"Verliere dich nicht in Dunkelheit"

  • Tagebucheintrag 21.06.2025 – Der Traum

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    Ich habe heute Nacht kaum geschlafen. Irgendwas lag in der Luft – so ein flimmerndes Ziehen zwischen den Gedanken.

    Vielleicht war es der Wind. Vielleicht die Dunkelheit.

    Oder einfach… ich.


    Ich erinnere mich nur bruchstückhaft.

    Ich träume wohl und ich war irgendwo draußen, allein.

    Chernogorsk vielleicht, vielleicht auch Solnichniy oder Elektrozavodsk. Es spielte keine Rolle.

    Ich war nicht wirklich verloren, aber auch nicht sicher.

    Ich hatte nichts bei mir – keinen Schutz, keine Gegenstände, nicht einmal Worte auf der Zunge.

    Nur mich.

    Wie eine Wahrheit, die zu zerbrechlich ist, um gehört zu werden.

    Aber zu stark, um zu verschwinden.


    Dann sah er mich. Ein Fremder mit Waffe in der Hand. Sein durchdringender Blick musterte mich und ich hatte nichts, um mich zu schützen.

    Ich suchte Deckung hinter einer Zapfsäule. Metallisch, kalt aber zweckmäßig.

    Ich versuchte, kleiner zu sein, als ich war. Hoffe, dass ich irgendwie unsichtbar werden würde.

    Aber ich wusste, er hatte mich gesehen.

    Er kam näher.

    Langsam.

    Nicht suchend – sondern abwägend.

    Mit einem Blick, der nicht fragt, sondern still kalkuliert. Ich fühlte, was ihn ihm vorging und spürte gleichzeitig, wie mein Herz zu rasen anfing.


    Und dennoch – ich stand auf und blickte ihn über die Zapfsäule hinweg an.

    Ich sah ihn an. Ich las seine Gedanken und spürte, wie er meine Verletzlichkeit wahrnahm.

    Da sagte ich ruhig, klar aber bestimmt: „Wenn du das tust, war es das für dich. Es gibt Regeln hier.“

    Er hielt inne.

    Ein Moment, der ewig schien.

    Dann drehte er sich um und ging.


    Ich wachte auf mit einem Gefühl, das schwer zu fassen war.

    Ich hatte Angst gehabt.

    Ich schämte mich noch immer. Nur für was?

    Nicht vor ihm.

    Vor der Ohnmacht.

    Vor der Erinnerung.

    Aber auch… nicht nur.

    Denn da war etwas, das blieb.

    Ein Rest von Stimme.

    Ein Aufrichten gegen das, was kommen könnte.

    Die Scham war da, ja. Und die Angst.

    Ich wusste, woher der Traum gekommen war.

    Aber sie haben mich nicht zerstört.

    Nicht gelähmt.

    Meine innere Stimme kämpfte darum, zurück ans Steuer zu kommen.

    Sie suchte Schutz – in einer Umgebung, die selbst gefährlich ist.


    Und vielleicht zeigt genau das, wie dringend ich Rückhalt brauche.

    Selbst – oder gerade – unter schlechten Bedingungen.

    Besonders dann, wenn du nichts bei dir hast.

    Nicht einmal dich selbst ganz.


    Ich wusste in diesem Moment nicht, ob mein Gegenüber die Grenze akzeptieren würde.

    Aber ich war bereit, sie zu ziehen.

    Bereit, zu kämpfen.

    Selbst mit leeren Händen.


    Man sagt, in Träumen zeigt sich, was wir noch nicht aussprechen können.

    Vielleicht war das ein Echo. Etwas, das sich Bahn brechen wollte.


    Eines weiß ich:

    Ich hab nicht geschrien, aber ich habe gesprochen. Klar, bestimmt.

    Und manchmal… ist das schon alles, was man braucht, um seine Würde zu wahren.

  • 📓 Szenenfragment zum 25.06.2025 – Suedas Stimme

    Custos in ore flammae – Wächterin am Rand der Flamme


    Ich sitze am Feuer, aber ich wärme mich nicht. Die Flammen sind da – ich habe sie selbst entzündet. Und doch ist da diese Kälte in mir, die nicht weichen will. Silas ist irgendwo in der Nähe.

    Ich sehe ihn nicht, aber ich weiß, dass er da ist.


    Ich denke wieder an die Nacht in Prigorodki. An den Regen. An die Kälte. An das Blut. An den Moment, in dem sie WhiskeyMixer erschossen. An den Moment, in dem ich im Matsch lag – gefesselt, mit dem Knebel im Mund, der Lauf der Waffe auf meiner Brust. Ich konnte nicht einmal mehr „nein“ sagen. Manchmal spüre ich noch immer das Klebeband an meinen Handgelenken, obwohl es längst weg ist.


    Und dann diese kleinen „Versehen“, die immer wieder passieren. Sie lachen. Sie zucken mit den Schultern. Als wäre das eben so. Als wäre das alles nicht so schlimm. Aber für mich war es meine Grenze.

    Ich merke, wie das Wort „Vertrauen“ leiser wird. Wie Menschen im einen Moment gemeinsam am Brunnen trinken – und im nächsten draußen Bambis erschießen. Oder Freunde.

    Außerhalb der Mauern gelten keine Regeln. Und innen... auch immer weniger.


    Jeden Tag steht eines unserer Camps unter Beschuss.

    Jeden Tag taucht etwas auf, das nicht dorthin gehört – Menschenfleisch, Waffen, Zeichen.

    Jeden Tag zähle ich die Schüsse und hoffe, dass die Aggressoren weiterziehen.

    Jeden Tag erkläre ich, dass wir Samariter sind – keine Feinde, keine Soldaten

    – und jeden Tag glaube ich es ein Stückchen weniger.


    Ich traue meinen eigenen Gedanken nicht mehr. Und genau in dem Moment setzt sich Sueda ( Ersetzbares Crewmitglied Nr. 371) zu mir. Sie sagt nichts. Noch nicht. Nur dieses leise, kontrollierte Atmen neben mir. Ruhig. Nicht vorwurfsvoll. Sie kennt mich und weiß, dass ich kämpfe.

    Du schläfst kaum noch“, sagt sie trocken, wie jemand, der es nicht zum ersten Mal erwähnt. Ich starre weiter ins Feuer. „Und wenn? Wach sein ist sicherer.

    Du bist nicht wach, du bist wachsam. Da ist ein Unterschied.“ Ihre Stimme ist leise, aber sie trifft. Ich sage nichts. Aber sie hat recht. Ich sehe überall Zeichen. Ein falscher Blick, ein fehlendes Wort – und es brennt sich in mich wie glühende Kohle.

    Ich hab das Gefühl, mir entgleitet alles. Das, was ich aufbaue, sind Sandburgen. Und die Flut heißt Misstrauen.“ Sueda lässt sich neben mich sinken, streckt die Beine aus. „Ich weiß“, sagt sie. U

    „Ich hab immer gedacht, wenn wir nur lange genug geben, kommt irgendwann etwas zurück. Aber vielleicht ist das Geben inzwischen nur noch ein Loch, durch das du selbst verschwindest.“ Sie schaut mich an – nicht mit Mitleid, sondern mit dieser Mischung aus Trotz und Erfahrung, die sie selten offen zeigt.

    Dann: „Du hast mir mal gesagt, dass Hoffnung wie ein Muskel ist. Dass man sie trainieren muss. Und dass Misstrauen alles frisst – erst Vertrauen, dann Herz.“ Ich nicke kaum sichtbar.

    Verdammt.

    Ich habe das wirklich mal gesagt.

    Dann trainier wieder. Oder lass dir helfen. Aber geh nicht unter, Herz.


    Ich spüre diesen Druck in meiner Brust, für den ich keinen Namen finde. Vielleicht Scham. Vielleicht Ernüchterung. „Ich hab das Gefühl, ich bin das Haus. Und es bröckelt.

    – „Dann fang bei den Fundamenten an. Und hör endlich auf, jeden Helfer für den Abrisstrupp zu halten.“

    Sie seufzt. „Herz, wir sind deine Leute. Nicht deine Feinde. Du kannst nicht alles alleine tragen. Und du musst auch nicht alles in dich reinfressen.“ Ich will etwas erwidern, aber meine Stimme versagt. Also schweigen wir. Nur das Knistern der Flammen zwischen uns.

    Irgendwann sage ich leise: „Ich hab mit Vittorio/Heleranos geschrieben. Dem Nebelmann, wie du ihn nennst.“ – „Der mit der poetischen Grabinschrift?“ – „Genau der. Er liest die Berichte. Er weiß, was war. Und er hat geschrieben: Noli in tenebris perire. 'Verliere dich nicht in der Dunkelheit.'“

    Sueda lehnt sich zurück. „Latein und Lagerfeuerphilosophie. Fehlt nur noch, dass er mich Custos in ore flammae nennt.“ – Ich muss lächeln. „Tut er nicht. Er assoziiert dich mit einer BLAZE. Er hält nicht viel von Namen. Aber er weiß, was du bist.

    Sie sagt nichts, aber da ist ein winziger Moment in ihrem Gesicht – kein Stolz, keine Rührung. Etwas Tieferes. Vielleicht Anerkennung.

    Hat er dir auch geraten, ’ne Waffe zu tragen?“ – Ich nicke. „Ich trag sie längst. Die Blaze von dir. Die DMR von Rob. Nicht, um zu töten. Sondern weil ich weiß, dass man Grenzen verteidigen muss. Aber was er eigentlich meinte, war: Erkenne den Moment, in dem du sie brauchst.

    Sie schaut zur Blaze an meiner Schulter. „Na wenigstens hab ich dir was Vernünftiges dagelassen.“ Sie kneift die Augen zusammen. Ich lache leise.


    Dann atme ich durch. „Was meinst du… Fin in domo tua?“ – „Was denn? Wieder der Glückskeks-Spruch?“ – „Vielleicht. Aber was, wenn das Ende wirklich in meinem Haus ist? Wenn es Silas ist?“ – „Der schon wieder?

    Ich nicke. „Der Satz geht mir nicht aus dem Kopf. Wie eine Schlinge im Nacken. Ich höre ihn jedes Mal, wenn ich Silas... sehe.“

    Er sagt nichts.“ – „Genau das macht’s schlimmer. Wenn jemand nichts sagt, kann er alles gemeint haben.“ Ich wende den Blick nicht ab. „Was, wenn es wirklich eine Drohung war? Oder ein Urteil? Was, wenn das Ende wirklich bei mir ist, Sueda?

    Ich kenn dich“, sagt sie ruhig. „Und ich seh, wie du zerbrichst an diesem Satz.

    Ich will etwas sagen, aber sie hebt die Hand. „Nein. Hör zu.“ Dann lehnt sie sich vor, ihre Stimme leise, aber fest: „Du bist Herz. Aber das da – dieser Satz, dieser Schatten, dieses ewige Kreisen – das bist nicht du. Das ist der Riss.

    Ich schlucke. „Was, wenn ich dieses Symbol geworden bin – für Hoffnung – aber innen ist da nichts mehr?“ – „Dann wird der Riss zum Ende. Nicht der Pfeil. Nicht der Feind. Sondern du. Wenn du aufhörst, das zu sein, was du bist.

    Ich sehe ins Feuer. „Ich weiß nicht mehr, ob ich helfen will. Oder ob ich es nur tue, weil ich nichts anderes kann.“ – „Vielleicht musst du nicht helfen. Vielleicht musst du einfach nur nicht aufhören. Nicht aufhören zu fragen. Nicht aufhören zu zweifeln. Nicht aufhören da zu sein – selbst mit Riss.

    Ich schließe die Augen. Der Nebel hüllt mich ein. Aber ihre Stimme bleibt.

    Ich zögere. Dann: „Was, wenn er tatsächlich mich meint? Wenn ich das Ende bin – das in mein eigenes Haus eingezogen ist?“ – Sueda zieht die Beine an, seufzt. „Vielleicht ist das Ende gar keine Person. Kein Schuss. Kein Dolch. Sondern ein Riss. Ein Riss in dir – zwischen dem, wofür du stehst, und dem, was du gerade fühlst.“


    Ich sehe sie an. „Und wenn ich irgendwann nicht mehr stehe?“ – Sie legt mir die Hand auf den Rücken. Schwer. Warm. Echt. „Dann sitzt du halt. Und ich halte neben dir Wache. Deal?“ – Ich lächle müde. „Deal.


    ✍️ Vielleicht war das die Antwort.

    Nicht nur aus Silas’ Mund. Nicht nur aus Vittorios Versen. Sondern aus Suedas Blick.


    Es ist, wie Vittorio/Heleranos schrieb:

    Zitat


    „Vertrauen aufzubauen ist schwer. Vertrauen zu verlieren geschieht schnell.

    Die Dunkelheit findet immer neue Wege, um zu siegen.
    Schwäche kann in Feuer verwandelt werden. Und Feuer ist Kraft…

    Um das zu erreichen, braucht es Willen.

    Dieses Feuer wird dich stärken. Es wird dir Hilfe bringen."

    Er meinte, dass selbst eine verletzte Kerze noch leuchtet.

    Aber: Das Licht einer verletzten Kerze färbt das Wachs dunkler.

    Vielleicht stimmt das. Vielleicht bin ich nicht weniger Licht –

    aber innen brennt es rußiger als früher.


    Vielleicht bin ich diese Kerze: angeschlagen, flackernd – aber nicht erloschen.

    Und vielleicht reicht genau dieses Flackern, um die Dunkelheit daran zu erinnern, dass ich noch da bin.


    Das Ende kommt nicht, wenn jemand auf mich schießt –

    sondern wenn ich falle. Innerlich.

    Und vielleicht ist es nicht zu spät, diesen Riss zu flicken.

    Nicht mit Draht.

    Nicht mit Gewalt.

    Sondern mit Erinnerung daran, dass ich mehr bin als meine Zweifel.

    Mit dem guten Rat meiner Freunde.

    Mit jeder helfenden Hand.

    Und mit jedem lachenden Gesicht, das das Camp verlässt –

    weil wir doch noch Herz zeigen konnten.

    Trotz allem.

  • E nebula verba mea ad te loquor. Perveniunt ad te. Tangunt te.

    Te cogitare faciunt. Sed non dolent. Verba mea auxilium sunt.

    Pergam legere. Pergam observare. Ibi ero. Non solus es.


    Sollte es soweit kommen, die Dunkelheit übermannt dich, güldenes Herz, ruf in den Nebel. Ich bin bereit. Non permittam ut tenebrae cor tuum obscurent!

    "Mit kleinen Kräften lassen sich große Ergebnisse erzielen."


    Sun Tzu