bleibe ich in meiner Bewegung erstarrt stehen.

    Vor mir liegt ein toter Überlebender.

    Betroffen schauen wir auf die Leiche. Optisch sieht er einem Bambi sehr ähnlich. Er scheint keine Waffen bei sich gehabt zu haben, nur ein erlegtes Hühnchen und etwas Nahrung sowie Dinge, die man sonst noch so braucht. Als ich die Fliegen um den Körper summen höre, beginnt mein Verstand an zu arbeiten.

    „Scheiße!“, fluche ich und begebe mich sofort hinter der Wand in Deckung, um vom Fenster aus nicht gesehen zu werden. „Er liegt auf dem Rücken!“, rufe ich Blue noch zu, als sei es das natürlichste auf der Welt. Blue duckt sich ebenfalls, scheint aber nicht ganz zu verstehen, was ich damit sagen möchte. „Scheiße, er liegt auf dem Rücken!“, sage ich nochmals. Mehr zu mir als zu Blue. Meine Zeit als Einzelgänger haben mich einiges über solche Funde gelehrt. Allem Anschein nach war es kein Zombie und keine Krankheit, die den armen Teufel dort dahingerafft hat, sondern vermutlich ein Schuss durch das Fenster. So wie der Fremde hier vor mir liegt, muss er geduckt gewesen sein und einen tödlichen Schuss rechts in die Schulter bekommen haben. Ich setze einen Funkspruch ab. Hoffe, dass Ravini mich hört und in Sicherheit ist. Oder hat er vielleicht sogar….

    „Ravini, hast du auf jemanden in Cherno geschossen?“, frage ich. Dieser Antwortet prompt und verneint „Nein, auf Menschen nicht.“ Natürlich… warum sollte er auch?

    Auch Schüsse hat er nicht gehört, das spricht für einen verwendeten Schalldämpfer.

    Ravini merkt an, dass ziemlich viele Garagen in Cherno offen gewesen seien. Das spricht ebenfalls für meine Theorie. Ich weise Blue an, möglichst viele brauchbare Sachen von dem Fremden einzupacken. Eventuell treffen wir ja bald auf ein Bambi, das die Sachen gebrauchen kann. Schließlich nehme ich seinen Rucksack. Dabei fällt mir auf, dass kaum Sachen fehlen und er voll bepackt war. Der Schütze war also nur aufs Töten aus, um sein eigenes Überleben oder die Sachen ging es ihm gar nicht. Panik steigt in mir auf. Das muss ein echter Killer sein. Ich unterdrücke den Drang wegzulaufen und mich zu verstecken. Mit der roten Kleidung wäre das ohnehin unmöglich… Außerdem möchte ich Blue nicht im Stich lassen. So zwinge ich mich, ruhig zu bleiben und rational zu denken.

    Vorsichtig werfe ich einen kontrollierenden Blick aus dem Fenster. Vermutlich hat der Schütze vom Bahndamm aus geschossen. Aber nun ist nichts zu sehen. Wenn man bedenkt, wie zahlreich die Fliegen ist, liegt der Tot vermutlich 20-30 Minuten zurück. Gut möglich, dass der Killer nicht mehr dort ist, aber wir sind vorsichtig.

    Wir schleichen uns weiter, sammeln Medikamente ein und sehen uns immer wieder vorsichtig um. In meinem Kopf rattert es und ich versuche die Situation realistisch einzuschätzen. Ich lasse Blue an meinen Überlegungen teilhaben. „Was mich wunder ist die Tatsache, dass seine Kleidung nicht ruiniert ist. Das passt nicht ins Bild.“

    Aber… was wenn der Täter vielleicht die Kleidung ausgetauscht hat, um uns zu täuschen…? Nein… ich schüttere innerlich den Kopf. Nein, so ein Aufwand würde keiner betreiben.

    Das müsste schon ein äußerst perfider und gestörter Psychopath sein. Tja und dennoch…

    Nur, weil du das Gefühl hast, dass dich jemand verfolgt, heißt das nicht, dass es nicht so ist. Oder irgendwie so ging doch der Spruch.

    Meine Erfahrung als Einzelgänger sagt mir: „Wenn du das Gefühl hast, du wirst in Chernarus beobachtet, ist es vermutlich auch so. Wenn du glaubst, dass jemand auf dich geschossen hat, ist es wahrscheinlich auch so. Daher gehe kein Risiko ein.“ So bete ich mein Mantra weiter, während wir vorsichtig das Krankenhaus mit den gesicherten Gütern verlassen.


    Für den Rückweg brauchen wir wesentlich länger, als für den Hinweg. Immer wieder suchen wir Schutz und Deckung hinter Mauern, Bäumen oder in Sträuchern. Stück für Stück nähern wir uns dem Bambi-Auffanglager, aber so richtig sicher fühle ich mich nicht.

    Wir sortieren die Waren ein.


    Etwas später stößt Wolfgang zu mir ins Bambi-Auffanglager. Blue legt eine kleine Pause ein und ich berichte ihm von den Vorkommnissen. Ich weiß aus den Aufzeichnungen, dass er ein hervorragender Spurenleser ist. Gemeinsam beschließen wir, nochmals eine Runde zu drehen und alles abzusuchen. Es tut gut, einen erfahrenen Begleiter zu haben, der auf jedes Detail achtet. Allerdings finden wir nichts. Selbst im Krankenhaus ist von der Leiche nichts mehr zu sehen, wie zu erwarten. Lediglich die Schuhe, die ich aus seinem Rucksack genommen habe, liegen noch dort. Allerdings hält Wolfgang meine Theorie prinzipiell für möglich. Wir nehmen einen Umweg und kehren zurück zum Bambi-Auffanglanger.


    Ich verstecke für Blue noch eine Kiste und ein Zelt, damit er einige Vorräte auch für sich irgendwo verstauen kann und lege mich abends dann erschöpft ins Bett.

    Etwas geht hier vor. Ich weiß nur noch nicht was…


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  • Guten Tag,


    Da ihr eine recht große neue Gruppe zu sein scheint, möchten wir euch zu unserem jährlichen Bootcamp einladen.




    Keine Sorge ihr müsst dazu nichts mitbringen (// Eventserver).

    Stellt ihr euch der Herausforderung?


    Grüße,


    Wuestenfuchs


    OTL u. stellv. Kommandeur

    UNOC


    P.s. dann kann man sich direkt mal über eure Kleiderordnung unterhalten (//😜)

  • 25. April 2023 – Unverhofft kommt oft


    Angespannt wache ich auf. Die Nacht war unruhig und in meinen Träumen suchten mich verschiedene Szenarien heim, was wohl mit dem Bambi vom Vortag passiert sein könnte.

    Dementsprechend vorsichtig gehe ich meiner Arbeit nach, allerdings ist alles ruhig und friedlich am Lager. Selbst die Baustelle liegt ruhig und verlassen vor mir, bis auf ein paar stöhnende Zombie abgesehen. Wo kommen sie eigentlich immer her? Egal, wie viele man von ihnen aus dem Weg räumt, es kommen immer wieder neue nach.

    Ein Glück, dass sie das Auffanglager in Frieden lassen. Vermutlich haben sich die Samariter von Chernarus auch darum für diesen Ort entschieden, da er etwas abseits liegt.


    Ohne größere Schwierigkeiten schlägt meine Arbeit in tägliche Routine um. Ich bestelle die Felder, sehe nach dem Steinofen, lege Holz nach, kontrolliere die Gegend auf weitere Tretminen oder andere Auffälligkeiten, aber der befürchtete Super-Gau bleibt aus. Aber man muss schon sagen, die Aussicht vom Hochhaus aus über den Vorort ist grandios.

    Auch an der Lagerhalle, an Hikarus Garage und Blues Box ist so weit alles in Ordnung. Wolfgang meldet sich per Funk kurz und teilt mir mit, dass er wieder „wandern“ geht. Naja, so nenne ich das. Er ist schon ein Phänomen…. Wenn ich das richtig verstanden habe, gehört er eigentlich zur Gruppe mit den lilafarbenen Armbändern, die ihre Basis in Chernarus haben. Also zu Charly, Tabasko, Ravini und den anderen. Aber er wandert unglaublich viel in Chernarus umher und ist immer auf der Suche nach Dingen, die seine Aufmerksamkeit erregen. Dabei ist er aber von sich aus eher freundlich und beobachtet lieber erst einmal die Lage in Ruhe. Basen braucht er nicht. Alles, was er benötigt, findet er in seiner Umgebung. Eben ein echter Naturmensch. Ich glaube im Leben vor der Katastrophe wäre er ein perfekter Rucksackreisender oder Neudeutsch ein „Globetrotter“ gewesen. Nun ist dies heute leider alles anders.

    Jedenfalls hat er heute vor, nach Staroye zu fahren. Stimmt ja! Dort haben wir auch einen Außenposten. Ich wünsche ihm viel Glück und beschreibe ihm, wo er unsere Unterstände im Bedarfsfall finden kann.


    Wir schwelgen per Funk noch etwas in Erinnerungen, als ich zur Lagerhalle mit dem Bambi-Mobil laufe. Dort angekommen begrüßen mich die verschlossenen Tore. Nur bei Opis Garage ist ein Hallentor offen, der Zaun jedoch unberührt. Ein Blick in die Kiste vor unserer Garage zeigt mir, dass sich wohl jemand bedient hat, den Rest aber unberührt gelassen hat.

    Ich fülle die Vorräte auf, schaue bei Blues Zelt vorbei und schlage mich dann an zahlreichen Zombies zum Militäraussichtspunkt durch. Außer ein paar zerschlissenen Kleidungsstücken und unbrauchbaren Waffen finde ich jedoch nichts. Jammet meldet sich im Laufe des Tages über Funk. Ich bin froh, seine Stimme in dieser Einsamkeit zu hören. Wir tauschen uns aus, aber so viele Neuigkeiten gibt es tatsächlich nicht. Ich beschließe, nach Chernogorsk zu laufen und der Polizeistation einen Besuch abzustatten. Gedacht, getan.

    Gerade erreiche ich den zweiten Stock der Polizeistation, da meldet sich Jammet per Funk erneut. „Bist du gerade bei der Bambi-Station?“, fragt er. Eine gewisse Unsicherheit in seiner Stimme lässt mich aufhorchen. „Nein, ich bin nicht da.“, gebe ich kurz zurück auch Wolfgang, meldet sich von seiner Tour und verneint.

    „Da ist jemand und hat die Fahne heruntergezogen!“, sagt Jammet betont ruhig, noch immer beobachtend.

    Ich stutze. Oh! Wenn das keiner von unseren Leuten ist, dann…

    Schnell haste ich die Treppen der Station zurück nach unten. „Er ist jetzt im Koch-Haus“, gibt Jammet die Position des Fremden durch. In meinem Kopf rattert es. Wer ist das?

    Ein ahnungsloses Bambi, das Hilfe benötigt? Der Saboteur, der Kisten, Zelte und Fahnen gestohlen hat, die Mienenleger, der Bambi-Killer oder vielleicht doch jemand anderes?

    „Hat er die Fahne ganz runtergezogen?“, frage ich zurück, um die Situation etwas mehr einschätzen zu können. Ich brauche mehr Informationen…wenn ich doch nur schon dort wäre!

    „Also zumindest ist die Fahne jetzt ganz unten. Warst du vorhin schonmal da? Ich sehe das jetzt zum ersten Mal.“, versucht Jammet seine Beobachtungen zu konkretisieren. Ich bestätige, dass ich zuvor am Lager war, aber die Fahne definitiv noch oben stand.

    „Dann muss er das gewesen sein“, stellt Jammet fest und ich nehme die Beine in die Hand. Leider bin ich schwer bepackt mit meiner ganzen Sanitäter-Ausrüstung und komme so nur schleppend vorwärts.

    Jammet beschreibt den Fremden noch etwas genauer: „Sieht aus wie ein vollausgestatteter Überlebender, trägt einen Feldrucksack“. Also definitiv kein hilfsbedürftiges Bambi mehr… Verdammte Zombies! Ausgerechnet jetzt stellen sie sich mir reihenweise in den Weg, wo ich es doch so eilig habe. Ich steche mit meinem Speer wild um mich und versuche möglichst schnell weiterzukommen. Wer weiß, was der Fremde vor hat… Jammet beobachtet von seiner Position aus. Leider habe ich nicht ganz mitbekommen, wo er sich genau befindet, aber ich bitte ihn darum weiter zu beobachten. In Schussdistanz ist er vermutlich ohnehin noch nicht. Vielleicht ist es ja Blue? Als ich die Eisenbahnbrücke in Chernogrosk erreiche, scheint der Besucher noch immer im Koch-Haus zu sein. Keine Ahnung, was er dort so lange treibt. Wolfgang meldet sich über Funk. Er ist leider auch zu weit entfernt, aber er schlägt vor, ich könnte mir doch etwas Adrenalin injizieren. Stimmt… wozu habe ich denn diese ganzen Medikamete? Wenn ich sie je gebraucht habe, dann jetzt. Ich keuche, huste und bekomme kaum Luft. Schnell greife ich nach einem Epinephrin-Injektor und ramme mir den Stick in meinen Oberschenkel. Sofort spüre ich neue Kraft und Energie und renne weiter.

    Unterdessen meldet Jammet, dass der Fremde vermutlich eine Armbinde trägt. Ob lila oder rot kann er jedoch auf die Entfernung und bei dem Nebel schlecht sagen. „Dann ists‘ der Ravini?“, fragt Wolfgang. Allerdings glaube ich das nicht. Warum sollte Ravini unsere Basis sabotieren? Während ich durch das Industriegebiets renne, hält mich Jammet über die Position unseres Besuchers weiter auf dem Laufenden. Die Neuigkeiten sind beunruhigend. Er hat die Waffe auf jeden Fall gezogen. Ich muss verdammt vorsichtig sein. Nun trägt er einen großen, roten Rucksack und eine rote Mütze. Das passt auch nicht so zu Ravini, dem ich vor einigen Tagen noch einen schönen grünen Feldrucksack gegeben hatte. Warum sollte er nun wieder einen roten Rucksack nehmen? Nein… das ist kein Scherz von ihm. Zumindest ist die Fahne nicht weg, sondern noch da. Ich renne und renne, meine Lunge fühlt sich an, als würde sie gleich ihren Geist aufgeben.

    Unbarmherzig prasseln die Informationen über den Fremden auf mich ein, aber außer zu rennen kann ich nichts tun im Moment. „Er scheint auf jemanden zu warten“, meint Jammet nach einem genaueren Blick, „vielleicht auf dich. Ich weiß es nicht.“ Ich packe im Rennen mein Megaphon auf. Ich weiß zwar nicht, ob ich beim Lager tatsächlich noch zu einem Satz in der Lage sein werde, so wie ich momentan huste und keuche, aber warum es nicht mal mit versuchen. Während ich dem Lager immer näher komme, scheint der Fremde alle Häuser dort zu durchsuchen.

    Auf Höhe der Baustelle beginne ich mit meiner Durchsache.

    „Lieber Überlebender. Bitte rege dich nicht auf, der nächste freie Samariter ist für dich reserviert.“


    Irgendwie ist mir kein anderer gescheiter Spruch eingefallen, aber ich muss aus irgendeinem Grund plötzlich an die Warteschleifen am Telefon aus der Zeit vor der Katastrophe denken. Wenn er das hört, wird er vielleicht neugierig und schießt nicht gleich.

    Während ich meine Durchsage immer in regelmäßigen Abständen wiederhole, melde sich Jammet. Der Fremde scheint nun an mir vorbeigelaufen zu sein und in Richtung Garage zu laufen. Aber wie ist das möglich? Gut… ich bin mitten über das Feld gelaufen und er hat vermutlich die Straße genommen, aber was soll das? Er muss mich gehört haben. Vielleicht hat er etwas vor? Möchte mich aus dem Hinterhalt erschießen… andererseits, wenn er es hätte tun wollen, wäre ich jetzt vermutlich längst tot. Ich sehe nochmal sin Richtung der Garage über die Straße, kann aber keine Spur entdecken.

    Diese Ungewissheit macht mich fertig… Ich beschließe so zu tun, als wisse ich von nichts und laufe weiter, meine Durchsage machend, zum Auffanglager. Dort schaue ich mir alles genau an, aber es scheint nichts Wichtiges zu fehlen. Lediglich eine Kiste wurde etwas verstellt.

    Ich hisse die Bambi-Fahne erneut und sehe mich vorsichtig um. Nein, alles ruhig. Blue meldet sich über Funk und ich setze ihn kurz ins Bild. Er möchte nun auch zum Lager kommen.

    Ich beschließe, es auf eine Konfrontation mit dem Fremden ankommen zu lassen und laufe die Straße weiter in Richtung der Lagerhalle, immer wieder meine Durchsage durch das Megaphon machend.

    „Lieber Überlebender. Die Samariter von Chernarus sind bereits zu dir unterwegs. Bitte reg dich nicht auf, der nächste freie Samariter ist für dich reserviert!“

    Und tatsächlich… der Überlebende erscheint wieder auf der Bildfläche und rennt laut Jammet nun Richtung Baustelle zurück zum Bambi-Auffanglager. Von meiner Position aus auf der Wiese kann ich ihn nicht sehen, aber ich begebe mich ebenfalls in Richtung des Camps.

    Mir stockt erneut der Atem, von dem ich durch das ständige Gerenne und Gerede ohnehin kaum noch übrig habe, als Jammet mir schildert, dass der Fremde erneut die Fahne heruntergelassen hat. Für eine Sekunde überlege ich, ob ich das Megaphon nicht lieber gegen eine Waffe eintauschen sollte. „Der hat bestimmt eine guten Absichten“, geht es mir durch en Kopf. „Besser er, als du!“, und „er hatte genügend Gelegenheiten, sich zu melden. Das qualifiziert ihn als feindlich! Außerdem nimmt er die Fahne!“, aber dann ersticke ich diese Stimme im Keim. Die Samariter von Chernarus und mein Vorgänger wären nicht so erfolgreich gewesen, wenn sie dieser Stimme gleich bei der kleinsten Unsicherheit Raum gegeben hätten… Also beschließe ich, es auch zu versuchen und ignoriere sie so gut es geht.

    Gar nicht so leicht. Leb wohl du nicht mehr ganz so schöne Welt…

    Während ich meine Durchsage wiederhole, betrete ich das Bambi-Camp. Ich steuere auf das Koch-Haus zu und höre sofort eine dünne Stimme. „Hallo?“

    „Hallo, hallo! Ich bin an der Fahne. Wer ist denn da?“, antworte ich mit möglichst freundlicher und neugierig klingender Stimme. Plötzlich kommt ein Überlebender aus dem Haus neben dem Koch-Haus. „Oh, Hallo!“ Der Fremde hat eine Waffe in der Hand und ich stehe wie auf dem Präsentierteller auf der Straße vor ihm. Das war’s dann wohl…

    „Hallo, bitte nicht schießen“, ist das einzig Sinnvolle, was mir einfällt.

    Aber was macht er? Er steckt die Waffe tatsächlich weg. „Jaja, ich schieß nich. Ich schieß nich. Tut mir leid!“

    Was zum…?! Meine Welt bricht zusammen. Vor mir steht kein kaltblütiger Bambi-Killer, Mienenleger oder Räuber, sondern ein Junge. Vermutlich zwischen 10 und 14 Jahren… ich fasse es nicht. Abgesehen davon hat er sich gerade eben bei mir entschuldigt? Das ist mir echt noch nie passiert, dass sich jemand entschuldigt, eine Waffe getragen zu haben.

    Ich komme etwas näher und rede in einem Ton, wie ein Erwachsener mit einem kleinen Kind redet, versuche ihm aber Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Gar nicht so einfach das…

    „Na hallo, wer bist denn du?“, frage ich ihn mit freundlicher Stimme.

    „Also ich wollt kucken, ob hier jemand ist.“, antwortet er und läuft zur Fahne.

    „Ja, da hast du Glück.“, entgegne ich, ihm als habe der Fremde gerade in einem Preisausschreiben gewonnen. Naja vielleicht ist das wirklich sowas wie ein Sechser im Lotto… Ich kenne hier viele andere Leute, die ihn entweder sofort erschossen oder gefangen genommen und was weiß ich für Dinge mit dem armen Seelchen gemacht hätten. Es gibt da Gerüchte über einen Boxring oder eine Arena in der Basis von Cherno, über Leute, die andere mit Menschenfleisch füttern… furchtbare Sachen.

    Chernarus ist kein Ort für Kinder! Das weiß jeder… nur der Junge vor mir offenbar nicht.

    „Danke. Dann habe ich halt hier die Fahne runtergemacht…“, fährt der Kleine fort.

    Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert. Die Tatsache, dass es in seinem Wortschatz tatsächlich neben „Entschuldigung“ auch „Danke“ gibt oder die Tatsache, dass er mir gerade allen erstes offen ins Gesicht sagt, dass er die Fahne heruntergeholt habe. Bei den meisten käme das jetzt einem Todesurteil gleich. Aber wir sind hier ja nicht bei den Vandalen.

    „Lieber nicht, lass die oben…“, gebe ich etwas zu hektisch dazwischen wieder. „…dass vielleicht jemand kommt.“, beendet er seinen Satz noch.

    „Ja, ja. Das weiß ich. Aber ich wollte halt kucken, dass hier jemand kommt. Damit man so ein Duo ist. “, sagt er lächelnd noch und zieht die Fahne wieder nach oben. „Gehört dir die Base hier?“, will er wissen.

    „Naja, das ist eigentlich keine richtige Base, sondern das ist unser Bambi-Auffanglager.“, gebe ich etwas wortkarg zurück. Irgendwie habe ich mir den Erstkontakt mit Bambis einfacher vorgestellt. Bei meinem Vorredner klang das alles immer so einfach.

    „Jaja sehe ich schon.“, bestätigt der Kleine. Dann erzähle ich ihm von unserem Auftrag: „Wir sind die Samariter von Chernarus und wir versorgen hier Bambis, die von der Küste kommen mit Kleidung und Essen. Und helfen denen, die Hilfe brauchen.“

    „Ah okay gut.“, beginnt er, „am Anfang war ich hier auch und ich hab‘ mir ein paar Sachen genommen.“

    Klasse! Dann hat das Lager wirklich einen Sinn. „Na das ist ja sehr gut. Brauchst du noch was? Bist du krank, brauchst du Medizin?“, frage ich ihn.

    Während er überlegt, gebe ich im Funk kurz an mein Team Informationen weiter. „Das ist ein Kind, Jungs! Ein KIND!“

    „Ach du Schreck“, kommt es von Jammet, und es klingt so, als ob der Junge schon dem Tode geweiht wäre.

    Ich frage den Jungen, ob er noch Freunde in der Gegend hat und bitte ihn, ihnen in dem Fall mitzuteilen, dass sie nicht auf mich schießen sollen. Keine Ahnung, ob es etwas hilft, aber eine Gefahr weniger ist immer eine gute Sache.

    Schließlich kommt Blue dazu und ich stelle ihn dem Jungen kurz vor.

    „Nicht erschrecken, da kommt noch einer von meinen Freunden“, sage ich ihm, „der schießt aber nicht auf dich.“

    In Gedanken füge ich hinzu: „Solange ich es ihm nicht sage… Haha!“.

    „Ich schieß schon nicht, keine Sorge.“, sagt Blue und der Junge erwidert „Das sind echt viele!“

    Jaja, wir haben hier einige Freunde hier.

    Ich frage den Fremden nach seinem Namen und dieser stellt sich als „Paul“ vor. Ich stelle mich als „Herz“ vor und in diesem Moment meldet sich auch Wolfgang, der von seiner Tour zurück ist und in Richtung des Lagers kommt.

    Der Junge fragt, ob er ein paar Steine haben könnte. Leider haben wir keine mehr übrig und an unserem letzten Vorschlaghammer hat er sich allem Anschein nach schon bedient.

    Er ist wohl im Begriff, in der Nähe eine Basis für sich zu bauen und möchte sie uns auch gerne zeigen, allerdings warne ich ihn davor, das zu tun. Je weniger wir über andere Basen wissen, desto weniger kommen wir in Verdacht, diese zu zerstören.

    Und es gibt hier Gruppen, die es nur darauf anlegen, Basen auseinanderzunehmen. Davon hat er über seinen Vater auch schon gehört, dem sein das schon einmal passiert.


    Na immerhin ist der Kleine wohl nicht ganz allein.

    Ich warne ihn noch vor den Mienenlegern, da berichtet der Junge, dass er auf einer Lagerhalle im Industriegebiet ebenfalls eine Miene entdeckt hat. Sehr interessant… Ob er damit unsere Garage meint? Jedenfalls rate ich ihm, besonders in Chernogorsk vorsichtig zu sein, da es dort eine Gruppe mit einer großen Basis gibt. „In Cherno direkt? Das ist blöd, finde ich, weil da kommen die ganzen Neugespawnten hin. Immer wenn ich auf irgendwelchen Servern bin, gehe ich da direkt hin statt hier in diese Richtung.“

    „Naja du passt einfach auf dich auf.“, versuche ich ihn zu beruhigen. Da er sich oft an die Stirn fasst, scheint er auch Fieber zu haben. Ich messe ihm kurz Fieber und tatsächlich hat er wohl 38.7. Ich empfehle ihm ein Antibiotikum und er hat wohl schon selbst Medikamente gefunden. Nun möchte er zurück zu seiner Basis.

    Ich wünsche ihm viel Glück und wir lassen ihn ziehen.


    Kurze Zeit später erscheint er wieder in unserem Lager, etwas verlegen lächelnd. Auf dem Weg in seine Basis sind ihm die Schuhe kaputt gegangen. Natürlich geben wir ihm ein neues Paar und schicken ihn los.

    Dann wart er nicht mehr gesehen…


    Abends treffen wir uns noch mit s-tlk und Hikaru. Gemeinsam zeigt Wolfgang Blue und ihr die schönen Seiten von Cherno und am Abend kehren wir alle müde aber glücklich zur Basis zurück.


    Mein erstes Treffen auf ein Bambi lief ganz anders, als geplant. Aber ich glaube, ich könnte mich daran gewöhnen.


    paul.jpg

  • Ein Hinweis vorweg:

    Dieser Beitrag behandelt dem Umgang mit Krankheit, Suizid und verwendet verbale Kraftausdrücke. Wenn du auf derartige Themen sensibel reagierst, lies diesen Eintrag vielleicht lieber mit einer vertrauen Person, mit der du das Lesen auch unterbrechen kannst, um dich über das Gelesene auszutauschen oder lies einfach nicht weiter.



    26. April – Zum ungünstigsten Zeitpunkt


    Für heute habe ich mir einiges vorgenommen.

    Nach meinem morgendlichen Rundgang und der Kontrolle aller Garagen und Lager, kümmere ich mich wie immer um die Beete. Danach allerdings steht etwas Neues auf dem Plan: Blue könnte ein Lager in der Nähe gut gebrauchen. So, wie die Samariter es auch schon für Hikaru gebaut haben. Eine gemütliche kleine Garage.

    Da ich noch einige Nägel und Drähte gefunden habe, setze ich meinen Plan sogleich in die Tat um. Wolfgang steht mir bei Bedarf über Funk mit Rat und Tat zur Seite, denn so viel Erfahrungen habe ich im Bauen von Lagern nicht. Leider passiert es mir zweimal, dass ich eine Mauer falsch gesetzt habe und alles wieder abbauen muss. Basen sind halt wirklich nicht mein Ding.

    Ich komme mit keinen Verstecken hier und da prima aus.

    Eichhörnchen-Style.

    Trotzdem ist es natürlich nicht schlecht, wenn wir ein weiteres Lager für Essen, Kleidung und Werkzeuge in der Nähe hätten, falls der Bedarf mal größer werden sollte.

    Stück für Stück baue ich ein Tor für eine Scheune, allerdings sind die Zombies in der Nähe nicht von meinen Plänen begeistert. Immer wieder muss ich meine Arbeit unterbrechen und mich gegen sie zur Wehr setzen Zahlreiche Wunden muss ich mir verbinden und meiner Gesundheit tut dies nicht gut. Das Schleppen schwerer Baumstämme kommt erschwerend hinzu, aber schließlich habe ich es geschafft und schaue stolz auf mein Werk.


    Schließlich ist Zeit für eine kleine Pause und ich beschließe etwas zu Essen und zu trinken. Ich joggen zurück zum Camp, nehme mir etwas zum Essen aus der Küche. Zu spät bemerke ich, dass das Wasser in meiner Feldflasche wohl schlecht geworden sein muss, denn mir wird schlagartig übel und ich muss mich übergeben. Oh nein… nicht schon wieder! Cholera oder Salmonellen? Letzteres schließe ich eher aus, da ich keinen Kontakt zu rohem oder verdorbenem Fleisch hatte. Bei Wasser tippe ich eher auf Cholera. Aber wer weiß, was wirklich in meinem Körper vorgeht. Schnell nehme ich die nötigen Medikamente, aber mir geht es wirklich nicht gut. Fieber plagt mich und ich beschließe, mich etwas hinzulegen und auszuruhen.


    ~~~

    Ich habe das Gefühl, dass es mir schlagartig besser geht. Keine Schmerzen mehr, keine Übelkeit und ich fühle mich, als könnte ich ewig rennen. Aus irgendeinem Grund trage ich meine grüne Samariter-Uniform. Ich kann mich nicht erinnern, diese angezogen zu haben, aber für den Moment ist mir das egal.

    Ich stehe vor dem Haus im Bambi-Auffanglager und blicke auf den Briefkasten.

    Da ist… ein Zettel? Ich habe ja schon Ewigkeiten keine Zettel mehr gesehen. Was da wohl draufsteht? Neugierig nehme ich ihn in die Hand und falte ihn auseinander.

    „UNOC Bootcamp III – Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt.“

    Ernsthaft? Werbung… hier mitten in der Apokalypse? Wie surreal ist das denn bitteschön?

    Naja vielleicht ist das ja was für die Jungs in unserer Truppe. Ich stehe nicht so auf Schmerzen.

    Ich hänge den Zettel an eine Pinnwand im Haus und gehe wieder nach draußen.

    Irgendwie bin ich noch immer voller Energie. Das muss ich ausnutzen!

    Gemütlich jogge ich los in Richtung Chernogorsk zum Krankenhaus, um meine Medikamentenvorräte aufzufüllen.

    Erstaunlicherweise sind gar keine Zombies zu sehen. Das sollte mich eigentlich misstrauisch machen, aber ich fühle mich fast, als könnte ich fliegen. Mühelos gleite ich über die Felder, finde hier und da ein paar brauchbare Kleidungsstücke und komme schließlich am Krankenhaus an, meinen Speer immer zur Verteidigung in der Hand. Kennst du diesen Moment, wenn einfach alles im Fluss ist und einfach nur so dahinrauscht? Genau so geht es mir jetzt gerade. Auch die Gedanken an den scharf schießenden Bambi-Killer oder unsere Minenleger sind wie weggeblasen.

    Ich könnte die ganze Welt umarmen und fühle mich unbesiegbar!

    Ich sammle hier ein paar Tabletten, dort ein paar Bluttestkits und arbeite mich so durch das Krankenhaus. Gerade habe ich fast die letzte Etage erreicht, da läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ein unheilvolles Zischen und Dröhnen donnert in meine Ohren. Dann der Knall.

    Die Welt bleibt für eine Sekunde stehen.

    Ich habe das Gefühl, alles um mich rum würde zerspringen. Hitze steigt in mir auf und meine Lunge Brennt.

    „SCHEIßE!“, fluche ich laut unter meiner Gesichtsmaske hervor, als ich mich die Erkenntnis mit der Wucht eines herannahenden Vorschlaghammers trifft. Das Krankenhaus, in dem ich mich gerade aufhalte, ist Ziel eines dieser grausamen Giftgasangriffe geworden und so eben zur Todesfalle mutiert.


    Ich denke an Opi und seine Stimme verkündet selbstsicher: „Darum hab ich halt immer eine Gasmaske bei mir. Die hat mir mal das Leben gerettet…“. Tja.. schön für dich.

    Hab ich leider nicht!

    Mir bleiben ein paar erbärmliche Sekunde Zeit, um mein Leben zu retten.

    Krampfhaft greife ich meinen Speer und renne buchstäblich um mein Leben. Ein erbarmungsloser Wettlauf mit der Zeit beginnt.

    Um mich herum explodieren Fensterscheiben, aber das ist mir egal. Ich renne und renne, so schnell wie möglich raus hier. Raus aus dem Einschlagsradius. Nur weg!


    Als ich das Krankenhaus verlasse, stehe dort auf einmal unzählige Zombies parat, als hätten sie nur auf mein Eintreffen gewartet.

    Ich habe keine Zeit, mich auch noch um sie zu kümmern und renne einfach weiter.

    Grüngelbliche Dunstwolken breiten sich aus. Ich beginne zu husten. Meine Sicht verschwimmt, aber ich kämpfe weiter. Die Zombies und der unsichtbare Tod überall um mich herum. Noch ein paar Schritte. Schneller!

    Die giftige Wolke wird dichter, mein Husten stärker und ich kann kaum noch meine Hand vor Augen erkennen. Wo ist mein Weg? Muss ich nach rechts oder nach links abbiegen? Ich habe das Gefühl, dass ich im Kreis gelaufen bin. Hinter mir holt das grausame Stöhnen der Zombies auf, die im Chor nach mir rufen. Ich werde langsamer; kann kaum noch rennen. Meine Ausdauer lässt nach, der Drang zu husten wird unerträglich. War es das?

    Ein Schlag von hinten trifft mich, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich stolpere vorwärts. Wenn ich jetzt stehen bleibe, ist alles aus. Ich spüre, wie mein Blut am Arm die Kleidung hinunterläuft, aber ich ignoriere. An Schmerz ist jetzt nicht zu denken, ich funktioniere einfach nur noch. Allerdings wird das Atmen zunehmend schwerer.

    Vielleicht schützt mich ja meine Maske etwas, aber ich mache mir nichts vor. Wenn ich jetzt stehen bleibe, bin ich tot.

    Endlich habe ich den Fluss und die Brücke erreicht. Ich rede mir ein, dass ich dort in Sicherheit bin. Ich muss es nur schaffen!

    Ich renne weiter. Immer weiter, aber ich habe das Gefühl, einfach nicht vorwärts zu kommen. Was ist denn hier bloß los?

    Nach quälend langen Augenblicken erreiche ich das Wasser und laufe durch den Fluss auf die andere Seite. Meine Welt wird gräulich um mich herum und ich beschließe es zu riskieren. Drei Wunden muss ich versorgen und mir geht es gar nicht gut. Der Husten kommt nun häufiger. Ich muss an Opi und Ravini denken, die mir davon erzählt haben, wie sich eine solche Vergiftung äußert. Ohne die entsprechenden Gegenmittel oder eine Blutspende, stirbt man einen grausamen Tod. Blut mischt sich mit Erbrochenem und dann ist es aus.

    Ich durchforste meine Jacke und meinen Rucksack. Irgendwo muss doch noch eine von meinen Blutspenden sein…! Verzweifelt suche ich jeden Topf und jedes Erste-Hilfe-Kit durch. Nichts… „Nein!“, beginne ich innerlich zu heulen, „Das darf doch nicht wahr sein…“.

    Eine kleine Chance besteht noch. Ein letzter Strohhalm.

    Eventuell ist ja im Bambi-Camp noch eine Blutreserve? Vielleicht reicht die Zeit noch? Ein kleiner Funken Hoffnung, der mich wieder weiterrennen lässt. Es ist schon eigenartig, wie eine solche irreale Hoffnung einen am Leben erhalten kann.

    Ich jage mir einen Epinephrin-Stick in mein Bein, damit ich länger durchalten kann und sprinte keuchend los.

    Auf Höhe des Industriegebiets, halte ich es dann nicht mehr länger aus. Die Übelkeit, die Panik, dieser Hustenreiz… ich muss mich mitten im Feld übergeben und merke, dass nicht nur mein Frühstück wieder das Tageslicht erblickt, sondern auch eine ganze Menge Blut.

    Meine Welt wird grau um mich herum und ich taumle mehr vorwärts, als dass ich renne. Der Weg zieht sich endlos und ich versuche mich mit dem Essen von Kleinigkeiten etwas am Leben zu erhalten.

    Schließlich erreiche ich das neue Lager von Blue. Habe ich dort schon eine Blutspende hinterlegt? Ich laufe zur Tür, aber diese ist verschlossen und ich habe weder Schlüssel noch Dietrich. Verdammt!

    Resigniert laufe ich zum Bambi-Lager, kämpfe unterwegs hustend gegen ein paar Zombies, aber langsam wächst in mir die Erkenntnis, dass dies nun das Ende ist.

    In weiter Ferne kommt die Bambifahne auf mich zu. Hier werde ich dann wohl sterben…


    Ich renne in letztes Mal auf die Unterstände zu, die ich so emsig befüllt habe. Für eine Sekunde überlege ich, mir eine der Blutspenden zu nehmen, aber ich befürchte, für mich kommt jede Hilfe zu spät. Zeit, in Selbstmitleid zu verfallen, habe ich jedoch nicht.

    Das Schicksal lacht mir noch einmal hämisch ins Gesicht.

    Vor dem Zelt steht ein Bambi.

    Echt jetzt?! Ausgerechnet jetzt?!

    … Das ist doch nicht wahr….

    Mühsamm komme ich näher, hebe meine Hand zum Gruß. Alle Vorsicht und Paranoia sind vergessen, denn selbst wenn das Bambi ein Killerbambi wäre, was würde mir das in meinem momentanen Zustand schon ausmachen?

    So lache ich dem Tod quasi ins Gesicht. Ha!

    „Hallo.“, sage ich so freundlich wie in meiner momentanen Lage möglich, doch mein starker Husten wirkt vermutlich sehr abschreckend auf ihn, also gehe ich etwas auf Abstand.

    „Ich komme dir am besten mal nicht zu nah…“, beginne ich vorsichtig.

    „Wer bist denn du? Kannst du reden? Can you talk?“, frage ich ihn, als er meinen Gruß erwidert und seine Hand hebt.

    Ich würde gerne stehen bleiben und mit ihm plaudern, aber mir wird schon ganz schwindelig und ich habe das Gefühl, dass es nun nicht mehr lange dauern wird. Also gehe ich in einen nahegelegen Busch und lege alle meine wichtigen Sachen ab, damit vielleicht jemand aus meinem Team sie findet und sich seinen Teil denkt.

    Gut, dass keiner von ihnen gerade da ist und mich in dieser Lage sehen muss… Das wünsche ich keinem. Nur in Unterwäsche bekleidet laufe ich ein letztes Mal in Richtung Lager und mitten auf dem Weg wird mir schwarz vor Augen.


    War es das jetzt?

    Offenbar noch nicht, denn einige Augenblicke später, wache ich wieder auf und liege im Gras. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zu den Unterständen…und treffe nochmals auf das Bambi. Ich beschließe für ein letztes Gespräch doch nochmals eine Blutspende zu nutzen und greife auf die unbestimmte Blutprobe zurück. Eventuell kann ich noch ein paar Augenblick durchhalten, ehe ich den Löffel endgültig abgeben muss oder aber ich vertrage das Blut nicht. Dann war es das halt. Aber das scheint nicht der Fall zu sein, meine Welt hellt sich wieder etwas auf.

    „Was machst denn du jetzt?“, fragt das Bambi ungläubig und schleicht auf mich zu.

    „Ich muss leider sterben.“, gebe ich trocken aber so sachlich wie möglich zurück. Bestimmt nicht die Antwort, die der Fremde sich erhofft hat. Ich muss kräftig husten. Das Reden strengt meine Stimme an. Meine Hand wird blutig.

    „Husten, husten?“, fragt er kurz. Ich erkläre ihm, dass ich ihm gerne alles hier zeigen würde und dass es mir sehr leidtut, dass er mich so antreffen muss. Das Giftgas war leider einfach zu viel; ich habe es nicht geschafft.

    Ein letztes Mal frage ich ein Bambi nach seinem Namen: „Kannst du mir noch kurz sagen, wie du heißt?“ Warum ich das mache, weiß ich nicht. Es hat doch ohnehin keinen Sinn mehr. Aber vielleicht habe ich jetzt am Ende meines Lebens endlich verinnerlicht, wie man als Samariter von Chernarus auf andere zugeht.

    „Ja, Andreas. Hallo. Freut mich dich kennenzulernen.“, stellt er sich kurz vor.

    „Hi, Andreas. Freu mich auch.“ Nein, tut es nicht. Ich sterbe ja immerhin gleich! Bin ich einfach nur höflich? Nein, das ist es auch nicht. Mir wird in meinem vernebelten Verstand klar, dass ich mich, auch wenn ich jetzt sterbe, für mein Gegenüber wirklich interessiere. Ich möchte wissen, wer das ist. Möchte gerne seine Geschichte hören, ihm helfen und einfach eine gute Zeit gemeinsam haben. Eben das, was man so als Mensch mit anderen Menschen macht. Einen Funken Menschlichkeit in die Apokalypse tragen.

    So paradox es klingt: Ich glaube, langsam begreife ich, wie mein Vorredner das gemeint hat in dem Tagebuch.

    „Vielleicht sehen wir uns ja im nächsten Leben“, füge ich etwas kleinlaut und leicht traurig hinzu. Aber ich weiß nicht, ob mein Gegenüber das gehört hat.

    „Ist das hier...ist das hier deins?“, werde ich in meinen tiefgründigen Gedanken unterbrochen.

    „Ja, ich bin einer von den Samaritern hier. Ich bin..… Herz-aus-Gold.“ Warum verwende ich diesen Namen? Bin ich das wirklich? Ich habe die rote Jacke am Unfallort doch einfach nur an mich genommen. Ich wusste gar nicht, auf was ich mich da einlasse….Aber nach den Erfahrungen, die ich zuvor als Einzelgänger gemacht habe, war dies die einzig logische Konsequenz. Etwas Besseres als den Tod, findest du überall.

    Schade nur, dass der Tod mich hier so schnell gefunden hat.

    Herz-aus-Gold… Ja, irgendwie schon. So kurz vor meinem Ableben habe ich begriffen, dass ich jetzt Herz-aus-Gold bin. Und ich möchte es auch bleiben, aber das Schicksal hat andere Pläne…

    „Das ist ja…komplett stark!“, spricht Andreas weiter.

    „Genau, du darfst dich gerne bedienen.“, antworte ich ihm. „Also darf man auch offen dazu beitragen?“, möchte er noch wissen und läuft von einem Zelt zum anderen.

    „Du darfst gerne dalassen, was du möchtest. Und nimm dir, was du brauchst. Nur bitte die Zelte und die Kisten einfach stehen lassen und den Ofen. Das wär‘ super… Ansonsten darfst du alles benutzen. Achja und die Fahne wäre natürlich auch cool, wenn ihr die stehen lasst…“


    „Hm“, überlegt Andreas kurz, „dann komm‘ ich in einem Schlenker wieder, sobald ich alles habe und geb‘ das hier wieder ab.

    „Ja, cool. Danke. Das ist voll lieb…“ irgendwie weiß ich nicht so recht, was ich sagen soll. Klar ist es toll, dass er sich beteiligt. Aber ich sterb‘ hier immerhin gleich… Also verzeih mir meinen eigenartigen Dialog.

    „Ist natürlich echt schade, dass ich hier gleich umkippe. Aber was will man machen? Ich bin nicht schnell genug aus Cherno rausgekommen.“

    „Ist die… Ist die Wolke in Cherno?“, fragt er überrascht.

    „Ja, mitten auf‘s Krankenhaus runtergekommen, wo ich gerade Medikamente geholt habe.“ Trotz meiner leichten Bekleidung fange ich heftig an zu schwitzen. Lange wird es nun nicht mehr dauern.


    „Äh, ich hab‘ den Knall gehört. Hab mich noch gewundert, was das war.“, ergänzt er noch kurz, dann tritt eine beklemmende Pause ein. Mir fällt nicht so recht ein, was ich noch groß sagen könnte.

    „Ja gut. Dann sehen wir uns bestimmt im nächsten Leben und äh… ein frohes Sterben wünsch‘ ich dir.“

    Irgendwie muss ich aufgrund der Absurdität dieser Situation etwas lachen. Ich hätte nie gedacht, dass mein letzter Dialog und meine letzten Gedanken in diese Richtung gehen würden. Für einen Bruchteil einer Sekunde überlege ich, ob ich ihn darum bitten soll, mich zu erlösen. Aber ich sehe davon ab. Mein Blut soll nicht an seinen Händen kleben.

    Ich sehe dem Bambi noch kurz nach und ziehe mich dann weiter ins Feld zurück. In einiger Entfernung sehe ich einen kleinen Metallschuppen. Dorthin möchte ich mich zurückziehen.


    Wie lange wird es wohl noch dauern? Ich habe keine große Lust darauf zu warten, nochmals Blut zu erbrechen oder einfach tot umzufallen. Aber ich möchte auch niemand anderen darum bitten, mich zu erlösen. Auch keine Zombies.

    Nein, wenn, dann sehe ich dem Tod mit offenen Augen ins Gesicht. Naja, es sei denn ich werde von einem anderen Überlebenden hinterrücks getroffen… aber das steht nun nicht mehr zu Debatte.

    Ich nehme meinem Speer vom Rücken und betrachte ihn nachdenklich. Ich könnte das einfach tun. Hier und jetzt. Alles enden.

    Sobald der nächste Schub der Vergiftung kommt, bin ich ohnehin tot. Bis dahin leide ich hier vor mich hin. Warum das Ganze nicht abkürzen?

    Ich starre auf den Speer in meinen Blutverschmierten Händen. Ob es weh tun wird?

    Tränen steigen mir ins Gesicht. Ein kurzer Ruck und es ist gleich vorbei…

    Ich schließe meine Augen. Dunkelheit umgibt mich. Herz-aus-Gold…. Ich bin Herz…


    „Herz…wach doch endlich auf!“

    Ich öffne meine Augen. Es dauert etwas, bis sie die Konturen um sich herum wahrnehmen können. Ich erblicke die Decke eines..Hauses? Wo bin ich? Was ist passiert?

    Benommen setze ich mich auf und sehe mich um. Ich liege in einer Blockhütte, vermutlich beim Bambi-Auffanglager. Ich höre ein prasselndes Kaminfeuer, das etwas Wärme spendet und tanzende Schatten an Wand und Decke wirft. An meinem Bett sitzt Hikaru.

    „Na Dornröschen, ausgeschlafen?“, grinst sie mich breit an.

    „Hikaru… was… wie?“, stammele ich vor mich hin. Ich kann den Szenenwechsel gerade nicht einordnen und muss einen ziemlich verpeilten Eindruck auf sie machen.

    „Für ganze Sätze reicht’s wohl noch nicht, wie?“, entgegnet sie spielerisch schnippisch.

    „Das Fieber hat dich ganz schön erwischt. Du hast den ganzen Tag verschlafen…“, beginnt sie zu erklären. Fieber? Heißt das etwa…

    „Warte mal…“, versuche ich Ordnung ins Chaos zu bringen. Ich schaue mich nochmals um. Meine rote Sanitäterjacke liegt arglos auf dem Tisch, draußen ist es dunkel geworden.

    „Moment…Moment. Ich bin nicht tot? Was ist mit dem Giftgas.. den Zombies und… Andreas?“, stottere ich, nicht sicher, ob ich erleichtert oder über die Intensität dieses realistischen „Fiebertraums“ schockiert sein sollte.

    Hikaru sieht nicht so aus, als ob sie mit meinen Schilderungen etwas anfangen kann. Ich lege meinen Kopf wieder auf das improvisierte Kopfkissen und starre an die Decke. Ich lebe.

    Ich lebe und ich bin Herz. Herz-aus-Gold.


    „Hikaru… du wirst nicht glauben, was ich geträumt habe…“



  • 27. April - Aufarbeitung


    Der Schock über den Albtraum von gestern sitzt mir noch tief in den Knochen, als ich mich morgens wieder aufmache, um meine tägliche Runde zu drehen. War das alles wirklich nur ein Traum, eine dunkle Vorahnung oder gar eine Warnung? Werde ich langsam doch verrückt und paranoid?

    Das hier ist die Apokalypse! Jede Sekunde könnte deine letzte sein.

    Ich muss einfach besser aufpassen und vor allen Dingen eins: vorsichtig sein.


    Also kontrolliere ich Blues neue Lagerhalle und Hikarus Garage. Auch bei der Baustelle gehe ich kurz vorbei und durchforste jeden Raum akribisch. Keine Stolperdrahtfallen entdeckt, soweit ist hier alles ruhig.

    Ich jogge in einem leichten Sprint in Richtung der Garage unseres Bambi-Mobils. Das könnten wir wirklich etwas häufiger einsetzen. Als ich am Bahnhof von Prigorodki vorbeikomme, höre ich wieder das grausame Stöhnen einiger Zombies. Ich durchsuche das Bahnhofsgebäude und finde tatsächlich eine alte, rostige Säge. Just in dem Moment stürmt ein wütend gewordener Zombie durch die Türe auf mich zu. Ich sitze in dem kleinen Nebenraum im Bahnhof wie in einer Falle. Instinktiv halte ich meine Fäuste schützend vor mein Gesicht, in der Hand noch immer die Säge. Ich wehre zwei bis drei Schläge ab, dann schlage ich mit der Säge zu. Immer wieder, die Gedanken des Albtraums verarbeitend, das Stöhnen meiner Verfolger noch im Ohr. Das grässliche Geräusch getroffenen Fleisches erfüllt den Raum.

    Heute nicht! Rufe ich den Geräuschen zum Trotz entgegen und nach fünf Hieben mit meiner ungewöhnlichen Waffe taumelt der wandelnde Tote und bricht keuchend zusammen. Das Röcheln erstirbt. Es ist wieder ruhig.

    Die Säge ist nun fast ruiniert, aber immerhin hatte der Angreifer eine Pastete bei sich.

    Eine karge Mahlzeit, aber für ein Bambi in Not bestimmt ein Festmahl.

    Etwas langsamer als zuvor setze ich meinen Weg fort, nachdem ich die Pastete im Koch-Haus eingelagert habe. Nun aber endlich auf zur Garage!

    Dort scheint alles ruhig und friedlich. Fast zu ruhig. Lediglich ein Zombie fängt sich mehr Kugeln als nötig ein. Ich muss dringend sparsamer mit meiner Munition umgehen und beschließe, beim kleinen Militärcamp bei der Garage nach Munition zu suchen.

    Die Minenleger sind jedenfalls nicht zurückgekommen, aber ich bin weiter vorsichtig. Auch die Türen sind alle geschlossen, die Bambi-Kiste vor dem Lager unberührt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass hier niemand vorbeigekommen ist. So setze ich meinen Weg den kleinen Hügel hinauf fort. Idyllisch legt sich der weiße Nebel über das kleine Wäldchen, als ich meinen Weg fortsetze. Doch je näher ich der Mauer komme, desto dicker wird der Nebel und er färbt sich plötzlich gelblich bis grün. Sofort wird mir mit einem Schlag klar, was hier nicht stimmt: Giftgas!

    Ich beginne krampfhaft zu husten, als das Gas meine Lungen füllt. Ich spüre einen schneidenden Schmerz an meinem Arm und bemerke, wie sich eine warme Flüssigkeit ihren Weg durch meine Kleidung bahnt. Vor lauter Panik beginne ich zu schwitzen. Sofort drehe ich mich hastig um und renne, was das Zeug hält zurück. Die Gedanken an meinen Traum werden unheimlich real, aber schließlich schaffe ich es zur Lagerhalle und kann meine Wunde dort verbinden. Das war knapp!

    Ich arbeite mich zurück zum Bambi-Auffanglager und unterhalte mich per Funk etwas mit Wolfgang und Ravini. Small Talk… etwas auf andere Gedanken kommen.

    Da schaltet sich plötzlich eine unbekannte, aber freundliche Stimme dazu. Sie stellt sich als Alni vor und scheint neu in der Gegend zu sein. Ein Bambi in Not! Mein Herz frohlockt.

    Noch weiß der Fremde nicht, wo er ist, jedoch habe ich keinen Zweifel, dass Wolfgang anhand der Beschreibung den Aufenthaltsort ziemlich schnell wird lokalisieren können.

    In der Tat habe auch ich sofort einen Verdacht, als er die Küste, einen Leuchtturm und ein versunkenes Schiff erwähnt, das er in einiger Entfernung sieht. Das hört sich sehr stark nach Cap Golova an. Als ich mich noch allein durch Chernarus gekämpft habe, war dies einer meiner Lieblingsorte. Dementsprechend hoffe ich, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege und renne in Richtung des Leuchtturms. Zum Glück ist er nur ein paar Katzensprünge vom Bambi-Auffanglager entfernt. Ein Wink des Schicksals oder interpretiere ich mal wieder zu viel in alles hinein?

    Es dauert jedenfalls nicht lange, dann sehe ich den Leuchtturm, der sich vor mir imposant aus dem Nebel heraus aufbaut. Langsam verflüchtigt sich das Grau und es bleibt eine wunderschöne kleine Bucht, die zum Verweilen einlädt.

    Und da oben… tatsächlich, da läuft ein Überlebender hin und her!

    Das muss Alni sein. Freundlich winke ich ihm entgegen und laufe den kleinen Hügel zum Leuchtturm hinauf. Dort steht er und grüßt mich in seinem typischen Bambi-Outfit. Wanderhosen, schwarzes T-Shirt… aber immerhin hat er schon einen auffälligen gelben wasserdichten Rucksack gefunden. Wir grüßen uns und tauschen uns über die wunderschöne Landschaft aus. Typischer Chernarus-Smalltalk eben, aber der Fremde ist mir auf Anhieb sympatisch. Er ist aufgeweckt und offen, sodass ich mich gerne mit ihm unterhalte. Ich reiche ihm etwas Milchpulver und begleite ihn dann zum Bambi-Auffanglager, damit er sich dort erst einmal ausstatten kann. Schließlich wollen wir keine Erkrankung riskieren.

    Während er unterwegs ist, tauschen wir uns über unsere bisherigen Erlebnisse in Chernarus aus. Er berichtet von einer Begegnung mit einem fremden Überlebenden. Dieser schlug ihn ohnmächtig und alles schien vorüber. Der Angreifer hatte sich schon in Sicherheit gewähnt und gedacht, er habe Alni umgebracht. Da gab das Schicksal meinem neuen Freund nochmal eine Chance: Er wachte auf, griff sein Gegner wieder an und siegte.

    Auch ich kann ähnliche Geschichten erzählen, aber ich behalte meine düsteren Gedanken für mich. Das ist der Grund, warum viele Überlebende, die aufs Töten aus sind, immer noch „einen nachlegen“. Um auf Nummer sicher zu gehen. Weg mit diesen Gedanken…

    Ich erkläre ihm zunächst erstmal wichtige Orientierungspunkte, auch wenn er mit den Orten hier noch nicht so viel anfangen kann. Für Geschichten ist später noch genügend Zeit. Die Orientierung in Chernarus kommt mit der Zeit und je mehr man durch die Gegend streift und seine Erfahrungen sammelt, desto besser kennt man sich am Ende aus. Genau wie Jammet, Wolfgang und Kanu. Und falls Alni nur ein klein wenig so tickt, wie ich, dann merkt er sich Orte, an denen besondere Dinge passiert sind, ohnehin umso besser.

    Schließlich kommen wir am Bambi-Auffanglager an und unser Gast staunt nicht schlecht, was es hier alles zu erkunden gibt. Ich beschreibe ihm kurz, was wir hier in Chernarus tun und er scheint sichtlich beeindruckt.

    Wir essen gemeinsam eine Kleinigkeit, tauschen uns noch weiter gemütlich über Geschichten aus und gehen anschließend noch zusammen auf die Jagd. Wir schaffen es, ein Wildschwein zu erlegen und grillen anschließend das gute Fleisch gemütlich am Steinofen.

    Schließlich packt er sich einige Vorräte zusammen und beschließt, für eine Zeit lang allein loszuziehen. Ich lege mich unterdessen noch kurz im Koch-Haus hin und ruhe mich aus.

    Das war jetzt mal ein nettes Treffen.


    ~~~

    Ich wache etwas später wieder auf. Es muss schon Nachmittag sein und ich bin allein im Camp. Ich kontrolliere die Vorräte, sorge für etwas Brennholz und versuche einige nicht benötigte Gegenstände einzulagern, um etwas schneller unterwegs sein zu können. Meine Flucht vor dem Giftgas geht mir noch immer nach und ich darf nicht in die Falle tappen und so viel mitnehmen, dass ich nicht mehr in der Lage bin zu rennen. Gier tötet.




    Über Funk schaltet sich Kanu dazu. Ich freue mich, seine ruhige Stimme zu hören, wie ein Fels in der Brandung, denn er scheint immer den Überblick zu behalten, auch wenn es hier unten turbulent zugeht.

    Ich setze ihn kurz über die aktuellen Ereignisse ins Bild, stelle ihm Alni vor und schließlich meldet sich dieser auch per Funk wie aufs Stichtwort. Er hat sich während meines kleinen Mittagsschläfchens viele der umliegenden Orte angesehen. Er war auch bereits schon so nett und hat die Vorratszelte wieder um neue Güter bereichert. Das brauche ich also nicht mehr zu tun.

    Tja.. was also mit der neugewonnenen Zeit anfangen? Ich würde gerne wieder auf Tour gehen, aber von Chernogorsk habe ich nach meinem Traum und dem morgendlichen Erlebnis mit dem Giftgas erst einmal genug. In mir reift stattdessen der Wunsch, vielleicht statt in Richtung Elektrodzavodsk zu gehen. Mit etwas Glück finden wir ja vielleicht auch Paul und seine Basis, die sollte doch auch irgendwo nach Elektro sein. Er hatte ja angedeutet, dass er einen Fahnenmast bauen wolle. Daher greife ich mir eine DayZ-Fahne und packe sie in mein Inventar sowie ein Vorschlaghammer und eine Spitzhacke, etwas Seil, Draht und Nägel. Vielleicht kann er sie ja gebrauchen. Wer weiß… eventuell weiten die Samariter ihre Dienstleistungen einfach mal etwas aus und helfen beim Aufbau. Bei dem Gedanken muss ich grinsen.

    Über Funk meldet sich Alni nochmals kurz zu Wort. Er hat eine Kiste und ein grünes Zelt gefunden. In meinem Kopf rattert es… eine einzelne Kiste. Ein grünes Zelt… wo habe ich das schonmal ge…… Hastig greife ich mir mein Tagebuch und blättere die zahlreichen handgeschriebenen Seiten durch.

    Da… der 18. April. Vandalismus im Lager.

    Das hat der Samariter vor mir dort notiert und als ich den Eintrag erneut lese, wird die gesamte Wut und Enttäuschung wieder lebendig. Es fehlten allem Anschein nach also zwei Kisten und ein Zelt sowie die Bambi-Fahne. Eine Kiste hatte dieser s-tlk bei einer Autofahrt zwar am Wegrand entdeckt, aber von dem Rest fehlte jede Spur. Tja und offenbar hatte mein Vorredner immer das Gefühl, die Sachen würden sich noch irgendwo befinden. Nur kamen die Samariter nicht dazu, das weiter zu verfolgen. Was wäre, wenn das Zelt und die Kiste… das müsste doch irgendwie herauszufinden sein!

    „Ich wette, ich weiß, was das ist…“, beginne ich aufgeregt zu funken, „Ich weiß, was das ist, Kanu!“

    „Aha.“, erwidert er abwartend und signalisiert, dass ich weiterreden soll.

    „Erinnerst du dich an den Vandalismus im Camp, als sie ein Zelt und zwei Kisten geklaut haben?“

    „Hmm, ja.“, bestätigt er und scheint zu begreifen, worauf ich hinaus möchte.

    „Es ist ein grünes Zelt, das du gefunden hast, Alni. Richtig?“, versuche ich meine Vermutung zu untermauern.

    „Ja, es ist ein mittelgroßes grünes Zelt, richtig.“, bestätigt Alni von seinem Beobachtungspunkt aus.

    „Ja!…“, rufe ich triumphierend aus, „…Derjenige, der uns das Zeug geklaut hat, hat zwei Kisten und ein mittelgroßes Grünes Zelt mitgehen lassen. Eine Kiste haben wir – habt ihr an der Straße wiederbekommen und die anderen wurde nie gefunden. Ich wette, der hat das dahin gebaut, um uns zu ärgern! Ich WETTE drum! HA! Es war irgendwie klar, dass da noch etwas kommen müsste.“ Meine Gedanken drehen sich weiter, überschlagen sich fast.

    „Aber… aber die Bambifahne liegt dann nicht dort, oder?“

    „Nein.“, kommt die ernüchternde Antwort. „Schade. Die hat er auch noch irgendwo versteckt. Bestimmt oder sie ist… aus Versehen verschwunden. Naja, egal.“ Wir beschließen, uns die Stelle einmal anzusehen. Ich treffe mich mit Alni am Camp, damit er uns die Stelle zeigen kann.


    Etwas später kommen Jammet und Blue noch zur Gruppe dazu und gemeinsam joggen wir in Richtung Elektrozavodsk. Zwischendurch beginnt es zu regnen, aber wir lassen uns nicht abhalten und kämpfen uns durch nasses Gras und Schlamm weiter vorwärts. Wir durchqueren Elektro und finden tatsächlich besagte Stelle. Ein Blick auf das Zelt verrät mir sofort, dass sich meine Vermutung bestätigt. Im Tagebuch stand es zwar nicht vermerkt, aber in einer internen Notiz fand ich die Information, die ich suchte: Das grüne mittelgroße Zelt hat eine Weihnachtsbeleuchtung und auch vom Inhalt her sind viele Dinge wiederzuerkennen. Das ist zwar kein zwingender Beweis, gibt mir auch Jammet zu bedenken. Es könnte tatsächlich noch ein Zufall sein,…aber dieser wäre unverschämt groß. „Tja, dann ist es ja kein Raiden…“, sagt Blue schelmisch grinsend. Aber ich wiege ab: „Nein, nein. Wir lassen das alles hier stehen.“ Ich habe eine andere Idee… Noch ist nicht eindeutig bewiesen, dass das wirklich Pauls Basis ist, aber die Vermutung ist nun mehr als berechtigt und sollte ich ihn nochmals treffen, wird das kleine Kerlchen einiges zu erklären haben.

    Draußen vor dem Schuppen steht nämlich ein halbaufgebauter Fahnenmast.

    Ich weiß, was ich tue!

    Mit einer Spitzhacke bewaffnet mache ich mich an die Arbeit.


    Ich hole mit Alni gemeinsam ein paar große Steine. Fünf fehlen noch, das ist schnell erledigt. Ich fälle einen Riesenbaum mit meiner Axt und gemeinsam mit dem Draht, den Nägeln, dem Seil und dem Hammer zimmern wir einen wunderschönen Fahnenmast. Als krönenden Abschluss gibt es noch eine DAYZ-Fahne obendrauf, während Jammet, Kanu und Blue Ausschau halten, damit wir nicht überrascht werden. Alle packen mit an, jeder auf seine Art. Ha! Damit hat er wohl nicht gerechnet. Der wird Augen machen, wenn er kommt…. Wir legen auch ein Feld vor seiner kleinen Basis in spe an und hinterlassen ein Lagerfeuer.

    Außerdem füllen wir das Zelt mit einigen getrockneten Tomaten so gut es geht auf. Alni besteht darauf, die makellose Wasserflasche im Zelt gegen seine etwas ramponierte auszutauschen. Sei‘s drum… technisch gesehen war es ja eh ein Bambi-Versorgungsgut. Welches Bambi das Gut am Ende nimmt, das ist doch egal, oder?

    Tja und wo ist nun die Rache?

    Ich gebe zu, dass ich auch schon in Gedanken die wildesten Rachepläne geschmiedet habe. Da nehme ich mich nicht aus.

    Ich weiß auch zu gut, was Charly und Tabaskos Truppe mit einer solchen Basis anstellen würden. Ein Glück, dass es um sie gerade so ruhig geworden ist, sonst hätte der Kleine keine Chance. Vermutlich würden seine Basis aus „reiner Freundlichkeit“ …fertigbauen und dem Tor aus „reiner Güte“ gleich ein sicherndes Zahlenschloss verpassen.

    Zuvor hätten sie vermutlich auch das Wasser in den Flaschen durch Benzin ersetzt, das Zelt mit Menschenfleisch gefüllt, die Basis bis zum letzten Nagel abgebaut oder sonstige Streiche ausgeheckt…

    Ja, ich gebe es zu. Ich kenne diese Gedanken nur zu gut. Aber das ist eben der Unterschied: Ich kenne diese Gedanken, ich setze sie nicht um. Ich plündere Basen nicht, ich helfe.

    Wir machen einen den Unterschied. Darum beschränken wir uns erst einmal darauf, den Fahnenmast aufzubauen. Als Zeichen, als Statement. Wir sind die Samariter. Wir wissen, was du gemacht hast.

    Egal, ob Paul oder sonst ein anderer. Wir wissen es. Und sollte Paul uns über den Weg laufen, dann werden wir uns mit ihm…unterhalten.




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  • 28. April – Welpenschutz und Jungenstreiche


    „Ist einer von euch unten beim… Bambi-Auffanglager?“, weckt mich Ravinis tiefe Stimme aus dem Schlaf. Ich schrecke hoch und bin sofort hellwach. Wolfgang und ich verneinen instinktiv. Tsatsächlich ist Wolfgang wieder in Chernarus auf Tour. Allerdings warnt er Ravini vor Schüssen, die er vor einiger Zeit in Chernogrosk gehört hatte. Offensichtlich hat dort wieder jemand rumgeballert. Der mysteriöse Bambi-Killer vielleicht? Es muss jedenfalls ganz in der Nähe der Polizeistation oder des Krankenhauses gewesen sein, wenn man Wolfgangs Schilderungen trauen kann. Und das tue ich zu 100%. Also waren sie ganz in der Nähe von Ravinis Basis, was ihn selbst wenig stört.

    „Ja ich bin grad beim Bambi-Lager.“ Dann ist ja alles gut. Etwas grinsend stichelt er: „Ich hätt‘ hier noch ne Bambi-Flagge…“ Mein erfreutes und schauspielerisch überzeichnetes „Ooohh!“ über Funk quittiert er mit einem: „…Na die brauchen wa nich. Die kann ich liegen lassen.“ Unser lieber Ravini… irgendwie mag er es, mich zu necken. Aber ich kann es ihm nicht verübeln und ich bin vorbereitet. „Ich dachte, du hättest die Bambi-Fahne, die du gestern gefunden hast schon zu Armbändern für die Bambis verarbeitet?“, kontere ich so unschuldig und überrascht wie möglich – meiner Ansicht nach geschickt.

    „Ja, weil ich dachte mir, da haben mehrere Bambis was von…“, antwortet er nun seinerseits gespielt unschuldig. Er lacht etwas auf: „Nein, ich hab sie dir in die Zelte da reingelegt.“

    „Oh, Dankeschön!“, freue ich mich nun aufrichtig und ehrlich. Jetzt muss ich schauen, dass wir die Fahne rechtzeitig sichern, bevor jemand von außerhalb sie sich schnappt.

    Ich stehe gemächlich auf, ziehe mir rasch meine Ausrüstung an, da kommt noch ein Funkspruch von Ravini. „Äh, rote Bandage, das seid ihr, wa?“ Wolfgang bejaht, ich bin da etwas vorsichtiger. „In der Regel, ja…“, beginne ich vorsichtig. Ich ahne Schreckliches und setze beunruhigt nach: „Wieso, ist da jemand?“

    „Ja“, gibt der Farmer grübelnd von sich, offensichtlich am Abwägen. „Ein Spieler mit roter Bandage?“, will ich nun nochmals zur Bestätigung wissen, um jegliche Missverständnisse auszuräumen. Kommunikation über Funk ist nicht immer ganz einfach. Ravini scheint nochmals ganz genau hinzuschauen und bestätigt „Ja, meine ich doch.“ In meinem Kopf rattert es mal wieder. Soweit ich weiß, sind nur Wolfgang und Ravini hier. Andere Teammitglieder wie Kanu, Blue, Jammet, Opi, Hikaru, stlk oder eben auch Alni vom Vortag hätten sich sicherlich bereits gemeldet. Also gehe ich davon aus, dass das kein Mitglied von unserem Team ist. Ich stelle fest: „Nein, also ich bin es nicht.“ Wolfgang ist schon einen Schritt weiter als ich und formuliert seinen Gedanken aus: „Ist es äh.. s’Bubi? Der hat doch au a rote Bandage g’habt, oder?“

    „Bubi… Bubi…“, grübele ich. Wen meint er damit…? Etwa… PAUL?! Sofort bin ich hellwach, schlüpfe in meine Kleidung und murmle noch ein „Ich komme!“ in den Funk.

    Das lasse ich mir nicht entgehen! „Warte mal… ich hab da n’Hallo.“, beginnt Ravini das Gespräch mit dem Fremden gefolgt von einem: „Ich höre. Ich bin auch friendly.“

    Gerade in diesem Moment stößt Alni zu uns in den Funkkanal dazu, „Tadaaaaa!“, aber ich bitte ihn sofort um Funkstille. Tut mir irgendwie leid für ihn, ihn so abzuwürgen, aber Sicherheit geht vor. Offenbar versucht Ravini gerade Kontakt mit ihm aufzunehmen und das Letzte, das er nun gebrauchen kann, ist ein Stimmenwirrwarr im Kopf _und_ in den Ohren. Noch wissen wir außerdem nicht, um wen es sich bei dem Fremden mit roter Bandage am Brunnen handelt. Unterdessen rase ich in voller Montur so schnell wie es geht in Richtung des Camps.

    „Tu die Knarre weg!“, ruft er dem Fremden zu. Das hört sich nicht gut an… Ravini, pass bloß auf dich auf!

    „Die Knarre weg!“, fordert er nochmals den Fremden mit Nachdruck auf. Funkstille.

    Innerlich male ich mir die schlimmsten Szenarien aus und wie ich wohl unter welchen Umständen am besten reagiere. Weiter, immer weiter renne ich in Richtung des Camps, höre aber keine Schüsse. Das beruhigt mich etwas. Schließlich gibt Ravini durch: „Sind mindestens zwei. Also rote Kopfbedeckung, mit irgendeinem quatscht der. Sind mindestens zwei.“

    Schließlich fragt er sein Gegenüber wohl, was dieser vorhat und murmelt etwas von wegen, dass der Klopper kaputt sei und er sich am Brunnen beim Wasser gerne bedienen kann.

    So genau kann ich es aber nicht verstehen. Aber ich habe genug gehört, denn schon bei dem Teil mit der roten Kopfbedeckung bin ich mir sicher, das es sich dabei um Paul handelt. Das Schicksal scheint meine Wünsche und Gedanken bestens zu kennen… Der Tag der Aufklärung ist gekommen!

    „Bist du alleine?“, stellt Ravini instinktiv die richtige Standardfrage. Gute Struktur. Erst das mit der Waffe, dann der bestimmte Ton und nun diese Frage, die einfach keinen Widerspruch duldet. Wenn ich an der Stelle von Paul wäre, hätte ich jetzt bestimmt schon ganz schönes Muffensausen. Vielleicht sollten wir Ravini als Backup zur Erstkontaktansprache rekrutieren? Er wäre mit Sicherheit eine tolle Ergänzung des Teams. Doch was dann folgt, spannt die Situation wieder enorm an. Unser Mann wiederholt in bestimmtem Tonfall: „Ich hab dir eben schonmal gesagt, tu die Knarre weg!“ Wieder absolute Stille, aber um mich herum auch keine Schüsse. Was ist da los?! Die Anspannung mach mit wahnsinnig, aber in einiger Entfernung baut sich das Camp bereits vor mir auf. Ich renne weiter, so schnell es eben in voller Montur geht. Ich komme!

    „Ist vielleicht nicht die beste Idee, hier auf Hühner zu schießen…“, beginnt Ravini das Gespräch wieder. „Ja, dann mach das. Dann mach das.“, lenkt er dann ein. Schließlich richtet er sich an uns: „Jung. EXTREM jung.“

    Das passt ins Bild. Ich weiß nun genug und auch Wolfgang stimmt mit ein: „Ja, es ist Bubi.“

    Ravini konfrontiert in seiner unnachahmlichen, charmant-direkten Art sein extrem junges Gegenüber mit unserem Verdacht: „Bist du Bubi?“ Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde ich jetzt laut loslachen. Natürlich hat Paul keine Ahnung, wovon wir sprechen. Bubi ist ja lediglich der Spitzname, den Wolfgang ihm gerade gegeben hat. Aber die Gesichter würde ich zu gerne sehen! Ich gebe ihm kurz über Funk einen Hinweis, dass unser Bubi sich „Paul“ genannt hat, also wiederholt Ravini: „Bist du Paul?“. Offensichtlich ist sein Gegenüber entweder etwas schwer von Begriff, zutiefst durch Ravinis kurz angebundenes Auftreten irritiert oder einfach nur sprechfaul. Jedenfalls muss Ravini ganze zwei Mal seine Frage wiederholen. Ja, manchmal sind Bambis etwas begriffsstutzig. Aber das ist Paul ja eigentlich nicht mehr… „Ob du Paul bist!“, höre ich ihn noch sagen und sowas wie: „Was denn jetzt? Ja oder nein?“ Oh Mann! Wenigstens erreiche ich nun endlich das Split-Level-Red-Haus und stürme den Hang hinunter in Richtung des Brunnens. „Ja, ich höre dich.“, bestätigt Ravini im Gespräch wieder. Für den Fall der Fälle kontrolliere ich meine Waffe. Nicht viel Munition, aber falls der Fremde doch nicht Paul sein sollte und Böses im Schilde führt, bin ich bereit, das Camp und natürlich auch Ravini zu verteidigen bis zur letzten Kugel.

    Ich überquere die Gleise… endlich!

    Am Brunnen sitzt tatsächlich ein Überlebender, der wie unser Paul aussieht.

    „Das ist er!“, bestätige ich es der Gruppe. Ich hebe meine Hand zum Gruß und spreche ihn an: „Hallo!“. „Na, alles gut bei dir?“, fange ich das Gespräch auf einer lockeren Ebene an. Ich möchte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und ihn mit unserem Verdacht, dass er es war, der unser Bambi-Camp um zwei Kisten, ein Zelt und die Bambi-Fahne erleichtert und Vandalismus betrieben hat, konfrontieren. Ganz kurz kommt mir die Idee, ihn an Ort und Stelle zu fesseln und dann zu befragen, aber ich verwerfe den Gedanken sofort wieder. Das ist nicht meine Art, Paul ist – zumindest objektiv betrachtet und nach dem aktuellen Stand unseres Wissens - ein Freund oder zumindest Verbündeter und hat kein Mitglied des Teams verletzte oder in Gefahr gebracht. Eine solche Behandlung entbehrt jeder moralischen Grundlage und es besteht ja auch keine akute Fluchtgefahr.

    Ich bin noch immer der Meinung, dass man in einem ruhigen Gespräch alles klären können wird.

    Paul berichtet mir, dass er ein Auto gefunden hat und damit etwas rumgefahren sei, aber einen Unfall gebaut habe. Ich bekunde mein Beileid, aber es hält sich in Grenzen… das hätte ganz schön übel ausgehen können, so eine Aktion. Als das Gespräch stockt, beschließe ich endlich, ihn nun doch auf die gefundene Basis anzusprechen. „Wir haben vermutlich gestern deine Basis entdeckt…“, beginne ich vorsichtig und schaue, wie er reagiert. Schließlich beschreibe ich die Lage hinter Elektro. Paul bejaht verschmitzt, nach einigem Zögern. Ich glaube, er ahnt, was jetzt kommt. Oder er glaubt zumindest, es zu ahnen.

    Aber die Freude gönne ich ihm nicht.

    Per Funk kann Alni sich nicht mehr zurückhalten und lacht. Ich versuche das so gut es geht zu ignorieren, aber am liebsten würde ich gleich mitlachen. Die Situation ist schon absurd komisch, auf ihre Art und Weise.

    „Ja… wir haben beschlossen, da du so lieb warst und uns ein Zelt und eine Kiste genommen hast, haben wir dir auch gleich eine Fahne gegeben.“ Führte ich in sarkastischem Unterton meine Überlegungen aus.

    Paul.exe has stopped working.

    Mein Gegenüber ist sichtlich irritiert und bringt nach einer kurzen Pause nur ein stammelndes „Ah.. okay… danke..“ und „…tut mir leid mit der Kiste…“

    „Jaja…, aber wir haben es entdeckt jetzt. Das warst alles du?“, frage ich nochmals nach. Zur Sicherheit. „Ja…“, gibt er etwas schelmisch grinsend aber auch reumütig zu. Da ist es. Das vollumfassende Geständnis. Ohne Waffengewalt. Einfach so, im Gespräch. Krass.

    Ich glaube, er hatte einfach keine Ahnung, was er hier vor sich hatte und welche Beziehung der Samariter vor mir hier zu all dem hatte. Paul hat sich einfach wie das Kind benommen, dass er nun mal auch ist. Keine Ahnung, wie der Samariter vor mir die Situation hier jetzt geregelt hätte. Aber ich für meinen Teil bin froh, dass dieses Geheimnis nun doch gelüftet ist.

    Aber eine Frage brennt mir noch auf der Zunge und ich stelle sie: „Hast du auch unsere Bambi-Fahne genommen?“

    „Äh.. nee“, Antwortet Paul.

    Ich forsche nach: „Weil… die hatte zufällig gefehlt an dem Tag, an dem unser Zelt und unsere Kiste verschwunden ist.“

    „Äh… echt?“, gibt er etwas zu überrascht von sich, „Ich meine, ich bin da hinten diesen Weg gegangen und ich meine die Fahne gesehen zu haben. Ich hab sie dann… mitgenommen und in einen Busch gelegt und später war sie verschwunden….“ „Verschwunden. Hmm….. Ach sowas.“, gebe ich in einem Ton von mir, der ihm eindeutig sagt, dass ich kein Wort von dem glaube, was er mir da erzählt. Ich bin jedoch nicht so wütend, wie ich angesichts des doch schon recht dreisten Verhaltens des Kleinen sein sollte. Während des Gesprächs bringt Ravini die Bambi-Fahne, die er gefunden hat mit und legt sie vor uns auf den Boden.

    „Das ist die von mir, wa?“ Ich bedanke mich herzlich bei Ravini für die Fahne. Warum Paul da kurz seine Patschhändchen nach ausstrecken und sie anfassen muss, weiß ich nicht. Aber aufgrund meines strafenden Blicks lässt er sie gleich wieder fallen.

    Nun ist sie in meinem Besitz und ich packe sie gleich in meinen Rucksack.

    Tja…was machen wir jetzt mit Paul? Mein innerer Samariter sagt: „Schwamm drüber!“.

    Aber Opi und s-tlk sowie natürlich Charly und Tabaskos Bande würden jetzt gleich sagen: „Knall ihn ab! Der hat’s nicht anders verdient.“ Für den Bruchteil einer Sekunde ziehe ich das in Erwägung. Allerdings hat er mir – strenggenommen - ja nichts weggenommen. Und gestorben oder in Lebensgefahr war auch keiner aus meinem Team. Ich vermute, das war einfach ein Jungenstreich, der etwas aus dem Ruder lief und er wusste es eben nicht besser. Welpenschutz. Gibt es das Konzept auch in der Apokalypse? Falls ich jemals einem Psychologen hier in Chernarus begegne, werde ich ihn fragen.

    So gebe ich Paul verbal noch einen Ausweg: „Ich habe mir überlegt, vielleicht hast du ja damals, als du das Zelt und die Kiste mitgenommen hattest, die Fahne auch heruntergeholt und dann ist sie einfach verschwundendespawnt. Könnte das sein?“

    „Ja… das könnte sein.“, springt er kleinlaut auf den Zug auf. „Das könnte sein? Na, da hast du mehr Glück als Verstand…“, füge ich entwaffnend lachend hinzu, „…,dass es ausgerechnet wir waren. Weil ich weiß, dass so ziemlich jeder andere hier dich und deine Base jetzt in Grund und Boden geschossen hätte.“ „Ähh ja….“. Paul weiß scheinbar wirklich nicht mehr, was er noch groß sagen soll. Tja, die Jugend von heute. Und so tut er das Einzige, was er in dieser Situation noch groß tun kann: Er wechselt das Thema.

    „Wisst ihr eigentlich, dass dort in Cherno, eine riesige Base ist?“ Ich beschließe, mitzuspielen und gebe mich überzogen überrascht: „NEIN, Ravini! Hast du DAS gehört? Eine riesige Base in Cherno!“. Klar, er meint bestimmt Charlys und Tabaskos Unterschlupf: Alcatraz.

    Doch ich irre mich. Er fährt fort: „Ja, in Cherno im Industriegebiet. Da ist eine Base mit ganz vielen Zelten in einer Garage. Anfangs waren es nur wenige und jetzt ist da alles voll! Ich hab‘s durch ein Fenster gesehen. Da waren auch Minen. Ich erkläre ihm, dass wir unser Auto in einer der Garagen geparkt haben und dass nebenan unsere Freunde ihre Sachen unterstellen. Ich denke, er meint Opis Lagerhalle. Riesen-Basis. Ist der süß. Charly und Tabasko sollten ihm mal eine Tour durch Alcatraz geben. Wobei… besser nicht. Es ist ganz gut, dass sie jetzt nicht hier sind. Das mit den Minen würde jedenfalls auf Opis Garage passen. „Unsere Garage. Das ist alles unsere“, kommt es mir in den Sinn. Ja klar… das hat Opi alles für uns gemacht.

    Anschließend frage ich Paul noch, ob er heute schon etwas vorhat. Er wollte am Camp nur ein paar Wasserflaschen für seinen Kühler holen, denn diesem fehlt wohl das Wasser durch den Unfall.

    Ravini fragt ihn, wohl einer spontanen Intuition folgend, nach seinem Alter: „Wie alt bist du eigentlich?“ „Ähm… ähh“, stammelt unser Gegenüber. Von ihm ist heute wirklich nicht mehr viel rauszubekommen.

    „Du wirst doch wohl noch wissen, wie alt du bist!“, setzt Ravini fordernd nach. Der wäre echt sowas von einer prima Ergänzung für das Welcome-Team mit seiner direkten, unmissverständlichen Art.

    „Nicht so alt. Jünger als ihr“, gibt er nach einigem Zögern und einer erneuten Nachfrage von Ravini und mir von sich. Alni kann sich vor Lachen im Funk kaum noch halten. „Jünger als ihr! Der ist gut!“, prustet er.

    Ravini schnappt sich seinen Baseballschläger, baut sich bedrohlich vor dem Kleinen auf und sagt bestimmt: „Für dumme Antworten bin ICH hier zuständig!“ Nun gut. Vielleicht doch nicht die Idealbesetzung für das Welcome-Team, aber gutes Personal ist schwer zu finden.

    Ich stelle mich schützend zwischen Ravini und den Kleinen, aber mir ist schon klar, dass der Farmer nicht einfach zuschlagen würde. „Ravini ist schon gut. Hau unsern Kleinen nicht hier.“ Etwas beschwichtigend erkläre ich: „Ravini ist unser Farmer. Manchmal etwas rau, aber ein netter Kerl, wenn man ihn besser kennt. Ne?“ Um das zu demonstrieren, bewirft er Paul prompt mit einem Apfel. Ja… sehr freundlich. „Nicht, dass er noch seinen Papa holt.“, versuche ich weiter zu beschwichtigen. „Mir egal. Kriegt der auch nen Apfel. Ich hab noch reichlich!“, sagt er. Das ist halt echt ein Original. Eine Klasse für sich… eben echt Ravini.

    Ich sage es dann Paul auf den Kopf zu: „Du bist 12.“ Das hat gesessen. HAH!

    Der Junge bestätigt dies, relativiert es aber. Technisch gesehen wird er bald 12. „Ha, Ravini! Ich hab‘s dir gesagt. Ich hab gesagt, der ist fast 12.“, gebe ich noch triumphierend von mir, um die Situation etwas zu entspannen. Ach du liebe Zeit… mein Verdacht hat sich bestätigt. Wir haben es hier wirklich noch mit einem Kind zu tun. Ein Kind mitten in der Apokalypse. In einer rauen und unwirtlichen Welt. Wie kann sowas sein und wo zum Henker ist sein Vater?! Sollte er nicht auf seinen Jungen aufpassen? Ich frage nach dem Namen seines Vater, aber ich bekomme keine Antwort aus ihm heraus. Was auch immer da vorgefallen ist, es muss ein tragisches Schicksal gewesen sein. Ich beschließe, es für den Moment auf sich beruhen zu lassen.

    Paul trinkt noch einen Schluck und verabschiedet sich dann, um sein Auto zu suchen und wieder fahrtüchtig zu machen. Ich wünsche ihm viel Glück und trinke dann erst einmal ausgiebig am Brunnen. Was für ein Morgen! Und der Tag hat erst angefangen…


    Vor dem Mittag gehe ich noch kurz mit Ravini Richtung Cherno und begleite ihn zur Basis. Unterwegs greife ich noch eine Baustellenlampe für Tabasko ab und platziere sie vor ihrem Tor. Anschließend geht’s noch kurz ins Krankenhaus und zur Polizeistation, aber ohne weitere Vorkommnisse. Von ein paar blutrünstigen Zombies einmal abgesehen.

    Dann beschließe ich, mich noch etwas aufs Ohr zu hauen und Schlaf nachzuholen.


    ~~~


    (Fortsetzung folgt im nächsten Post)



    paul2.jpg


    paul3.jpg

  • ~~~


    Der Tag ist schon vorangeschritten, da meldet sich einer unserer Beobachter über Funk. An Pauls Basis wurde eine neue Fahne gehisst: Eine Bambi-Fahne!

    Kanu meldet sich ebenfalls. „Also ich glaube SO blöd ist er jetzt doch nicht, oder?“

    „Also, wenn wir ihm gestern eine DayZ-Fahne gehisst haben, ich ihn vorher noch nach der Bambi-Fahne gefragt habe und er beteuert hat, er habe sie nicht, er aber jetzt allen Ernstes eine Bambi-Fahne gehisst hat…“, mir fehlen die Worte und ich breche ab. „WAS ZUM…!?“, sage ich dann stattdessen, „Wie frech kann man sein?!“ Alni schaltet sich in die Diskussion ein: „Also entweder ist er doof wie Brot oder aber er ist einfach…frech..frech..frech und gemein.“ „Er ist ein eben ein Kind“, versuche ich es zu relativieren. Aber das entschuldigt nichts. Sollte er da nun wirklich unsere alte Fahne gehisst haben, dann verlangt das natürlich nach einer Konsequenz. Frechheit soll sich schließlich nicht lohnen. Ich hätte jetzt so Bock drauf, die anderen Jungs zusammenzutrommeln und zu sagen: „Baut die Basis zu!“, aber nein. Nein, nein, nein, nein, nein. Die dunkle Seite ist nichts für mich. Alni schlägt scherzend vor, ihm noch drei oder vier Chancen zu geben. Tja… die dunkle Seite hat zwar Kekse, aber nein danke. Mir kommt da ein anderer, logischer Gedanken.

    Wir machen das Bambi-Mobil fertig und gemeinsam mit Kanu fahre ich nochmals ans Sommerlager, um Vorräte zu holen. Max fragt kurz nach, ob wir Nägel hätten. Wir müssen mal unsere Lager durchsehen, ob da noch etwas zu finden ist.

    Jedenfalls habe ich vor, die Bambi-Kisten an der Küste (inklusive des Lagers in Solnichniy) wieder zu befüllen und dann machen wir einen Abstecher bei Pauls Basis auf dem Rückweg. Tja und dann holen wir uns die geborgte Fahne zurück! (..und hinterlassen ihm eine andere dafür. Ich denke, die mit dem Fadenkreuz und Zombie passt ohnehin viel besser in seine Basis, als das süße kleine Bambi.)

    Es beginnt zu regnen. Hikaru gesellt sich zu uns, als ich gerade das Sommerlager durchsuche. Ich sage kurz, dass Kanu und ich eine kleine Spritztour machen, aber sie dann bald vom Bambi-Auffanglager mit dem Auto abholen und wir uns dann die Bambi-Fahne zurückholen werden. Ich stelle ihr Alni vor und bepacke unser rotes Bambi-Mobil am Sommerlager mit allem, was wir gefunden haben. Wolfgang ist mit Alni auf Streifzug zwischen Green Mountain und Solnichniy. Schließlich bringe ich alle gefundenen Sachen zum Auto und lagere sie sorgfältig ein. Hikaru trocknet ihre Kleidung am Feuer. Dann gibt sie per Funk durch: „Herz… es ist keiner da. Warum zündest du hier gerade Feuerwerk?“

    Das ist wieder einer jener Momente, die mein Herz für kurze Zeit stillstehen lassen. Warum passiert die ganze Action am Camp immer ausgerechnet dann, wenn ich nicht da bin?

    „Ich zünde kein Feuerwerk“, gebe ich zurück und versuche meine Aufregung zu überspielen.

    „Wer…zündet hier gerade Feuerwerk? Irgendjemand zündet hier gerade Feuerwerk.“, fragt Hikaru in die Gruppe, offensichtlich verwirrt und eigenartigerweise auch daran zweifelnd, ob meine Aussagen wirklich der Wahrheit entsprechen und ich tatsächlich nicht am Lager bin. „Ja toll, ich wollte mich eigentlich noch anziehen vorher…Häh Häh“, fügt sie aufgeregt hinzu. Was ist da bloß los?! Mein Verstand ist wie blockiert. Hikaru… allein am Lager. Jemand zündet Feuerwerk und sie trocknet gerade die Kleidung.

    „Wo? Bambicamp, Prigorodki, Brunnen?“, fragt Kanu und reißt mich aus meiner mentalen Starre heraus. „Ja toll und jetzt sind die… das ist ja nicht zu fassen! So ein Arsch! Jetzt kommen hier die Zombies an. Das gibt’s doch nicht und ich hab die halben Sachen nicht an! Ich mach mal hier die Tür zu.“, berichtet sie nun offensichtlich SEHR aufgeregt. So kenne ich Hikaru gar nicht… da muss etwas Schlimmes passiert sein.

    Kanu beruhigt sie: „Ja, mach die Tür zu. Wir sind gleich da.“

    Ich steige sofort ins Auto und los geht es.

    „So, alle Zombies die hier drinne waren sind jetzt erstmal alle tot. Ich zieh mich jetzt erstmal richtig an.“, versucht sie sich und uns zu beruhigen.

    Wolfgang stellt trocken fest: „Ich glaub der Paul stirbt heute Abend noch.“ Ich glaube, er bringt sich selbst noch um, aber Alni ergänzt: „Ich hab das Gefühl, dass wir vielleicht sogar noch ein bisschen nachhelfen könnten.“ „Wir könnten ihn au gefangen nehmen. Also..“, schlägt Wolfgang wieder vor. Was passiert hier gerade?!

    Alni bringt einige nette „Ideen“ ein, was man alles machen könnte, aber ich versuche einen klaren Kopf zu bekommen und frage Hikaru, ob sie weiß, wo genau das Feuerwerk gezündet wurde.

    „Nicht weit weg. Also das müsste gerade neben dir gewesen sein.“, versucht sie sich zu erinnern. HÄ? Wie geht das denn… ich bin doch kilometerweit weg.

    „Das war jedenfalls direkt neben dem Haus und du hast die Kiste…hast du die Kiste weggeräumt?“, fährt sie fort. „Nein, ich bin ganz wo anders…“, beginne ich. Sie fällt mir ins Wort: „Okay, dann… wollt ihr mich jetzt verarschen?“ „Nein, von uns ist keiner da. Wenn dann war es vielleicht der Paul, er trägt ein rotes Armband.“, verteidige ich mich.

    „Ähmm ja, der hatte ein komplett rotes Outfit an. Der sah richtig genauso aus wie du und stand neben mir gerade.“ Dann dämmert es uns beiden zeitgleich mit der Wucht eines Vorschlaghammers: Scheiße…

    Hikaru fühlt sich gerade „voll verarscht“, denn sie dachte, ich sei das gewesen. Aber da muss sich jemand als mich ausgegeben haben. Gezielt. Absichtlich. Und dieser jemand hat Hikaru in der Hütte am Feuer gesehen, ein Feuerwerk gezündet, Zombies angelockt und sie quasi wehrlos zum Sterben zurückgelassen. Und wenn ihre Schilderungen zutreffen, dann ist er soeben mit jemand anderem in ein Auto eingestiegen und davongefahren. Die Richtung kann sie leider nicht genau sagen, da sie mit den Zombies um das nackte Überleben kämpfte. Was war denn das für eine Aktion?!

    Hikaru ist sauer. „Gib mir dein größtes Ehrenwort, dass du mich hier nicht verarscht jetzt!“, Natürlich! Sofort! Wie könnte ich anders, ich fahre gerade in Kanu mit dem Auto. Dieser bezeugt ebenfalls, dass ich es nicht gewesen sein kann.

    Da gibt sich jemand als mich aus und täuscht meine Freunde zündet das Feuerwerk, das Hikaru extra gebracht hat und bringt sie in Lebensgefahr?

    DAS nehme ich persönlich!

    Wolfgang und Alni begeben sich in Beobachtungsposition und machen sich bereit, auf ein eventuelles Fluchtfahrzeug zu schießen. Kanu und ich nehmen die Verfolgung von Cherno aus auf. Wir rasen durch die Stadt immer in Richtung des Bambi-Camps. Unterdessen rattert mein Verstand. Ein Auto mit zwei Personen. Das könnten Max und Kevin gewesen sein. Oder Paul hat einen zweiten Mann in der Nähe. Ich nehme Kontakt mit Max auf und frage, ob sie gerade am Bambi-Camp waren. Das Auto war klein und grünlich oder gelblich? Sicher ist sich Hikaru nicht mehr. Was sie jedoch sofort weiß ist, dass der Fahrer ein blaues Beret auf dem Kopf trug. Allerdings kommt keine klärende Antwort von Max.

    Kanu und ich fahren an der Tankstelle vorbei und halten auf Prigorodki zu. Wir parken das Bambi-Mobil in der Garage und ich renne in Richtung des Camps, mal wieder. So schnell es geht. „Kann ich die bitte erschießen, wenn ich sie sehe?“, fragt Hikaru. Ich bestätige. Da die Person offensichtlich eine Gefahr dargestellt hat und sich nicht zu Erkennen gegeben hat, darf sie sich natürlich wehren.

    Schließlich komme ich am Lagerplatz an und Hikaru erklärt mir den Ablauf nochmals genau. Was für eine miese Falle, die ihr da gestellt wurde!

    Aber… was ist das? Bei den Feldern stehen zwei blaue mittelgroße Zelte. Das spricht schon wieder für Max und Kevin… Sie müssen also hier gewesen sein. Die Frage ist nun, ob sie etwas mit dem dreisten Überfall zu tun haben. „Also wenn das Max und Kevin waren, die erschieß ich. Da kenne ich kein Mitleid.“, verkündet Hikaru mit erschreckendem Ernst.

    Aber von dem Auto fehlt jede Spur. Ich baue die beiden Zelte ab und verfrachte sie in Blues Scheune, nach ‚Bluetopia‘, damit wir dort notfalls noch ein paar Vorräte einlagern können.

    Schließlich fülle ich die Vorräte am Lager auf. Es wird schon langsam dunkel und Kanu möchte aufbrechen, damit wir unseren Auftrag noch abschließen können. Das Rätsel um den Hochstapler wird sich sicherlich auch noch lösen, aber Hikaru dürstet nach Rache.




    Ihre Laune ist dermaßen im Keller, dass sie noch nicht einmal Lust zum Fahren hat, also setzt sich Kanu hinters Steuer. Gemeinsam steigen wir in das rote Bambi-Mobil und wollen gerade losfahren, da saust ein gelbes Auto an uns vorbei. Das sind jetzt definitiv Max und Kevin.

    „Folgen Sie diesem Wagen!“, rufe ich Kanu noch zu und wir streiten noch kurz über die Farbe des Autos. War es nun grün, gelb oder rot? Im Nebel und der Dämmerung schwer zu erkennen, aber wir setzen ihnen nach. Los geht die wilde Jagd in Richtung Elektro. Auf Höhe der Tankstelle holen wir schließlich auf. Ich versuche zu relativeren. Vermutlich haben die beiden sich nichts dabei gedacht und es ist alles ein dummes Missverständnis, aber Hikaru will davon nichts hören.

    Alni und Wolfgang zünden eine Rauchgranate, verfehlen die Straße jedoch knapp. In Elektro gibt Kanu Vollgas. Wir holen auf. Weiter, immer weiter! Oh Moment… STOPPP! Und knallen voll auf den gelben Wagen, der sich dreht, ins Schlingern gerät und stehen bleibt.

    Puh… „JUUUNGS!“ rufe ich ihnen zu und renne vor zu ihrem Auto. Hoffentlich ist alles okay…

    „WAS geht denn hier ab?“, will einer der beiden wissen. Jedenfalls scheint es beiden gut zu gehen. Puh… Ich entschuldige mich für das beherzte Eingreifen, aber stelle auch gleich die Frage, ob sie vor ein paar Minuten an unserem Lager waren und Feuerwerk gezündet haben. Betroffenes Schweigen. „Und zwei Zelte hingestellt habt?“, ergänze ich. Dies bestätigen beide. Die Zelte sind von ihnen. Aber auf die Nachfrage, ob jemand in Rot gekleidet war, verneinen sie es. Dann haben wir ein Problem… wer hat denn dann Hikaru überrascht?

    Ich erkläre den beiden Jungs die Situation und versuche gleichzeitig Ordnung ins Chaos zu bringen. Kevin sagt nochmals, dass sie eben am Camp waren, die Zelte aufgestellt haben und dann wieder gegangen seien. Gesehen haben sie keinen. Nein, auch kein Feuerwerk.

    Hikaru haben sie auch nicht gesehen. Sehr seltsam… wer war denn dann der Fremde in Rot? Ich bedanke mich für die Auskunft und warne sie noch vor dem Hochstapler. Hikaru scheint das nicht ganz zu glauben. „Schade aber auch.“, erwidert sie und wir geben Max und Kevin noch ein paar Nägel. Sie möchten weiter in die Gaszone. Wir verabschieden uns und ich entschuldige mich nochmal für den Unfall. Max winkt ab: „Alles gut. Wir haben nur mal was testen wollen, jetzt hats funktioniert. Gut.“

    Wir ziehen unverrichteter Dinge weiter in Richtung Bambi-Kisten. Hikaru äußert ihre Bedenken. Sie glaubt den beiden nicht, das Beret war genau jenes, das sie gesehen hat. Ich halte das durchaus für möglich und grübele, ob nicht beides irgendwie stimmen könnte. Aber bevor ich etwas sage, möchte ich einen Verdacht noch prüfen. Wir wissen, wer sie sind und wir wissen, wo sie wohnen. Die Wahrheit wird ans Tageslicht kommen. Hikaru überlegt unterdessen nochmals, was sie genau gesehen hat. Die Person war definitiv rot gekleidet.

    Ich frage mich währenddessen eher, was ich mache, wenn ich herausfinde, dass wir schon wieder belogen wurden. Erst Paul mit seiner Fahnenaktion und nun die beiden? Ich hoffe, ich irre mich. Eigentlich ist mir klar, dass man in Chernaurus eigentlich niemandem trauen kann, aber als ich auf die Samariter stieß, bekam ich den Glauben an Menschlichkeit zurück.

    Und jetzt? Wie geht man damit um, wenn man nach Strich und Faden ausgenutzt und belogen wird?

    Es wird dunkel, als wir die Kisten erreichen und sie auffüllen. Im Schutz der Dunkelheit schleichen wir uns an Pauls Basis. Ich rufe, aber es kommt keine Antwort. Scheint keiner da zu sein. Schade. Wir holen die Bambi-Fahne ein, die tatsächlich demonstrativ am Fahnenmast dort baumelt und ersetzen sie gegen eine Zombie-mit-Fahnenkreuz-Fahne.

    Weiter geht die Fahrt und Blue gesellt sich zur Gruppe per Funk. Er ist noch am Bambi-Auffanglager in Prigorodki und ich berichte ihm vom Vorfall. „Hikaru, das ist ne ganz schön miese Nummer. Extra Feuerwerk zünden, damit die Zombies auf dich drauf gehen. Wenn du wüsstest, wer das ist dann…“ „..knall ich ihn ab!“, ergänzt sie sauer. So aufgebracht erkenne ich sie wirklich nicht wieder. Es wird schon wieder Morgen, als wir zurück von unserem Einsatz in Solnichniy fahren. Aber wenigstens sind die Lager nun gut gefüllt.

    Zurück am Lager treffen wir auch auf Jammet.

    Eine tote Henne liegt am Lager, keine Ahnung woher diese stammt. Vielleicht noch von Paul?

    Ich laufe gerade über das Feld, als Hikaru funkt, dass Kevin und Max nun auch hier seien.

    Oh!

    Sofort laufe ich zum Brunnen und da steht ihr gelbes Auto in der Tat schon. Sie möchte ein paar Bandagen vorbeibringen.

    Ich frage Kevin nochmals, was denn vorhin genau losgewesen sei, denn wir können uns die Sache nicht erklären und haben ein ungutes Gefühl bei der Sache. Kevin verneint, dass jemand einen roten Regenmantel getragen habe. Max habe nur seine Klamotten getragen.

    Auch auf Zombies geschossen hat keiner von Ihnen, wenn man Kevin glauben darf. Allerdings räumt er ein, dass Max das Feuerwerk gezündet hat.

    „Ich… ich erschieß sie!“, ruf Hikaru wütend.

    „Nein, Hikaru! NICHT!“, rufe ich verzweifelt und laufe ihr nach.

    „Doch, ich erschieße sie! Ich erschieße sie eigenhändig!“, hallen ihre wütenden Worte durch das ganze Camp. Schützend stelle ich mich vor Kevin hinter seinen gelben Sarka. Ich erkläre Kevin kurz, warum Hikaru so aufgebracht ist. „Super Max…“, bringt er sarkastisch hervor. „…wo ist der eigentlich?“. Wir schauen uns um.

    „Hat er sich jetzt vepieselt?“, stichelt Hikaru. Keine Antwort.

    „Gut, er ist Freiwild. Also Max war’s..“, das ist ihr letztes Wort. Die Sache scheint klar und ein Konflikt unausweichlich. Oh Mann! Alles nur wegen eines dummen Streichs?

    Ich versuche noch zu beschwichtigen. „Er hat es nicht mit Absicht gemacht…“

    „ICH PFEIF AUF SEINE ABSICHT!“, ruf sie und schaut sich nach Max um.

    „MAX, WO IMMER DU AUCH BIST, ICH PFEIFE AUF DEINE ABSICHT. DU BIST FREIWILD!!“, donnert es durch das Camp. „Welch Liebreiz…“, merkt Jammet an. Der Arme weiß noch nicht genau, worum es hier eigentlich geht, aber ich habe gerade nicht die Zeit, alles im Detail nochmals zu erklären, da die Situation gerade mehr als eskaliert und ich alle Hände damit zu tun habe, die Gemüter zu beruhigen. Einige Minuten passiert nichts, dann steigt Kevin in den Wagen und lässt den Motor an. Ein vollausgerüsteter Spieler, ich fürchte es ist Max, macht Anstalten einzusteigen, doch ich stelle mich instinktiv vor die Türe. Wir müssen das klären. Hier und jetzt.

    Doch da steigt er einfach hinten ein. Ich zögere kurz und überlege, auch ins Auto zu steigen, entscheide mich dann aber dagegen. „Warum willst du denn einsteigen?!“, fragt Kanu. „Die schmeißen dich raus und fesseln dich!“, sagt Blue süffisant.

    Dann verlassen die beiden das Bambi-Auffanglager. „Bis gleich!“, ruft Max noch nach. Eigenartige Aktion… warum haben sie kein erkennbares Interesse daran zu klären, was vorgefallen ist? So kenne ich die beiden gar nicht. Wenigstens weiß Hikaru jetzt, dass sie sich nicht verrückt ist und die beiden tatsächlich das Feuerwerk gezündet haben. Aber warum haben sie dann gelogen? Direkt ins Gesicht?

    Als sich Max per Funk meldet, frage ich ihn was das mit dem Feuerwerk sollte. „Ich kann dazu keine Äußerung tätigen, wir sind Undercover unterwegs heute.“ Was soll denn bitte das?! Hikaru quittiert dies mit einem abfälligen „Hm hm“. Max entschuldigt sich bei Hikaru und er will es wieder gutmachen. Hikaru ist noch immer angesäuert, aber meint es sei okay. Er solle ihr momentan nur nicht unter die Nase kommen. Sie versucht ihr Möglichstes, nicht „irgendwelche Sachen“ zu machen. Sie fragt aber explizit nochmals nach, ob er sie nicht gesehen habe. „Eventuell“, druckst er rum und schließlich bejaht er. „Ja super. Ich hab dich für Herz gehalten. Ganz toll!“, grollt sie. War das ein klassischer Fall von Autosuggestion?

    „Und warum zündest du Feuerwerk, wenn du mich da so halbnackt sitzen siehst?“, beharrt sie. „Ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass da so viele Zombies kommen.“, gibt er reumütig zu. „Aha okay. Und kann das sein, dass Kevin dich dann mit dem Auto abgeholt hat?“, versucht sie die Geschichte zu vervollständigen. „Ja, der stand vor der Tür. Hast du ihn nicht gesehen?“, entgegnet er. „Ja doch, dann passt es. Dann bin ich nicht bescheuert. Ich hab langsam an meinem Verstand gezweifelt.“, ergänzt sie. Das Bild setzt sich langsam zusammen. „Dann war es ein gelbes Auto und kein grünes.“, stellt sie noch fest. Aber ein Puzzle-Teil fehlt noch. Ein wichtiges Puzzle-Teil: Mich. Oder besser gesagt, der Hochstapler, der sich als mich ausgegeben hat. Jammet und Kanu gehen gemeinsam auf Looting Tour. Wolfgang und Alni und Blue sind ebenfalls unterwegs in Chernogorsk. Nur Hikaru und ich bleiben am Camp zurück.


    Ich gehe im Lager meiner Arbeit möglichst unauffällig und unbedarft nach, sehe nach den Beeten und drehe eine kleine Runde an den Häusern vorbei. Als ich am Koch-Haus vorbeischaue, sehe ich mich plötzlich am Fenster stehen. Aha!

    Ich verhalte mich weiterhin unauffällig und gebe vor, nichts gemerkt zu haben. Gemächlich jogge ich auf das Haus zu.

    Soll er sich ruhig in Sicherheit wiegen.

    An der Tür steht er schließlich. Fast eine perfekte Kopie, aber eben nur fast.

    Ich gehe ins Haus, dränge ihn ein Stück zurück. „Aha!“, sage ich nur und schließe die Tür.

    Ich nehme einen Strick und versuche ihn zu fangen, aber er entkommt durch die Tür, bevor ich diese richtig verschließen kann. Ich treffe ihn mit dem Dietrich versehentlich noch am Arm, dann stürmt er nach draußen. Ich renne hinterher.

    Im Funk sage ich, dass wir einen Hochstapler haben, aber die anderen scheinen das noch nicht so ganz zu verstehen. Bis auf Alni, der fragt: „Wo ist er? Wo ist er?“, aber sie alle sind zu weit weg. Wir laufen immer im Kreis. Der Hochstapler scheint das Spiel zu genießen. Schließlich springt er auf einen Unterstand und bleibt dort stehen. Sein Glück, dass fast keiner hier ist. Sonst läge er jetzt vermutlich schon am Boden.

    Ich warte unten am Zelt und schaue zu ihm hoch. Provozierend winkt er mit einem Arm.

    Na warte…Freundchen.

    Charly meldet sich per Funk und noch ehe er ankommt, sage ich deutlich: „Wir haben gerade einen Hochstapler im Camp. Erschieß ihn!“, wohl wissentlich, dass Charly das nicht tun wird. Er ist ja gar nicht hier. Aber der Hochstapler soll denken, es wäre so. „Nicht schießen, seid ihr wahnsinnig!“, ruft jemand, aber wer ist kaum zu verstehen. Die Stimme kommt mir doch irgendwie bekannt vor… aber dafür ist keine Zeit. Die Finte wirkt!

    Er rennt wieder los, ich hinterher. Ich hole auf, treffe ihn am Arm. Weiter geht die wilde Jagd. Endlich haben die Leute im Funk es kapiert, dass hier wirklich jemand ist. Die waren aber auch schwer von Begriff…! „Die Frage ist, wer ist wer…“, gibt Max zu bedenken. „Ach du bist es?!“, gibt Blue überrascht zurück. „Max, hör auf mit dem Stress!“, sagt Hikaru noch. Hä? Was geht denn hier ab? Ich habe keinen Überblick mehr, sehe aber den Hochstapler direkt vor mir. Kanu gibt den Befehl: „Dann zieh doch selbst die Waffe!“. Gut, dann schauen wir mal.

    Der Hochstapler flüchtet sich in die Blockhütte. Ich versuche die Tür zu verschließen und ihn so festzusetzen, aber natürlich durchschaut er es und bricht aus, an mir vorbei. Keine Chance. Jemand, der sich so beharrlich seiner Festnahme entzieht… da gibt es nur noch eine Lösung, um aufzuklären, wer nun wirklich dahintersteckt. Immerhin hat Max sich noch nicht dazu bekannt, woher soll ich also wissen, wer der Fremde ist und ob er nichts Böses im Sinn hat? So wie mit Hikaru? Das Team in eine Falle locken? Das lasse ich nicht zu! Wenn meine Schatten nicht da sind, muss ich das Camp verteidigen.

    Charly warnt ebenfalls, dass er schießen wird. Auch ich bereite mich auf das Schlimmste vor. Da meldet Max, dass der Hochstapler im Funk anwesend ist. Tja… das kann man nun auslegen, wie man möchte. Aber so richtig zugegeben hat noch keiner, dass er sich als mich ausgegeben hat. Also frage ich nach: „Ach das bist du, Max?!“

    Und Hikaru ergänzt: „Ja und das Outfit hattest du an, als du neben mir standest, ne?“

    „Vielleicht“, kommt es aus Max‘ Ecke. „Am Arsch, Max. Am Arsch…“, kommentiert Hikaru dies sichtlich genervt über diese Kinderei.

    Mann, Mann, Mann. Ich habe schon Zombies gesehen, die mehr Haltung gezeigt haben! Warum kann und will er nicht einfach mal Größe beweisen und zu seinen Handlungen stehen? Okay, er wollte sich mit Kevin einen Scherz erlauben. Fein. Ein Jungenstreich.

    Hikaru kam dazwischen, es hat sie versehentlich fast erwischt. Vermutlich wollte er das nicht. Aber statt dass sie das Ganze aufklären, spielt er dieses unwürdige Spiel weiter und gefährdet unsere Gruppe und das Lager dadurch. Und das, nachdem er sich bei Hikaru bereits entschuldigt hatte. Nichts gelernt, würde ich sagen. Wie ein Kind. Nur im Gegensatz zu Paul ist Max wesentlich älter und er sollte wissen, dass jedes Handeln auch seine Folgen hat.

    Nicht auszudenken, wenn jetzt die Minenleger oder der Bambi-Killer hier aufkreuzt. Wobei.. die Minenleger… wenn Max auf Verwirrspiele steht, vielleicht… aber den Gedanken verwerfe ich. Zumindest für den Moment. Wir sind so desorgansiert doch das perfekte Ziel! So kann das nicht weitergehen. Diese Unaufrichtigkeit und Unfähigkeit zu seinem Bockmist zu stehen, macht mich rasend. „Dann zieh doch selbst eine Waffe“, höre ich nochmals Kanus Worte wie in Zeitlupe und mache es tatsächlich. Meine Finger schließen sich um das kalte Stahl. Wut steigt in mir auf.

    Max flieht in das Koch-Haus und er schließt die Türe des Kämmerleins vor mir. Ich unternehme einen letzten Versuch, ihn gewaltfrei festzusetzen und das Ganze friedlich zu regeln, indem ich versuche, die Türe abzuschließen. Aber natürlich lässt er auch das nicht zu und stürmt an mir vorbei. Er legt es einfach darauf an.

    Zu allem Überfluss kommt auch noch Kevin mit dem gelben Sarka wieder vorbei. Scheint, als wolle Max nun die Kurve kratzen. So nicht, Freundchen!

    Unser Hochstapler stürmt aus dem Haus in Richtung der Unterstände, da gebe ich zunächst einen Warnschuss ab. Aber natürlich rennt Max weiter und gönnt sich den Spaß. Hikaru traut sich nicht zu schießen, aus Angst sie könnte mich treffen. „Na, wer ist denn wer?“, provoziert er im Funk. Das reicht!

    „Die Sache ist ganz einfach. Ich bin DAS!“, rufe ich und schieße direkt auf seine Beine. Drei gezielte Schüsse. Getroffen und man sieht nun deutlich, dass seine Uniformhose ruiniert ist. Verwechslung ausgeschlossen. Max jault auf. „Oh! Ich hab ne Schnittwunde!“ und möchte zum Auto fliehen. Feige versteckt er sich hinter Kevin. „Hey, nicht mich als Schild benutzen!“, sagt sein Freund. Erbärmlich! Ist ihm nicht einmal sein Freund heilig?

    Ich schieße durch die Türe auf seine Beine. Töten möchte ich ihn nicht, aber es muss endlich klar sein, dass er zu weit gegangen ist und eine Grenze überschritten wurde.

    Scheiben klirren und Max greift nach der Tür, um sich vor den Schüssen zu schützen. Das gelingt ihm zwar für den Oberkörper, aber mein Ziel sind seine Beine. Er nimmt noch zwei drei Schritte, taumelt und stöhnt: „Ich hab mir das Bein gebrochen!“.

    Tja… hättest du dir das vorher mal überlegt!

    Dann kippt er um. Ein Zombie kommt auf uns zugestürmt, um den ich mich sofort kümmern muss. Schließlich fessele ich den am Boden liegenden, ehe er versorgt wird. „Hikaru, Bandage, Schnell!“, belle ich im Befehlston und starte mit der Reanimation. Nein, wegsterben soll mir der Kerl hier nicht. Die Behandlung zeigt Wirkung und er steht langsam auf. „Ey ich wurde gefesselt! Ich glaub das nicht…!“, beschwert er sich.

    Ach nee… Was hattest du erwartet? Kaffeekränzchen mit Kuchen, Erdbeeren, Schlagsahne und Eis? Das gibt’s hier nur für Bambis!

    Hikaru versorgt seine Wunden. Erst jetzt wird ihm klar, dass es ihn doch ganz schön erwischt hat. „Also, was sollte das jetzt?“, frage ich ihn ein letztes Mal und ziele mit der Waffe auf ihn. „Ich bin Undercover!“, führt er sein Spielchen fort. Idiot.

    Ein weiterer Zombie stürmt heran, um den sich aber glücklicherweise Kevin kümmert.

    Naja, nicht ganz, denn ich muss ihm einen Gnadenschuss in den Kopf geben.

    Hikaru kehrt zu Max zurück und setzt die Behandlung fort. Noch immer blutet der Hochstapler, hat sich aber inzwischen von seinen Handschellen befreit.




    „Du bleibst jetzt ganz ruhig stehen, sonst ist der nächste Schuss der Letzte!“, drohe ich Max.

    Wieder kommt ein Zombie und stürmt auf uns zu und attackiert Hikaru. Ein gezielter Schuss aus meiner Waffe, der Zombie fällt. „Warum muss ICH ihn jetzt ausgerechnet verbinden?!“, jammert Hikaru verständnislos, aber sie tut zum Glück wie geheißen. Jammet funkt mit trauriger Stimme: „Was ist denn hier heute bloß los?“. Tja, das wüsste ich auch gerne.

    Warum musste es dazu kommen? Es hätte so einfach geklärt werden können.

    „Darf ich ihn erschießen?“, beginnt Hikaru „Ich würde ihn auch gerne erschießen.“

    „Ich reagier allergisch darauf, wenn jemand mein Team in die Irre führt und gefährdet!“ knurre ich und halte meine Waffe an Maxens Kopf. „Das war Roleplay!“, verteidigt er sich.

    Roleplay? Aha. Zu deinem Roleplay gehört es also, Leute in Gefahr zu bringen?“, kontere ich zynisch. „Ich war gerade ganz friedlich das Beet am Bewirtschaften eben!“, führt er weiter fort. Jammet versteht die Welt nicht mehr. Was ist so schlimm daran, dass jemand auch in Rot rumläuft? Darum geht es mir jedoch nicht.

    Es sind mehr die Umstände, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die Gefährdung von Hikaru. Ich lasse nicht zu, dass sie nochmals angeschossen wird! Nicht so, wie ….damals. Dieses Mal bin ICH da, um das Camp und Hikaru zu verteidigen. Max schweigt natürlich weiter über die Sache heute. Und dass er uns mehrfach direkt angelogen und Halbwahrheiten erzählt hat vorhin und uns so wissentlich in die Irre geführt hat. Selbst, nachdem er sich entschuldigt hatte! Das macht kein Freund. Wer soll ihm seine unschuldige Masche abkaufen? Wen versucht er hier zu verschaukeln? Wir sind Zeugen der bewussten Provokation und das kann ich nicht einfach auf sich sitzen lassen. „Darf ich bitte noch einmal schießen?“, bettelt Hikaru. Allerdings steht es nicht gut um Max. Er scheint sich nun wirklich um sein Leben zu sorgen.

    „Bitte nicht, dann bin ich tot.“, sagt er nüchtern. Es klingt nicht nach einem Flehen, aber man merkt ihm an, dass er keine Lust hat, auf diese Art zu sterben. Verständlich. Hikaru hatte auch keine Lust, von Zombies im Nachthemd überrannt zu werden oder nach Strich und Faden verarscht zu werden. Ebenso wenig wie ich!

    Hikaru legt die Waffe an. Wäre ich in der Lage, sie daran zu hindern? Grübele ich, aber ich muss es gar nicht herausfinden. Sie hält inne und senkt die Waffe wieder. „Boah Max, du hast so ein Schwein!“, brüllt sie ihm wütend ins Gesicht.

    Ich gestatte es Max, sich umzuziehen. Weg mit der roten Maskerade. Dann stellt er sich einen Splint her und schient damit provisorisch sein Bein. Ich ramme ihm eine Packung Codein-Tabletten gegen die Schmerzen in die Schulter, während er sich mit Morphin versorgt.

    „Darf ich wenigstens mit nem Baseballschläger…“, beginnt Hikaru wieder. Max zeigt ihr eine versöhnliche Herzchengeste. „Nee Max. Ist nicht. Heute nicht. Ist nicht. Das Herz kannst du dir sonstwo hinstecken!“, wehrt sie ab. Sie läuft bedrohlich mit ihrem Schläger hinter ihm her.

    „Jetzt muss er gerade stehen für seine Sache“, sage ich noch. Max hält die Fäuste schützend vor sein Gesicht. Hikaru hat noch immer das Verlangen, ihm mit dem Baseballschläger eins überzuziehen. Ich verabreiche ihm eine Kochsalzlösung. „Man ey Kevin, die gönnen mir auch keinen Spaß mehr hier!“, jammert Hikaru. Jammet schaltet sich ein: „Könnt ihr euch bitte am Leben lassen? Das wär ganz lieb, aber…“ Ja, recht hat er schon. Das Ganze ist angesichts der Apokalypse echt albern. „Ich hab damit gar nichts zu tun!“, verteidigt sich Kevin. Ich bin nur der Fahrer. „Jaja, aber Fahrer haben auch Mitschuld. Ich möchte es nur mal gesagt haben!“, kontert Hikaru. Unterdessen schnappe ich mir die Zündkerze aus dem Auto. Sollte sich alles aufklären, werde ich die Kerze durch eine in besserer Qualität ersetzen. Diese hier ist ja wirklich schon fast hinüber.

    Max sieht niedergeschlagen aus und ich teste kurz seine Blutgruppe: 0+, wie die meisten hier. Ich verabreiche ihm eine Blutspende zur Stärkung. Er setzt sich vor Hikaru auf den Boden und bittet um Vergebung, dass er sie erschrocken hat. „Du hast mich beinahe getötet, aber lassen wir das mal…“, erwidert sie. Er legt alle Teile seines Kostüms ab und am Ende den blauen AN-Helm. „Wetten, er ist makellos?“, beginne ich zu lachen und nehme ihn in die Hand. Tatsächlich. Der Helm hat bei der ganzen Aktion keinen einzigen Kratzer abbekommen. Während ich mir den Helm ansehe, bekomme ich aus den Augenwinkeln mit, dass Max Hikaru Handschellen anlegt. Oh Mann! Der weiß wirklich nicht, wann es genug ist. Zum Glück ist sie gerade so in Gedanken, dass sie es nicht merkt und er befreit sie auch sofort wieder. Aber natürlich ist sie wieder wahnsinnig sauer und schlägt ihn zweimal mit dem Baseball Schläger… „Ihr seid echt so Folterprofis“, murmelt Wolfgang kopfschüttelnd. Ja… recht hat er. Das ist echt schon peinlich, was hier abgeht. Aber wir haben nicht so die Zeit, uns weiter auszutoben, denn die Gruppe im Norden wird gerade von Wölfen angegriffen und kämpft ums nackte Überleben.

    Wolfgang bietet sich als Folterknecht an, aber ich winke ab. Ich glaube, heute ist da kein Bedarf mehr. Wir verbrennen das beschädigte Kostüm, füllen die Vorräte auf und Kevin fährt mit Max weg. Scheinbar hatten sie noch eine Zündkerze in Reserve. Nun ja…

    Was für ein verrückter Tag und was war eigentlich los? Ich muss das aufschreiben, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen…


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  • 29. April – Gräueltaten


    Puh… was für eine Nacht voller eigenartiger Träume. Die Sache mit dem Hochstapler geht mir noch immer nach, auch wenn sie letzten Endes doch relativ glimpflich ausgegangen ist. Zumindest gab es keine Toten, aber momentan ist das Vertrauen innerhalb der Gruppe stark erschüttert. Um ehrlich zu sein, weiß ich momentan auch nicht, wem ich wie noch wirklich trauen kann. Ich kenne die einzelnen Personen einfach noch nicht lange genug, also bin ich heute erst einmal alleine losgezogen, während die anderen vermutlich noch geschlafen haben. Lediglich Alni meldete sich kurz über Funk aus einer Gefahrenzone. Er hat ebenfalls beschlossen, allein loszuziehen und kam in ein Gebiet mit Giftgas, was er jedoch rechtzeitig verlassen konnte. Ein Glück! Außer ein paar Kratzern, die er sich selbst verbinden konnte, scheint ihm nicht zu fehlen.


    Was mache ich also heute?


    Alni trägt beunruhigende Nachrichten an mich heran. Sein Freund sei ebenfalls in Chernarus angekommen und natürlich hat er ihm von unseren Lagern erzählt. Sein Freund hat eines in Solnichniy gefunden, aber anstatt der ganzen Güter, die Alni und Wolfgang gestern dort verteilt haben, war die Auswahl eher…bescheiden. Zu allem Überfluss meldete er, dass es jede Menge Menschenfleisch dort gab. „Kunstvoll drapiert“. Widerlich! Das können wir keinesfalls so stehen lassen. Also beschließe ich, zunächst nach Solnichniy zu wandern. Einfach mal weg von hier, der Küste entlang. Den Kopf frei bekommen. Die rote Uniform lasse ich in einer Kiste beim Auffanglager und quetsche mich in meinen grünen Samariter-Anzug. Falls mir etwas passieren sollte, kann hier jemand meine Aufgabe fortführen. Es wird sich schon jemand finden.


    Ich laufe los, immer an der Küste entlang. Es ist ruhig und friedlich. Ganz anders, als zu anderen Zeiten. Früher hätte ich es mich nie getraut, so offen an der Küste entlangzulaufen. Ich hatte immer Angst, direkt erschossen zu werden und so unbegründet ist meine Furcht gar nicht. Ich jogge an Kamyshovo vorbei, beseitige ein paar Zombies und komme schließlich bei Solnichniy an. Ruhig liegt das kleine Dörfchen mit der Krankenstation vor mir. Die Fahne ist noch gut zu erkennen.


    Als ich am Lager ankomme, fülle ich zunächst einmal meine Feldflasche und bediene mich am Brunnen. Das kühle Wasser tut gut und ich fühle mich frisch gestärkt. Mein Blick fällt auf eine blaue Jacke, die neben einem T-Shirt und einer Mütze arglos am Brunnen liegt. Sie wirkt seltsam ausgebeult und ich schaue sie mir etwas näher an. Schockiert springe ich mit einem Satz zurück. Irgendwer hat in die Jacke tatsächlich Menschenfleisch gewickelt! Igitt… mir wird schlecht und ich kämpfe gegen den Würgereiz an. Auch in einem Zelt liegen zwei Stücke und Fett… einfach schrecklich. Ich atme tief ein und versuche, meine Fassung zu behalten. Panisch sehe ich mich um, ob noch jemand außer mir hier ist. Es waren eigenartigerweise nur wenige Zombies in der Stadt, aber Leichen habe ich keine gesehen. Ich bin nun extrem vorsichtig.


    Da es hier kaum noch Versorgungsgüter gibt, beschließe ich das Menschenfleisch zu beseitigen und die Unterstände so gut es geht aufzufüllen. Ein kurzer Fußmarsch zur Klinik bringt ein paar Bandagen zu Tage und ein kleiner roter Rucksack dient als Behälter für das Menschenfleisch. Ich habe vor, es im Meer zu bestatten. So setze ich meinen Weg durch das Dorf in Richtung Küste fort, als mich eine Horde Zombies plötzlich bemerkt. Ich wehre sie so gut es geht ab und schließe mich in einem Haus ein. Durch das Fenster kann ich sie schließlich mit meiner Faust erwischen. Einer nach dem anderen. Keuchend stehe ich über ihnen. Als ich ihre Körper durchsuche, fällt mein Blick auf ein Gewächshaus neben mir. Etwas stört mich daran, aber ich kann nicht genau sagen, was es ist. Langsam laufe ich näher und werfe einen Blick hinein. Als ich die Türe öffne, stockt mir der Atem. Wer auch immer das Fleisch beim Lager drapiert hat, er hat noch mehr getötet. Hier im Gewächshaus liegen tatsächlich noch neun weitere Menschensteaks. Ich renne aus dem Gewächshaus und übergebe mich in den nächsten Busch. Grauenvoll! Was ist hier passiert?


    Als mein Kopf wieder etwas klarer wird, fange ich an zu überlegen. Schätzungsweise ein oder zwei andere Überlebende wurden hier auf jeden Fall zerstückelt. Wer waren sie? Wer war der Killer? Haben sie sich selbst das Leben genommen, war es eine Krankheit oder ein anderer Spieler? Und warum legte der Fremde die Überreste einerseits ans Lager, andererseits hier ins Gewächshaus? So gerne ich Antworten auf diese Fragen hätte; so sicher weiß ich, dass Grübeln nichts bringt. Ich beschließe, das Einzige zu tun, das ich für den oder die Toten noch tun kann: Ich packe widerwillig das Menschenfleisch behutsam in einen roten Regenmantel und trage alles zum Meer. Behutsam lege ich den Regenmantel mit dem Menschenfleisch und Fett ins Wasser, gedenke ein paar Minuten der Unbekannten und hoffe, dass sie nun an einem besseren Ort sind.


    Ich suche noch das ganze Dorf ab, sammele so viele Versorgungsgüter wie möglich, um die Zelte aufzufüllen und beschließe dann, meine grüne Ausrüstung hier am Ort zu verstecken. Eventuell für spätere Zeiten. Den Rückweg trete ich quasi inkognito an. Etwas passende Kleidung finde ich in einem Unterstand. Anschließend mache ich mich zurück auf den Weg nach Prigorodki. Gemächlich arbeite ich mich immer weiter an der Küste entlang Richtung Westen. Endlich habe ich das Camp erreicht und gerade möchte ich mich wieder mit meiner roten Ausrüstung einkleiden, da sehe ich doch tatsächlich einen anderen Überlebenden im Camp. Er trägt keine erkennbare Armbinde, aber markant ist die Ghillie-Kopfbedeckung. Irgendwie sieht er schon fast aus wie ein wandelnder Baum. Es ist komisch. Normalerweise würde ich jetzt auf ihn direkt zu rennen und ihn freundlich ansprechen. Andere Spieler würden ihn gleich erschießen. Nur Ghillies ziehen mehr Kugeln an, als meine rote Ausrüstung. Aber warum laufe ich dann nicht offen auf ihn zu? An dem Spruch „Kleider machen Leute“ ist wohl mehr dran, als ich mir eingestehen möchte. Ohne die rote Uniform fühlt sich das seltsam an. Warum nicht mal warten, bis mein Gegenüber mich anspricht? Immerhin hat er nicht gleich geschossen. Ich springe über den Zaun und wir rennen beide an den kleinen Steinofen, den der Buschmann wohl schon zuvor angezündet hat. Dort braten einige Fleischstückchen und der Fremde greift herzhaft zu. So stehen wir da. Er knabbert genüsslich am Schweinesteak und ich frage mich noch immer, was ich hier eigentlich mache. Etwas unschlüssig tänzele ich um ihn herum, aber die Situation scheint friedlich zu sein. Als er nach den Feldern sieht, gebe ich ein zaghaftes „Hoi“ von mir. Scheinbar ist es doch wieder an mir, zuerst zu sprechen. „Hi“, gibt er freundlich zurück. „Werbisdenndu?“, möchte ich nun wissen und versuche, ein Gespräch anzufangen. Allerdings geht das ziemlich daneben, denn er fragt nach, was ich da gerade von mir gegeben habe. Vermutlich habe ich zu undeutlich gestammelt. „Ich versteht dich ganz schlecht, du.“, bedauert er. „Wer bist denn du?“, geht es mir jetzt schon etwas leichter über die Lippen. „Ja… Hallo erstmal.“, beginne ich das Gespräch wieder, nachdem mein Gegenüber nicht antwortet, sondern erstmal meinen Puls fühlen möchte. Es ist absurd, aber am Ende knien wir uns beide gegenüber und fühlen unseren Puls. Ich erkläre meinem Gegenüber, dass er so meinen Namen bestimmt nicht herausbekommt. Aber zumindest weiß ich jetzt, dass er einen regelmäßigen und starken Puls hat. „Du bist neu hier?“, spreche ich das Offensichtliche aus. „Ja, ich war vor Ewigkeiten mal hier in Chernarus. Und vor zwei drei Tagen bin ich dann wieder hierhergekommen. Ich hadere noch damit, mich zu erkennen zu geben. Warum weiß ich nicht so genau. Jedenfalls sage ich ihm, dass ich auch gewissermaßen auf der Durchreise bin. Er fragt, ob ich etwas brauche und da frage ich nochmals nach seinem Namen: „Ich brauche nichts, danke. Wie darf ich dich nennen?“ „Mein Name ist ein Zungenbrecher…“, beginnt er, „..nenn mich einfach Chewie.“ Ich grüße freundlich zurück und stelle mich nun doch als Herz-aus-Gold vor. Seine Augen drücken Erstaunen aus. „ACH! Guck mal…Ja… kenn ich. Deswegen kenne ich das Lager hier.“ Aha..? Also vermutlich hat schon jemand ihm von uns und unseren Auffanglagern erzählt. Er wurde neugierig und hat beschlossen, einmal selbst vorbeizuschauen. Lustig. Und irgendwie schön, dass unsere Aktionen so langsam die Runde machen. Na, da hat er gerade den richtigen Moment abgepasst. Wir unterhalten uns etwas beim Brunnen über alte Erlebnisse in Chernarus und als Jammet dazu kommt, stelle ich ihm Chewie vor. Ich lade ihn in unseren Funkkanal ein und am Ende unterhält er sich noch sehr sehr lange mit Jammet über die guten alten Zeiten in Chernarus. Zwischendurch versuche ich ihm zu zeigen, wie man mit einem Speer umgeht, aber leider wird er mit dieser Waffe nicht ganz warm und verwirft somit ihren Gebrauch. Naja, jeder, wie er mag. Kanu fährt das Bambi-Mobil vor und wir beschließen zu dritt das Camp in Solnichniy nochmals zu besuchen. Als ich Chewie frage, ob er mitkommen möchte, stimmt er zu. Zu viert unternehmen wir eine kleine Spritztour, während Wolfgang zurückbleibt und eventuell bei „Bubis Scheune“ vorbeischaut.


    Nachdem wir unterwegs einen Zug durchsucht haben und an Kamyshovo vorbeikommen, ruft Chewie plötzlich: „Da ist ein Überlebender!“. Mann muss der Adleraugen haben… Kanu fährt links ran und ich gehe in Richtung der Schuppen am Ortseingang, wo er ihn gesehen hat. In meiner Hand halte ich noch einen großen, roten Rucksack. Hoffentlich sieht der Fremde, dass ich keine Gefahr bin und schießt nicht gleich. „Hallooohooo!“, rufe ich ihm freundlich zu und hebe die Hand zum Gruß. „Samariter im Einsatz!“, ergänze ich und bleibe vor dem Fremden stehen. Der Fremde hebt beide Arme und winkt mir wild entgegen. „Hallo! Kannst du auch sprechen? Can you talk?“, frage ich ihn. Nach einer kurzen Pause kommt die Antwort. „Ah sorry. Hi! Ja Moin.“ „Hi“, beginne ich wieder und er erwiedert ein freundliches „Guten Abend“. So, Kontaktaufnahme erfolgreich. Puh… Mein Puls wird wieder etwas langsamer. „Du sprichst Deutsch. Prima. Grüß dich. Wir sind die Samariter von Chernarus. Können wir dir etwas geben?“ „Nee nee, gar nicht eigentlich.“, winkt er ab. Er sieht zwar aus wie ein Bambi, aber er scheint damit glücklich zu sein. „Ich versuch mich grad mal so durchzuschlagen.“ Das verstehe ich nur zu gut. Es ist zwar schön, dass es Menschen wie uns gibt, die anderen helfen, aber manchmal ist es schöner, selbst Dinge zu erreichen und sich eben nicht alles gleich schenken zu lassen. „Okay, alles klar.“, lächele ich ihn freundlich an. „Darf ich dich noch fragen, wie du heißt?“, möchte ich abschließend noch wissen. Er stellt sich als Cahoo vor und schlägt sich mit seinem Freund so durch. Ich bitte ihn noch kurz, seinem Freund mitzuteilen, dass er bitte nicht auf uns schießen soll. Außerdem erkläre ich ihm, dass wir überall Stationen aufgestellt haben an der Küste und er sich da gerne bedienen darf. Nur die Fahne, Kisten und Unterstände sollen die beiden bitte stehen lassen. „Das ist ja lieb, danke!“, gibt er noch sichtlich erfreut von sich. Ich stelle mich noch kurz als Herz-aus-Gold vor und wünsche ihm alles Gute. Wir verabschieden uns und setzen unseren Weg fort.


    In Solnichniy statten wir das Lager dann wieder mit allem Nötigen aus, aber von dem Killer fehlt jede Spur. Auch kein neues Fleisch ist hinzugekommen. Wenigstens etwas. Wir fahren wieder zurück und grillen noch gemütlich in Prigorodki, Max und Kevin stoßen auch wieder kurz dazu. Scheinbar ist der Zoff vom Vortag vergessen. Von Bubi gibt es nichts Neues. Sein Lager war verlassen, die Tore weit offen. Dann wird es dunkel und ich beschließe, mich schlafen zu legen.


    Was für ein Tag, aber wir haben viele nette Menschen getroffen. Nur das Fleisch in Solnichniy macht mir Sorgen. Was da wohl dahinter steckt?


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  • 30. April 2023 – Testballon

    Es regnet mal wieder in Strömen. Ich öffne meine Augen, ziehe meine roten Kleider an und stürme den Hang hinunter in Richtung Prigorodki. Während ich renne rufe ich laut in die Welt: „Guten Morgen, Chernarus! Hallo Welt! Ich bin wieder da!“ Wolfgang, Kanu, Blue und Jammet befinden sich mit mir in Kontakt über Sprechfunk. Die letzten Tage bin ich gefühlt jedes Mal zurückgelaufen ins Lager, als es Schwierigkeiten gab. Daher habe ich mir für heute vorgenommen, in der Nähe zu bleiben und nicht wieder rennen zu müssen.


    Ich kontrolliere zunächst das Lager. Ein paar Kleinigkeiten fehlen. Nun ja… sagte ich „Kleinigkeiten“? Tatsächlich, so berichtet mir Wolfgang, haben wieder Überlebende das Lager so ziemlich leer geräumt und die Kleidung überall verteilt, nur eben nicht in den Unterständen. Fast so wie bei einer Kleideranprobe, merkt Jammet scherzend an. Ich sehe mir alles genau an und möchte gerade in seinen Witz einstimmen, da höre ich ein „Hello!“ hinter mir. Hastig drehe ich mich um. Am Brunnen steht eine junge Asiatin. „Spielerkontakt! Funkstille“, rufe ich kurz in den Funkkanal, danach wende ich mich wieder der Fremden vor. Irgendwie kommen sie und vor allem ihre Stimme mir bekannt vor. „I died!“, sagt die Fremde etwas traurig. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Ich würde schon sagen, dass ich die englische Sprache ganz passabel beherrsche, aber besonders tot sieht mir die Person gegenüber nicht aus. „Your died? What happend?“, frage ich möglichst umgangssprachlich zurück. Sie berichtet, dass sie von einer riesigen Gruppe Zombies beim Airfield angegriffen wurde. Die Arme! Vielleicht meint sie mit „tot“ ja etwas Symbolisches. Ist ja auch egal. Ich frage sie mitfühlend, ob sie denn etwas benötigt. Allerdings hat sie schon alles, was sie braucht. Da ich mir nicht mehr so ganz sicher bin, wer eigentlich wer ist, frage ich die Person, ob sie zufällig Jasmine ist. Sie ist ein Mitglied von Charly und Tabaskos Gruppe mit den lilafarbenen Armbändern und hat sich dort als Händchen für alles in der Basis niedergelassen. Sie bestätigt und ich erkläre ihr, dass ich nach den letzten Tagen nicht vorsichtig genug sein kann. Wir besprechen, was wir heute noch so vorhaben. Ich für meinen Teil muss schauen, dass das Lager hier wieder in Ordnung kommt und mit Nachschub versorgt wird. Kanu und Jammet fahren eventuell los, um warme Kleidung zu besorgen. Zunächst biete ich ihr ein Taxi an, da Kanu und Jammet ja auf Tour gehen möchten, aber am Ende entscheidet sie sich dann doch dagegen. Jammet kommt zum Lager, unterhält sich noch kurz mit Jasmine und ich begebe mich in die Koch-Hütte. Dort steht eine Kiste voller Bandagen auf dem Tisch. Nun ja, sie ist halbvoll. Ich meine mich zu erinnern, dass Max und Kevin sie in der Küche abstellen wollten. Per Funk bedanke ich mich kurz bei den beiden und packe die Bandagen in das geplünderte Medizinzelt. Anschließend lege ich ein paar neue Felder an und pflanze jede Menge neue Setzlinge. Ich habe das Gefühl, dass wir sie brauchen werden.

    Im Funk berichtet Chewie noch kurz davon, dass Kevin und Max ihm freundlicherweise einen gelben Sarka überlassen haben. Allerdings wurde er dann im Norden unterwegs beschossen. Wenn er es richtig gesehen hat, waren es Überlebenden mit einem grünen Armband, aber diese Farbe sagt mir nichts. Wobei… Wollten Vlad und Alexej nicht ihr orangefarbenes Band gegen ein grünes eintauschen? Ich bin verwirrt und beschließe, die beiden bei Gelegenheit zu fragen. Tja, das ist der Norden. Dort ist es offenbar wesentlich gefährlicher. Blue, Wolfgang und ich beschließen, die Scheune vom Bubi zu untersuchen, während Kanu und Jammet auf Kleidungssuche im Sommercamp gehen. Gemütlich laufen wir in Richtung Elektrozavodsk. Dabei kommen wir an einem Zug vorbei, aber wirklich brauchbare Versorgungsgüter sind nicht zu finden. Unterwegs beseitigen wir ein paar Zombies und kommen schließlich bei der Scheune an. Allerdings warnt uns Wolfgang vor, denn schon von Weitem sieht er Rauch bei der Tankstelle aufsteigen. Da muss ein Überlebender rumgeschossen haben. Vorsichtig schleichen wir uns Stück für Stück vor und behalten den Hügel und die Stadt im Auge. Lange Zeit passiert nichts, sodass wir uns langsam weiter in Richtung der Stadt vorarbeiten. Jammet und Kanu scheinen währenddessen jedoch einen Überlebenden beim Lager getroffen zu haben. Da er eine Waffe in der Hand hatte, vertrieb Jammet ihn mit einem beherzten Schuss, um Kanu zu retten. Die beiden beschließen, sich geordnet zurückzuziehen und dem Überlebenden aus dem Weg zu gehen. Auffällig war das schwarze Armband und das Totenkopf-Tuch vor seinem Mund. Irgendwie erinnert mich das sehr an Alni. Aber der hat sich heute noch nicht gemeldet. Na ja, wie dem auch sei. Es ist zumindest keiner gestorben soweit.


    An Bubis Scheune ist soweit auch alles in Ordnung. Er hat nicht weiter an seinem Lager gebaut. Wir beschließen wieder an der Küste entlang zum Lager zurückzukehren und haben es auch bald darauf geschafft. Ich arbeite weiter an den Feldern, wir ernten tonnenweise Kürbisse und genießen den Abend. Plötzlich taucht ein Bambi am Lager auf, aber es stellt sich heraus, dass lediglich Tabasko sich wie ein Bambi gekleidet hat. Wir albern gemeinsam etwas beim Rohbau gegenüber rum und ein anderer Trupp von uns besucht kurz Solnichniy. Dort scheint aber noch alles in Ordnung zu sein. Kein weiteres Menschenfleisch ist aufgetaucht, die Vorräte sind noch da. Alles gut. Puh…

    Während ich wieder zurücklaufe über das Feld, erkenne ich plötzlich hinter einem Unterstand einen improvisierten Rucksack liegen. Neugierig schaue ich hinein. Vier grüne Armbinden, ein Kolt, Weihnachtsbeleuchtung und beschädigte Arbeitsschuhe. Ich bin mir relativ sicher, dass keiner aus unserer Gruppe den Sack dort abgelegt hat und nehme den Inhalt an mich. Ist das eine Botschaft von einer anderen Gruppe? Haben die Bänder etwas mit den Schüssen auf Chewie zu tun? Oder testet jemand unsere Aufmerksamkeit am Lager? Ich beschließe, den Sack als eine Art „Testballon“ zu begreifen, sage aber den anderen vorerst noch nichts davon. Lediglich Vlad und Alexej frage ich, ob sie etwas am Camp hinterlassen haben. Sie meinen, sie wollten sich zwar die Harke ausleihen, haben dies dann aber doch nicht gemacht, da das Lager schon sehr leer war. Ja… Also fassen wir zusammen: Jemand hat auf Chewie geschossen und trug ein grünes Armband. Jemand war bei Jammet und Kanu im Sommercamp und trug ein schwarzes Armband. Jemand war hier am Lager und hat Dinge ausgeräumt. Jemand hat einen Rucksack mit grünen Armbinden in einem Busch hinterlassen. Mysteriös, aber ich habe das Gefühl, wir werden über kurz oder lang eine Antwort darauf bekommen. Wir bleiben wachsam.


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  • 1. Mai 2023 – Zombiespaß

    Ich muss mich heute leider kurzfassen, möchte aber doch ein paar Gedanken aufschreiben.

    Wozu die Menschen getrieben werden, wenn sie in eine „Wohlstandsdepression“ verfallen… Nun, von „Wohlstand“ kann zwar angesichts der Apokalypse kaum die Rede sein, aber es ist heute sehr friedlich am Lager. Die großen Gruppen scheinen alles Benötigte bereits bei sich zu haben und so verhält man sich gegenseitig respektvoll und friedlich. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar sagen, dass einige von Langeweile heimgesucht werden. Sogar bei Wolfgang, der eigentlich keine eigene Basis hat, merkt man dies. Oder wie ist es dann zu erklären, dass er dem Wahn verfallen ist, einer der Zombies vom Bahnhof sei sein Freund und müsse geheilt werden? Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass es sich um einen Zombie handelt, aber er war felsenfest davon überzeugt, er müsse nur die richtige Medizin finden. Tja… so hat er einen Zombie in der Blockhütte eingesperrt, ihm ein warmes Feuer angezündet und ihn mit faulen Äpfeln gefüttert. Wir haben ihm „HP“ getaucht, da er eine ziemliche Ähnlichkeit mit deinem berühmten Musiker hat und genauso schreien kann. HP scheint seine neue Behausung nicht besonders zu stören, aber so richtig gut ist er auf uns nicht zu sprechen. In einer Tour schreit er, wenn wir uns am Fenster begegnen. Später hat Wolfgang ihm dann noch eine „Freundin“ besorgt. Wir haben sie „Lola“ genannt. Alle Versuche, die beiden zu heilen blieben jedoch (logischerweise…) vergebens. Später verschwand Lola dann irgendwie und HP landete auf dem Dach. Kaum zu glauben… Und irgendwie kam er von dort auch wieder herunter, um zum Bahnhof zurückzukehren. Das hat zumindest Kanu berichtet. Er scheint schon etwas wehmütig auf die warme Hütte geblickt zu haben, aber etwas hat ihn dann zum Bahnhof zurückgezogen. Es ist fast so, als hätten die Zombies ein Eigenleben.


    Achja und Jasmine war wieder da. Irgendwie hat sie wohl wieder etwas Spannendes am Airfield erlebt und dann unser Taxi in den Norden genutzt. Die Arme… sie muss auch viel mitmachen im Moment. Was auch noch lustig war, war die Begegnung mit „Tissi“. Ja richtig… wie die Stadt. So hat sich der Überlebende genannt. Zunächst dachte ich, es sei ein Bambi. Aber auf meine Frage hin, ob wir ihm helfen könnten, meinte er, er könnte eher die eine oder andere Sache abgeben. Lustig. Normalerweise kämpft ja jeder um seine guten Sachen. Tissi war sehr nett und wir haben uns kurz unterhalten, ehe er seinen Weg fortsetzte. Er ist eher zufällig auf unser Lager gestoßen, als er von Severograd unterwegs war, aber er fand die Aktion sehr cool, wie auch die anderen Zelte und Kisten an der Küste. Das ist echt schön, wenn man mal von anderen hört, dass unser Engagement etwas nützt. Eine weitere Basis haben wir in der Lagerhalle ganz in unserer Nähe, neben Bluetopia gefunden. Ich vermute, sie gehört Chewie, denn der gelbe Sarka kam mir gleich bekannt vor. Außerdem haben wir drei neue Lederunterstände dem Auffanglager hinzugefügt, da wir massig Rucksäcke gespendet bekommen haben.


    Am Abend haben wir dann noch Proxxo begrüßt. Kanu hat ihn aufgegabelt. Oder eher, er hat Kanu aufgegabelt. Wir haben dann noch etwas Rumgealbert mit unseren Zombiefreunden und Chernogorsk kurz besucht. Mal schauen, was der morgige Tag bringt.


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  • 2. Mai 2023 – Übungsstunden

    Da heute wieder ein ruhiger Tag ist, beschließe ich, Blue etwas beizubringen. Anstatt der auffälligen roten Kleidung trage ich Tarnfarben und bin quasi wieder einmal inkognito unterwegs. Kein Armband verrät meine Fraktion und ich schleiche mich Stück für Stück den Hang hinunter ans Lager. Ob Blue oder Wolfgang mich entdecken werden? Ich habe die ersten Stärucher erreicht und alles läuft gut. Wie auf dem Präsentierteller steht Blue in einiger Entfernung und verstaut vermutlich etwas Munition. Ich verstecke mich in einem Busch, richte die Waffe auf ihn und rufe: „Peng, Peng! Du bist tot!“. Blue ist überrascht, sieht sich sofort um, aber im Busch scheint er mich nicht zu sehen. Das Tarnen hat besser funktioniert, als vermutet. Ich erkläre ihm, dass er niemals auf offenem Gelände seine Munition wechseln oder in seinem Rucksack kramen sollte. Viel zu gefährlich! Ich hätte ja ein böser Spieler sein können. Aber wie war das noch? Die Hybris bringt jeden zu Fall Wir fühlen uns definitiv zu sicher dadurch, dass wir viele Verbündete und Freunde haben. Wir müssen wachsam bleiben. Daher finde ich es wichtig, Blue ein paar Dinge zu zeigen, auch wenn das vielleicht böse rüberkommen könnte. Ich glaube, eines Tages wird er für solche Hinweise dankbar sein.


    Anschließend teste ich noch etwas unsere Überwachung und versuche, strategisch wichtige Punkte auszumachen. Langsam verstehe ich, warum Jammet darauf beharrt, dass gewisse Türen geschlossen bleiben. Nicht auszudenken, wenn ich ein bösartiger Spieler gewesen wäre….


    Blue baut später noch etwas an Bluetopia, während ich in Cherno nach einem Leder-Reparaturset suche. Leider ohne Erfolg und außer ein paar Blaue Flecken bringe ich nicht viel mit. Bei Bubi wurde inzwischen eine andere Fahne gehisst. Das bedeutet, er muss von unserer Aktion nun etwas mitbekommen haben. Aber sonst ist sein Lager noch immer offen und macht keinen Fortschritt.


    Zwischendurch kommt ein Hilferuf von Proxxo rein, der eine Bluttransfusion benötigt. Zum Glück hat Wolfgang die richtige Blutgruppe und kann ihm helfen. Während Blue an Bluetopia arbeitet, wage ich ein letztes Experiment. Er hat nicht daran gedacht, seine Basis auch abzuschließen und so schleiche ich mich von hinten an ihn ran. Wieder ein klarer Fall von Autosuggestion: Er hält mich aus den Augenwinkeln für Wolfgang und bedankt sich für das Seil… ich grinse und habe eine Idee. Während Blue in Gedanken versunken ist nehme ich das Seil und fessele ich ihn von hinten heimtückisch damit. Das geht leichter, als gedacht. Blues Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben und natürlich fragt er mich, wer ich bin. Ich zögere. Der Arme… ich hoffe, ich habe es nicht übertrieben. Gerade möchte er Verstärkung rufen, da gebe ich mich zu erkennen. Hastig binde ihn los und entschuldige mich förmlich für den bösen Streich. Hoffentlich ist er nun nicht sauer, verstehen könnte ich es. Aber ich hoffe, dass ihm diese Erfahrung eines Tages noch nutzen wird und er nun vorsichtiger ist. Manchmal ist das Leben in Chernarus entspannt und friedlich, aber im nächsten Moment wendet sich das Blatt und dein Leben ist in Gefahr. Ich möchte nur, dass Blue in solchen Fällen weiß, wie er sich verhalten muss.


    Am Abend sieht Proxxo noch zwei Überlebende am Lager, die in Richtung Elektro weiterziehen sind. Sie tragen Waffen, angesprochen hat er sie nicht. Blue folgte ihnen in einiger Entfernung und plötzlich waren sie zu dritt oder zu viert. Ob einer davon ein Zombie war, konnte er nicht ausmachen. Aber wenigstens scheint die Lektion in Vorsicht schon Früchte getragen zu haben.

    Er hat überlebt. Hoffentlich tun wir alle das noch eine Weile.


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