• Der Weg zum Camp ist gesäumt von Papier.
    Kein Müll - Akten.

    Sie liegen dort, als hätte sie jemand im Gehen verloren,
    oder absichtlich fallengelassen.

    Einige Blätter sind sauber,
    andere zerknittert, mit feuchten Rändern,
    beschrieben in der Handschrift von Ärzten, Wärtern, Psychologen.
    Jede Seite trägt dasselbe Kürzel.
    Dasselbe Geburtsdatum.
    Denselben Namen.

    Ein Mann, über den zu viel geschrieben wurde.
    Und der irgendwann aufgehört hat zu sprechen.

    Die Akten erzählen von Tagen,
    an denen er keine Antworten mehr gab.
    Von Nächten, in denen er mit der Wand sprach.
    Von langen Minuten, in denen er nur gezählt hat.
    Wände. Schrauben. Atemzüge.
    Von Versuchen, ihn zu brechen.
    Und davon, dass es irgendwann gelang.

    Zwei Tage zuvor hatte man über Funk gesprochen.
    Von einem Schützen in Elektro.
    Von zwei Toten.
    Kein Streit, kein Raub.
    Nur zwei Schüsse, sauber gesetzt.
    Eine trug eine Kapuze –
    jene, die sonst ein anderer trägt.
    Ein Irrtum, den niemand zurücknehmen kann.

    Seitdem – kein Wort über Funk.
    Nur Stille.
    Und jetzt diese Blätter.

    Vielleicht hat er sie verloren.
    Vielleicht hat er sie geworfen.
    Vielleicht wollte er, dass sie jemand liest,
    weil sie das tragen, was er selbst nicht sagen kann.

    Am Schwarzen Brett, hängt das Deckblatt der Akten.
    „Patient 5-3-8-15 – Subjektbeobachtung / Verhalten im Langzeitisolat.“
    Daneben, halb im Dreck: ein Helm.
    Schweißerschutz, gesprungen.
    Außen Blut und Erde.

    Manchmal flattert durch den Wind eine der vielen Seiten auf,
    zeigt ein Stück Text,
    bevor sie sich wieder schließt:

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    Tag 14:
    Subjekt reagiert nicht auf verbale Ansprache.
    Puls stabil, Blickrichtung konstant zur Wand.
    Testperson murmelt Zahlenreihen.

    Tag 39:
    Kognitive Tests abgebrochen.
    Subjekt verweigert zudem Nahrungsaufnahme.
    Reagiert mit nervösem Zucken in unregelmäßigen Abständen.

    Tag 112:
    Keine klare Emotionen.
    Lacht bei Schmerzreizen.

    Tag 178:
    Richtet Waffe auf Wärter hinter Sicherheitsglas.
    Erste Exekution folgt.
    Verweigert Nahrungsaufnahme.

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    Darunter:
    eine Linie aus Blut,
    quer über die gesetzten Unterschriften gezogen.
    Noch feucht.

    Vielleicht hat er sie getragen,
    vielleicht geworfen.
    Vielleicht warf er damit auch ein Stück von sich selbst ab.

    Der Wind hebt die Ecken der Akten,
    zupft an den Nägeln.
    Und wer vorbeigeht,
    kann das Rascheln hören –
    wie eine Stimme,
    die nie wieder sprechen wollte.