
Vergangenheistbewältigung - Der Regen danach!
Seit vielen Nächten schon begleiten mich Albträume der besonderen Art. Nicht solche die sich wie Horrorfilme hinter den Augenlidern abzeichnen und auch keine, welche einen schweißgebadet aufschrecken lassen, sondern eher diese, die sich ständig wie ein ruheloses, zweifelhaftes Gewissen bemerkbar machen. Die Bilder die ich dabei sehe sind eine Melange aus Ein- und Zweideutigkeit, Konsequenzen, sowie das in Frage stellen der eigenen Handlung. Leider beruhen diese schlechten Träume wohl auf der unumstößlichen Tatsache, dass es sich auch in wirklichkeit so zugetragen hat - denn es fehlt bis heute, eine Kugel in meinem Magazin!
Es war ein lauer Sommerabend des vorletzten Tages im Juni in Chernarus. Ich streifte an der Küste von Kamyshovo über Solnechny gen Norden und knabberte dabei an meinen getrockneten Lieblingspilzen, welche ich mir in üppiger Menge, als Zehrung für den Marsch zurechtgesammelt hatte. Wie üblich goss ich mir diese Pampe, mit chloriertem Bachwasser aus dem Westwald, den Schlund hinunter. Munter und ohnen nennenswerte Zwischenfälle kam ich irgendwann in Berezino an. Ich beschloss auf dem Hügel über dem Bambi-Camp, an einem verlassenen Haus mein Lager aufzuschlagen, bevor ich am nächsten Tag nach Svetlo weiterziehen würde. Müde von der langen Wanderung saß ich im Gras und beobachtet Berezino, wie es friedlich vor mir lag. Diese typische Skyline mit ihrem markanten Schronstein und dem hohen Turm der Feuerwache, hatte eine ähnlich Aura wie Krona, welche beruhigend auf mich einwirken konnte. Ich genoß den Abend und sah, wie sich ein Überlebender auf der Feuerwache umsah, den Turm bestieg und wieder runterkletterte. Lusitg, es war als würde man einem Hamster in seinem Terrain beobachten. Doch plötzlich durchzog ein lautes Grollen die friedvolle Stille. Aus der Stadt, welche über einen halben Kilometer von mir entfernt lag, sah man Rauch aufsteigen. Es kam direkt von der Tankstelle aus dem Industriegebiet - da muss wohl jemand die Zapfsäulen gewaltsam manipuliert haben.
Meine Instinkte sagten mir sofort, "Vorsicht, jetzt sei aber auf der Hut!", hier sind offensichtlich Vandalen unterwegs. Ich griff nach meinem Scope um die Lage besser zu untersuchen und wollte mich konzentrieren. Doch nicht nur das Scope rutschte mir beim ersten Versuch hindurchzusehen aus der Hand, auch sah ich beim Zweiten nur verschwommen und schemenhaft und konnte nicht richtig fokusieren. "Was geht los da rein?" - mein Blick wandte sich zur Knabbertüte mit den Pilzen - sie war leer! "Verdammte Scheisse!", wieder mal zu tief in die Tüte geschaut! Dabei wollte ich doch nur etwas entspannen und den Tag ausklingen lassen... aber in diesen Zeiten ist Entspannung so schwer zu finden, wie ein makelloser Pistolenschalldämpfer - nämlich überhaupt nicht!
Es half alles nichts, ich musste mich der Situation in der Stadt, mit der Situation meiner akuten, geistigen Leere hingeben und dabei wie gesagt, auf der Hut sein. A propos Hut, wenn man vom Teufel spricht, erblickte ich doch tatsächlich durch mein Scope, einen Überlebenden mit Cowboy-Hut durch die Stadt schleichen. Gleich kam mir die Hütchen-Bande in den Sinn, welche sich durch Terror und Vandalismus bereits ihren Namen in der Umgebung gemacht hatte. Ich schraubte mein Skope schnell wieder auf die Schatten-DMR, packte den Entfernungsmesser aus und checkte die Distanz von mir zum nördlichen Industriegebiet - Round about 550m! Ich justierte meine DMR entsprechend, um auf weitere Fälle von Vandalismus vorbereitet zu sein. Und dann sah ich ihn, den vermeintlichen Marodeur, wie einst am Bambi-Camp in der selben Stadt. In geduckter Haltung schlich er im Industriegebiet hastig von einem Schuppen zum anderen und schliesslich zu einer großen Lagerhalle. Da war er also, der Kunde mit dem Cowboy-Hut! "Na warte Bürschchen, dich nehm ich besser genauer ins Visir", sagte ich zu mir und presste die Schulterstütze meiner DMR etwas fester, an die dafür vorgesehene Stelle am Körper. Dann sah ich wie der Hutträger das große Metalltor öffnete und plötzlich vor einer riesigen Holzwand stand. WTF, da ist ja ne Base drin.
Ich kombinierte - so schnell es mein Pilzrausch zulies - die offensichtlichen Fakten zusammen: Vandalismus in der Stadt, Rauch über der Tanke, Cowboy-Hut aufm Kopp, fette Base voraus, dicker Rucksack (mit wohl viel Sprengmaterial drin), Nachts 1:30 Uhr IRL. Die Sache war klar wie dünne Pilzsuppe aus Zvir - diese kleine, dreckige Made will die Base raiden! Na warte...
Waffe durchgeladen - Check!, Schalli montiert - Check!, Distanz 550m - Check! DMR auf 500m genullt - Check!, Atmen angehalten - Check! Cowboy-Hut im Fadenkreuz - Check!, halber Teilstrich für die 50m über Null - Check!, SCHUSS!, Headshot - Check!, Cowboy fällt - Check!, Cowboy tot - Check! ... Arschlecken - Check!
Ich beobachtete noch ein Weile ob sich jemand zweites aus der Deckung wagte, doch es blieb ruhig. Schnell packte ich meine sieben Sachen zusammen und wollte "open Field" den Hang hinunter zum Toten Schurken. Ich lief die ersten Schritte und lies die Gedanken zum verarbeiten des eben Erlebten seinen Lauf. Ich dachte daran, wem seine Base das wohl sein könnte und ob hier nicht gleich Verstärkung o.ä. um die Ecken kommt. Und was würde passieren, wenn ich dort an der Base mit dem totem Lump zusammen entdeckt werden würde? Weder bin ich der Base-Betreiber, noch gehöre ich zur Hütchen-Bande - was gehts mich denn auch an?! Und wenn es die Base der Bere-Boys ist, dann würden die... warte mal die Bere-Boys? Und plötzlich hatte ich dieses Bild aus deren Fraktionsplakat vor Augen..
Die Bere-Boys mit ihrem grünen Ada, das Schiffswrack von Rify im Hintergrund, die blauen Klamotten und der, der, der Fuck, der Cowboy-Hut aufm Kopf! HOOOLY MOOOLY, bei den Pilzgöttern Xochipilli und Fungusdeus! Ich hab doch nicht etwa...!? kann es sein, dass ich hier einer folgenschweren Verwechslung aufgesessen bin? Nein, sowas passiert mir nicht - niemals! Ich war noch einige hundert Meter vom Umfallort(!) entfernt und packte nochmal mein Scope aus, um mir die Szenerie näher ans Auge zu bringen. Doch so wie der Tote da lag, konnte ich keine Klamotten erkennen - und das mit den Farben ist bei mir sowieso schwierig.
Plötzlich vernahm ich einen sogenannten Cracksound schräg hinter mir und es war mir sofort klar, ich wurde aus großer Distanz mit Schalldämpfer und Hochgeschwindigkeitsmunition beschossen. Noch bevor ich den zweiten Cracksound hören konnte, hatte ich schon meine Beine in die Hand genommen und war in den naheliegenden Wald geflohen. Das hätte eben auch mein Ende sein können! Stillstand ist der Tod, sagt man nicht zu unrecht, zum meinem Glück war der Schütze hier nicht ausreichend treffsicher. Mit Helm und Platte, wäre ich bei einem Treffer vielleicht Ohnmächtig geworden, aber ohne keine Chance, so musste ich mich schnellstens in Deckung bringen.
Jäger, Gejagter, Täter, Opfer, Freund, Feind ... who is who? In diesem Moment, fiel in einem großen Durcheinander, alles über mich herein - was für ein Hirnfick ist das hier? Sodann sties ich erstmal alle Gedanken beiseite und beschloss zu rennen, nur noch zu rennen und zu rennen. So rannte ich von einem Waldstück zum anderen, immer weiter in den Norden, während es zeitglich zu regnen begann und der Donner über mir grollte, als wolle Petrus mit Zeus gemeinsame Sache machen. In den dunklen, voll Wasser geschwängerten Wolken konnte ihre hämisch grinsenden Fratzen erkennen, wie der eine mir lachend den Boden so schlammig regnete, dass meine Füsse drin stecken bleiben sollen, während der andere mir darufhin genüsslich seine Blitze in den Rücken peitschen kann. "Ja, leiden sollst du! Ob deiner niederträchtigen Missetat, du gewissenloser Unhold des Westens!", hörte ich ihre Stimmen in meinem Kopf. Doch ich rannte, immer weiter, bis ich schliesslich an einem einsamen Haus am See, dem Jägerhaus am Black Lake ankam. Völlig durchnässt, erschöpft und ausser Atmen lies ich mich in der obersten Etage ins Bett fallen. Ich hörte den Regen ans Haus prasseln, starrte die Decke an und murmelte ein leises "Oh - mein - Gott!" vor mich hin. Die berauschende Wirkund der Pilze hatte sich längst verflüchtigt und der Verstand war aus dem Nebel zurückgekehrt, da hörte ich das Funkgerät rauschen und eine vertraute Männerstimme sprach zu mir: "Ey Cone, sag mal, hast du etwa gerade...", ich drehte den Schalter des Walkie Talkie auf OFF. Mit einem Klick erlosch seine Stimme abrupt, doch in Gedanken vervollständigte ich seinen Fragesatz mit den fehlenden Wörtern. "Ich fürchte, ja!", war schliesslich die flüsternde Antwort an mich selbst, als ich langsam die Augen schloss, um erstmal so etwas wie Ruhe und Besinnung zu finden. Wer war er wirklich, dieser Mensch, an der Base in Berezino? Freund oder Feind? Den Regen juckten diese Fragen nicht im geringsten, er prasselte einfach weiter von aussen gegen das Holz.
Nach dem Regen kommt die Flut, so sagt man. Eine Flut die alles mitreisst und verwischt. Und geht sie zurück, ist alles gereinigt und sauberer als zuvor... so, als ob nie etwas geschah?! Ist doch so, oder etwa nicht? Bitte, so muss es sein! Ich legte mich mit dem Gedanken schlafen, dass am nächsten Morgen bestimmt wieder die Sonne für mich scheint. Und so erwachte ich im Morgengrauen aus meinem "Traum", löste optimistisch mein 20er-Magazin von der DMR, entlud es vollständig und zählte sicherheitshalber nach: ...17, ...18, ...19, ..., Fuck!
Wie scheisse soll dein Tag beginnen? - JA!