15. Mai 2023 – Hass-Spirale
Der heutige Tag beginnt, wie erhofft. Das Wetter ist ordentlich und ich kann
endlich weiter am Bambi-Auffanglager die Aufbauarbeiten vorantreiben. Auch Ravini
kommt vorbei und packt mit an. Sehr nett von ihm! Ich hoffe, er bereut seinen
Entschluss nicht und kommt durch unseren mysteriäsen Saboteur oder
Scharfschützen nicht wieder in Gefahr. Aber alles bleibt ruhig und schließlich möchte
Ravini weiterziehen. Über Funk meldet er sich schließlich. Er habe gerade einen
Überlebenden „getroffen.“ Ganz in der Nähe, zwischen Prigorodki und Cherno im Waldstück.
Ich frage nach und es stellt sich heraus, dass Ravini dieses Mal beschlossen
hat, zuerst zu schießen und dann Fragen zu stellen. Nur in diesem Punkt war
dann keiner mehr da, den er befragen konnte. Ich traue meinen Ohren nicht…
Haben die Vorfälle am Camp so derartig düstere Früchte getragen, dass nun auf
jeden geschossen wird? Ich verurteile die Tat zutiefst, aber ich kann verstehen,
was Ravini dazu bewogen hat. Nachdem in der letzten Zeit so viel auf ihn
geschossen wurde… aber man muss doch diese Hass-Spirale irgendwie durchbrechen
können. Es ist ja nicht nur Ravini. Am Camp sind alle momentan etwas angespannt
seit sich diese fremde Gruppe zu Erkennen gegeben hat. Wobei ich inzwischen
nicht mehr glaube, dass sie allein handelt. Hier haben eindeutig mehrere ihre
Finger im Spiel und wir bieten leider ein perfektes Ziel für ihren Machthunger
und ihre Zerstörungswut.
Ich beschließe für den fremden Überlebenden das Einzige
zu tun, das ich noch tun kann. Ich lasse mir von Ravini den Weg beschreiben,
aber da ich etwas unfähig bin, muss er mich doch abholen und mir die Stelle
zeigen. Ich sichere die ganzen Dinge in einem Rucksack. Vermutlich war es ein
Einzelgänger auf Wanderschaft. Natürlich hatte er auch die eine oder andere
Waffe dabei, aber eine Angel, ein Fischfilet, eine Wanderkarte, ein Kompass…
all das spricht da eine andere Sprache. Es tut mir sehr leid um den Gefallenen
und ich beerdige die Überreste, ehe ich die Sachen zum Lager schaffe. Ravini
beschließt etwas über das Camp zu wachen. Ich lagere den Rucksack im Koch-Haus
zwischen und gehe meiner Arbeit nach. Wieder etwas die Umgebung erkunden und
nach Vorräten suchen. Das Camp braucht neue Nahrung. Unterdessen kümmert sich ein
neuer Verbündeter um das Camp. Er möchte, dass ich seinen Namen hier nicht
nenne, aber er stellt sich als Lockvogel für den Sniper zur Verfügung. In Grün
gekleidet und ohne viel Brauchbares bei sich zu haben, geht er ins Camp. Ravini
meldet über Funk, dass er zwei Spieler im Camp sieht. Mir ist sofort klar, was
das bedeutet und unser Freund versucht auch den anderen Spieler auszumachen,
aber da ist es schon zu spät. Ein lautloser Schuss trifft ihn und er sackt leblos
vor dem Blockhaus neben dem Koch-Haus zusammen. Ravini bekommt alles von seinem
Aussichtspunkt aus mit und ich beiße die Zähne zusammen. Verdammt! Der Sniper
hat wohl wieder einen erwischt, aber nun wissen wir, dass er im Lager ist. Mein
Freund Cyfox scannt das Lager ab, aber es scheint, als habe sich der Schütze
wieder einmal in Luft aufgelöst. Elender Feigling, aber das war zu erwarten.
Mehr als heimtückisch schießen und sofort auf unlautere Art und Weise zu
verschwinden, kann er nicht. Eventuell natürlich auch unbewachte Camps
ausräumen, aber das wird noch zu prüfen sein. Cyfox meldet, dass er unseren
Freund begraben und seine Ausrüstung gesichert habe. Viel war es nicht. Das Camp
scheint wieder ruhig zu sein. Außerdem erhalte ich einen weiteren Funkspruch.
Clas hat sich gemeldet und der Gruppe vorgestellt. Er funkt ab jetzt auch auf
unserer Frequenz und ich biete ihm den Rucksack an, den ich zuvor von dem toten
Überlebenden gesichert habe. Clas hat ihn wohl gut gekannt, aber er ist nicht
böse auf uns, sondern ist dankbar, dass ich zumindest seine Sache gesichert und
seinem Freund eine angemessene Beerdigung gegeben habe. Ich laufe also, nachdem
ich die Sachen vom Camp geholt habe los und versuche Clas in Cherno bei der
Tankstelle zu treffen. Dort angekommen nimmt er alles dankbar an sich und ich
biete ihm an, mich zum Camp zu begleiten. Allerdings warne ich ihn auch gleich
vor, dass es derzeit dort hochgradig gefährlich ist. Trotz der Warnung
beschließt er, mir zu folgen und gemeinsam setzen wir unseren Weg fort. Cyfox
hat sich wieder in seine Schatten zurückgezogen und ich zeige Clas das
verlassene Camp. Wolfgang stößt mit Charly zur Gruppe, aber sie sind noch etwas
weiter weg. Als ich Clas das Koch-Haus zeigen möchte, stehen wir plötzlich einem
in Grün gekleideten Fremden gegenüber. Ich frage auf Deutsch und Englisch, wer
er ist. Aber es kommt keine Antwort, außer eine grüßende Geste und ein
typischer Q/E-Tanz. Etwas seltsam anmutend… schützend halte ich mir meine Fäuste
vors Gesicht, denn es kam einfach zu oft vor, dass ich angegriffen worden bin. „Der
gefällt mir nicht…“ geht es mir noch durch den Kopf, als er schweigen an mir
vorbeirennen möchte. Nochmals hebt er die Hand zum Gruß. Auf meine erneute
Frage, ob er denn reden könne, kommt keine Antwort. Nur eine Geste, die wie ein
Kopfschütteln interpretiert werden könnte. Nein, der gefällt mir wirklich ganz
und gar nicht. Charly gibt durch, dass er unterwegs sei, da bricht der Fremde
an mir vorbei ins Nebenzimmer. Clas hinter mir hebt warnend sein Gewehr, doch
ich merke zu spät, was gerade vorgeht. Als der Fremde wieder durch den Türbogen
läuft, hält er eine M4 im Arm und hält voll drauf. Getroffen gehe ich zu Boden,
dann wird alles um mich herum Schwarz.
Ich erwache auf einem Bett. Es muss das Bett im Haus
neben dem Koch-Haus sein. Schmatzgeräusche lassen mich aufschrecken. Richtig…
ich hatte mich hierher nach dem heimtückischen Angriff gerettet. Clas… oh nein!
Hat es ihn erwischt? Schnell gebe ich per Funk durch, dass ich die Positionen
der einzelnen benötige. Clas erklärt kurz, was passiert ist. Nachdem ich einige
Zeit bewusstlos war, hat er sich, mehr tot als lebendig, zum Brunnen
geschleppt. Dort traf er dann auf ein Bambi, mit dem er versuchte in Kontakt zu
treten. „Yo yo yo, friendly!, grüßte das Bambi und Clas erwiderte: „Ja, bin
auch friendly.“ „I’m friendly, man.“, kam es dann wieder von dem einen. „Yeah,
I’m too. Did you see anyone around? Because I was killed here, lately“, fragte
Clas ihn nach dem Schützen. „Yes, I’ve seen someone at Balota. I almost got
killed there.“, erklärte das Bambi am Brunnen. Das kann nun stimmen oder auch
nicht. Aber mir kommt das alles sehr suspekt vor und auch Clas hat so im
Nachhinein seine Zweifel. Der Schock mit dem Schützen sitzt bei uns allen noch tief,
aber Clas bleibt bei all dem erstaunlich ruhig und gelassen. „Okay.“, bestätigte
er nach seiner Aussage dem Bambi noch kurz. Dann ging der Fremde wieder und ein
anderer Überlebender kam an den Brunnen. Auch diesen versuchte er anzusprechen.
Allerdings kam nur ein „Shit, man!“ von ihm und die beiden schlugen ihn kampfunfähig.
Sehr feige Aktion! Leider bin ich selbst mehr tot als lebendig und kann so
hilflos am Boden liegend nichts für ihn tun. Allerdings meldet sich Cyfox nun
per Funk. Er zieht sich in einer Hütte zurück und hält sich in einer Ecke
versteckt. Seine Ruhe wird belohnt, denn vor ihm taucht einer der beiden Bambis
auf. Vielleicht ist es die Tatsache, dass ich im Sterben liege, vielleicht ein
Fieberschub, aber mir kommt es so vor, als würde ich durch Cyfox‘ Augen alles
mitansehen. Das Verräterische Essgeräusch des Fremden dringt an mein Ohr. Er
scheint ihn nichts zu sehen, nichts zu ahnen. Behalt bloß die Nerven! Mit einer
stoischen Geduld nehme ich die USG-45 in meine Hand. Erbarmungslos und kalt.
Mein Gegenüber ahnt noch immer nichts, kniet ahnungslos kauend vor mir auf dem
Boden. Ich hole tief Luft. „Für Clas und Herz!“, brülle ich und drücke ab. 7
Schüsse, dann ist es ruhig. Mein Gegenüber sinkt leblos zu Boden. Cyfox hat ihn
erwischt. „Hab einen! Blockhaus, hab einen.“ ist über Funk zu hören. Charly ist
überrascht: „Echt?“ Aber ich weiß, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist. Es
waren mindestens zwei und der am Boden sieht nicht nach dem Schützen mit der M4
aus. Daher bleibt Cyfox in seiner versteckten Position und wartet geduldig auf den
Freund, der bestimmt gleich kommen wird. Allerdings machen ihm da ein paar
Zombies einen Strich durch die Rechnung, die durch die Schüsse aufgeschreckt
wurden. Leise und geduckt schleicht sich Cyfox zur Tür und schließt diese. Zurück
ins Versteck. Schritte. Die Tür öffnet sich. Der Fremde tritt ein und zielt.
Cyfox zielt ebenfalls auf den Kopf, oder besser gesagt auf das Gesicht. Auf dem
Kopf trägt er den funkelnden blauen UN-Helm. Meinen Helm! Meinen Helm, der mich
und die Samariter vor mir so makellos begleitet hat. Der Fremde schießt, trifft
aber nicht. Dafür durchsieben Cyfox‘ Kugeln ihn unbarmherzig. In der Ecke des
Hauses geht er hinter einem Schrank stöhnend zu Boden. „Down, hab ihn!“, gibt
unser Mann durch. Wieder scheint es mir, als würde ich alles miterleben. Wie noch
einen Zombie erschießt und die Tür zuschmettert. Wie der dann zu dem
Überlebenden läuft und merkt, dass der Fremde noch atmet. Wie er panisch nach etwas
zum Fesseln sucht, aber nichts findet. Wie der Fremde wieder aufwacht und nach seiner
Schrotflinte greift. Wie Cyfox schnell abdrückt, allerdings keine Kugeln mehr
im Magazin hat. Wie er dann um den am Boden Liegenden herumtanzt, zum Speer
greift und ihm dann den Rest gibt. Trauer durchfließt mich, kein Stolz. Auch
Cyfox nicht, aber es war das Einzige, was er tun konnte. Immerhin haben die
beiden aller Wahrscheinlichkeit Clas angegriffen. Charly feiert den Erfolg,
aber erleichtert sind wir noch nicht. Beunruhigend ist, dass auch dieser Fremde
keine M4 bei sich hatte, also müssen es mindestens drei gewesen sein. Cyfox
sichert alles, was zu sichern ist. Um mich rum wird alles Schwarz.
Ich wache auf in der Nähe von Solnichniy. Ist das ein Traum?
Ich prüfe das Lager und durchstreife die Krankenstation. Ein toter Zombie. Hier
muss jemand vor Kurzem gewesen sein. Vorsichtig gehe ich zum Brunnen. Wenn das
hier ein Traum ist, dann müsste ich doch aufwachen, wenn die Zombies mich
erledigen, oder? Ich gehe auf die Straße und lasse auf mich einprügeln, ohne
mich zur Wehr zu setzen. Na los, ihr Bestien! Zeigt, was ihr drauf habt. Die
Schläge fühlen sich verdammt realistisch an. Aber ich bleibe gefasst stehen, plötzlich
kommt ein Überlebender in einer gelben Daunenjacke vorbei und schlägt auf den Zombie
ein. Der möchte mir helfen! Wie süß… ich beschließe, doch noch nicht aufwachen
zu wollen und klammere mich mit aller Kraft an dieses seltsame Leben. Ich
bedanke mich bei dem Fremden. Er stellt sich als Shizo vor und er war sogar auf
der Suche nach mir. Naja… was heißt „nach mir“. Er wollte das
Bambi-Auffanglager bei uns besuchen und hatte gehofft, dort jemandem zu
begegnen. Wie eigenartig, dass wir uns nun ausgerechnet hier über den Weg
laufen. Ich zeige ihm das Camp in Solnichniy und biete ihm ein paar Dinge an. Ja,
dieses Camp lohnt sich definitiv. Hier sollten wir mehr Zeit investieren. Nach
einem kurzen Gespräch verabschieden wir uns und ich beschließe, mich allein
zurück auf den Weg nach Prigorodki zu machen.
Am Camp passen unterdessen Wolfgang, Charly, Jammet und
Clas auf alles auf. Die Fremden wurden gelootet und im Rohbau hat Charly noch
den Schweinehund erwischt, der mit seiner M4 voll auf uns draufgehalten hatte.
Ende gut, alles gut? Wer weiß. Diese drei gehörten jedenfalls nicht zu dem
Sniper und auch nicht zu der Gruppe, die täglich unser Camp zerlegt. Eine neue
Bedrohung schleicht sich an uns heran. Als hätten wir nicht schon genug zu tun…
Völlig erschöpft und entkräftet komme ich am Abend dann
am Lager an, nehme mir meine Sachen, inklusive dem noch immer makellosen blauen
Helm (das grenzt wirklich an einem Wunder) und lege mich erschöpft nach einem
reichhaltigen Abendessen ins Bett.