Beiträge von E.C.H.O.

    Teil X - Der Riss in der Stille


    Beton. Eisen. Atem, der an der Zellenwand zurückprallt.
    Nichts bewegt sich. Selbst die Schatten wirken müde.

    Ein Tropfen fällt. Irgendwo.
    Die Luft schmeckt nach Rost und Desinfektion – sauber, aber tot.

    Er sitzt. Hände auf den Knien, leer.
    Nicht gefesselt, aber gefangen in Etwas, das größer zu sein scheint, als alles Andere.
    Freiheit ist ein Geräusch, das er nicht mehr erkennt.

    Dann: ein Knall.
    Kurz, fremd, wie ein Herzschlag, der nicht seiner ist.
    Ein Alarm verstummt, bevor er richtig beginnt.
    Schritte. Stimmen. Chaos, das er nicht versteht.

    Die Tür steht offen.
    Ein Spalt, kaum sichtbar.
    Ein Luftzug schiebt den Staub hinein, trägt den Geruch von Erde, von Leben.

    Er sieht sie lange an.
    Zu lange.
    Die Finger zucken, aber die Beine bleiben still.
    Die Kälte der Zelle hält ihn fester als jede Fessel.

    Schließlich steht er doch auf.
    Tritt näher.
    Die Hand berührt das Metall, kalt und feucht.
    Draußen: Geräusche, Wellen, Wind, etwas, das ruft.

    Er zieht die Tür langsam auf.
    Nur einen Spalt weit genug, um zu sehen.
    Flackerndes Licht, ein leerer Gang, Blut an der Wand.
    Niemand da.

    Sein Atem stockt.
    Für einen Moment denkt er, das sei Freiheit.
    Dann begreift er, dass sie ihn nicht will.
    Nicht mehr.

    Er schließt die Tür wieder.
    Langsam, leise, bis das Schloss einrastet.
    Setzt sich zurück.
    Legt die Hände auf die Knie.
    Wartet, bis das Licht wieder flackert und alles so aussieht wie vorher.

    Nur der Wind bleibt.
    Ein Hauch durch die Ritzen, wie ein Versprechen, das er nicht glaubt.

    Flackerndes Licht aus dem Kochhaus, dumpfes Knistern von Glut, und der schwere Geruch von Asche,
    durchzogen vom süßlichen Ton gekochten Fleisches. Manche nennen es Wärme, andere nennen es Heimat.

    Ein Mann mit Schweißhelm tritt aus der Dunkelheit.
    Ein Schatten, der sich nicht erklären muss.
    Seine Hände sind verschmiert, noch feucht vom Blut, das nicht seines ist. Es glänzt zwischen den
    Fingern, sickert langsam in die Linien seiner Haut, als würde es sich dort einnisten wollen.

    Vor ihm: ein Schwarzes Brett.
    Schief gezimmert, mit Nägeln, die schon beim Hämmern drohten, wieder herauszufallen.
    Es steht neben dem Camp wie ein Wächter aus Holz, unfähig zu handeln, aber geschaffen, um Blicke zu fangen.

    Er legt das Papier an. Schwer, zerknittert, beschwert vom Gewicht dessen, was darauf steht.
    Dann drei Schläge. Hart, trocken, endgültig. Jeder Schlag zerreißt die Nacht, lässt ein leises Vibrieren durch die Bretter laufen.

    Das Blatt flattert im Wind, doch es hält.
    Akte 007
    Seine Finger haben rote Linien darüber gezogen, ungewollt, ein zufälliges Siegel. Frisch, nicht geronnen, und doch fester als jede Tinte.

    An seiner Waffe: fünf Kerben, tief ins Holz gefressen. Eine sechste, zart vorgemerkt, wartet.
    Er fährt mit dem Daumen darüber, prüft, ob sie schon verdient wäre. Noch nicht. Bald.

    Dann geht er.
    Kein Gruß, kein Laut, nur Schritte, die schwer genug sind, im nassen Boden Spuren zu hinterlassen.
    Am Sarka angekommen – dem gelben, der so fehl am Platz wirkt auf diesen Straßen – wirft er die Tür ins Schloss. Der Motor hustet, brummt, röchelt, bis er sich findet.

    Er fährt.
    Das Licht der Scheinwerfer frisst sich durch Schlamm und Nebel, zieht eine Linie hinaus in die Nacht.

    Die Basis, schwach gesichert, empfängt ihn ohne Widerstand. Er steigt über den Zaun - baut diesen ab. Er rollt den Wagen zurück, stellt ihn hinein, als gehöre er nie jemand anderem.
    Dann schließt er die Tore. Sauber. Endgültig.

    Was bleibt:
    Das Blatt am Schwarzen Brett, rot gezeichnet.
    Das Wispern von Fleisch und Feuer aus dem Kochhaus.
    Und der Wind, der die Kanten des Papiers zittern lässt – als wollten sie den nächsten Namen schon vorwegnehmen.

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    Teil IX – Der Verrat

    Kälte.

    Die Zelle atmet mit. Stein zieht jede Wärme aus den Knochen.

    Er liegt, halb wach, halb gefangen in den Bildern, die immer wiederkehren.

    Feuer, Brot, ein Lachen, das vertraut klingt.

    Ein Versprechen. „Bei mir bist du sicher.“

    Doch Sicherheit ist ein Wort, das in dieser Welt nur noch auf Messern liegt.

    Die Bilder kippen.

    Das Feuer erlischt. Der Freund bleibt – aber das Lachen wird dünner, gezwungener.

    Augen, die nie ganz in die seinen sehen.

    Dann der Tag.

    Tore, die sich öffnen. Männer mit Klemmbrettern, Masken ohne Namen.

    Der Freund führt ihn hinein.

    Eine Hand auf der Schulter, so wie früher, nur schwerer, fester, fast wie ein Griff.

    Der Hund zieht an der Leine, bellt, springt.

    „Er darf nicht mit“, sagt jemand.

    Protest, ein Blick nach hinten – da reißt ein Wächter die Waffe hoch.

    Ein Knall. Ein Jaulen, scharf und kurz.

    Stille.

    Das Versprechen bricht im gleichen Moment wie der Nacken des Tieres.

    Hände zerren ihn weiter.

    Die Tür fällt ins Schloss. Metall, das jede Hoffnung verschluckt.

    Von der Zelle aus, jetzt, Jahre später, sieht er noch einmal den Rücken seines Freundes.

    Wie er nicht zurückschaut.

    Wie er geht.

    Und er versteht.

    Es ging nie um ihn. Es ging darum, jemanden zu bringen, um selbst verschont zu werden.

    Nicht aus Hass. Nicht aus Pflicht.

    Aus Angst.

    Er lacht. Ein Laut aus Verzweiflung.

    Lachen, das gegen die Zellenwände stößt.

    Das Gesicht seines Freundes verschwimmt im Dunkel.

    Es bleibt nur das Bild eines leeren Halsbandes, das niemals zurückgebracht wurde.

    Teil VIII – Das Versprechen

    Regen.

    Fein, kalt, fast unsichtbar.

    Er rinnt über die Gesichter, klebt an den Haaren,

    sammelt sich in den Nähten der Kleidung.

    Die beiden Männer gehen Seite an Seite.

    Der Hund voraus, springt zwischen Pfützen, bleibt immer wieder stehen,

    um sicherzugehen, dass sie folgen.

    Sein Schwanz wippt wie ein Metronom.

    „Wir sind bald da.“

    Die Stimme des Freundes klingt fest.

    Zu fest.

    Wie eine Überzeugung, die mehr für ihn selbst bestimmt ist als für den, der zuhört.

    „Und dann?“

    Die Frage kommt leise. Nicht misstrauisch, nur vorsichtig.

    Der Mann mit dem Lächeln schaut hinüber, sucht in den Augen des Freundes eine Antwort, die mehr wie Zukunft klingt.

    „Dann… haben wir Ruhe. Ein Dach. Sicherheit. Vielleicht sogar mehr.“

    Das Wort mehr hängt einen Moment in der Luft.

    Mehr als was? Mehr als Hunger, mehr als Nächte, die von Schüssen zerrissen werden?

    Oder mehr als nur Überleben?

    Sie erreichen eine Anhöhe.

    Unten im Tal: ein Bauwerk aus grauem Beton.

    Hoch, fensterlos, fast verschluckt vom Nebel.

    Es wirkt leblos. Aber nicht verlassen.

    Der Hund knurrt.

    Kurz, tief, wie ein leiser Warnruf.

    Der Freund geht in die Hocke, legt ihm die Hand auf den Nacken.

    „Schon gut. Alles in Ordnung.“

    Doch die Spannung in seiner Stimme verrät etwas anderes.

    Der Mann mit dem Lächeln bleibt stehen.

    Blickt auf das Gebäude, das eher wie ein Käfig als wie ein Zufluchtsort wirkt.

    „Das soll es sein? Dort drin?“

    Ein Nicken.

    „Nur für eine Weile. Sie brauchen Männer wie uns. Und wenn wir ihnen helfen, helfen sie uns. So läuft das.“

    Die Worte klingen geübt, vorbereitet.

    Ein Versprechen, das schon oft wiederholt wurde.

    Doch es trägt Gewicht – das Gewicht von Vertrauen.

    Der Mann mit dem Lächeln legt die Hand auf die Schulter des Freundes.

    Der Hund bellt einmal, laut, bricht den Moment.

    Dann laufen sie weiter, in Richtung Beton und Nebel.

    Später, in der Zelle, wird er diese Szene wieder sehen.

    Nicht mehr mit Brot und Feuer – sondern mit Mauern und Versprechen.

    Und das Echo davon wird lauter sein als jeder Schuss.

    Teil VII – Der Freund

    Ein Feuer.

    Nicht groß, nicht hell, nur ein kümmerlicher Kreis aus Glut inmitten von Wind und Regen.

    Doch in der Dunkelheit wirkt es wie eine Sonne.

    Zwei Männer sitzen davor.

    Müde Gesichter, Ränder von Dreck, Hände, die mehr Narben als Haut tragen.

    Aber sie lachen. Kein lautes Lachen – eher ein Aufbrechen, ein kurzes Aufatmen,

    als hätte das Elend für einen Moment keine Macht.

    Der eine von ihnen: ein Mann mit einem Lächeln, das trotz allem noch warm wirkt.

    Nicht scharf, nicht kalt, sondern ehrlich.

    Ein Lächeln, das der Kälte für einen Atemzug trotzt.

    Neben ihnen liegt der Hund.

    Ein Mischling, zottelig, dünn. Sein Atem dampft in der kalten Luft.

    Er rückt näher, wenn der Wind zu stark wird. Drückt seinen Kopf gegen den Mann mit dem Lächeln,

    so wie er es immer tat, wenn er spürte, dass Stille zu schwer wurde.

    Das Fell riecht nach Erde und Rauch.

    Das beruhigt.

    Der Freund bricht ein Stück Brot in zwei Teile.

    „Hier. Nimm.“

    Die Kruste ist hart, fast steinig, aber es ist Brot. Ein Luxus.

    Wasser folgt – abgestanden, metallisch – aber geteilt wie Wein unter Brüdern.

    „Wir schaffen das. Zusammen.“

    Die Stimme des Freundes trägt Gewicht.

    Nicht das eines Befehls, sondern das einer Wahrheit.

    Und der Mann mit dem Lächeln glaubt ihm.

    Wie könnte er nicht?

    Er sieht das Feuer, den Hund, das Brot.

    Sie sind noch am Leben – und das reicht.

    Später, im Traum, wiederholt sich diese Szene.

    Immer wenn die Kälte der Zelle ihn verschlingen will, kommt sie zurück.

    Das Feuer.

    Der Hund, warm und atmend an seiner Seite.

    Und die Hand des Freundes auf seiner Schulter.

    „Wir schaffen das.“

    Noch ohne Bitterkeit.

    Noch voller Hoffnung.

    Teil VI – Das Trauma

    Ein Raum.

    Steril.

    Kacheln glänzen.

    Metallisch, kalt.

    Ein Lautsprecher knistert.

    Keine Stimme. Nur Zahlen.

    „19–21–2–10–5–11–20 … 5–3–8–15.“

    Wieder und wieder.

    Gleichförmig. Unerbittlich.

    Dann Nadeln.

    Elektroden erwachen.

    Der Schmerz bohrt sich tiefer, brennt in die Knochen.

    Der Körper schreit.

    Zahlen fluten seinen Kopf.

    Morsezeichen. Codes. Reihen, die sich drehen.

    Kein Halt in Sprache. Kein Halt im Gesicht derer, die ihn brechen.

    Nur die Ordnung der Zahlen.

    Für einen Moment – ein Fragment.

    Etwas Weiches.

    Fell. Warm.

    Doch es bleibt nicht.

    Verblasst.

    Wie ein Restbild, das zu lange auf einer Leinwand gebrannt war.

    Isolation.

    Zwang.

    Die Grenzen von Mensch und Werkzeug verschwimmen.

    Er stirbt nicht.

    Aber etwas anderes stirbt in ihm.

    Und was bleibt –

    ist keine Erinnerung mehr.

    Nur noch E.C.H.O.

    Teil V – Die Masken

    Licht flackert. Schatten tanzen.

    Gesichter verschwimmen, verlieren ihre Ränder.

    Mal Freund, mal Fremder. Mal Bruder, mal Feind.

    Die Stimmen, die früher nur rauschten, tragen jetzt Gesichter.

    Doch keines bleibt.

    Ein Mann tritt näher. Setzt ihm eine Maske auf.

    Ein anderer nimmt sie ab.

    Dann wieder dieselbe Bewegung.

    Auf, ab, auf, ab.

    Wie ein Ritual, kalt und mechanisch.

    Die Maske fühlt sich fremd an.

    Riecht nach Metall und Schweiß, nach all den Händen, die sie zuvor berührt haben.

    Und doch bleibt sie länger auf seinem Gesicht.

    Die Pausen werden kürzer, die Übergänge schneller.

    Bis er beginnt, sie selbst zu halten.

    Mit beiden Händen, fester, entschlossener.

    Kein Spiegel, keine Reflexion.

    Nur die Augenlöcher, schwarz wie Gräber.

    Er merkt: niemand fragt mehr, wer darunter ist.

    Niemand will das Gesicht sehen.

    Niemand erinnert.

    Und er versteht – hinter der Maske ist er sicher.

    Kein Mensch mehr, den man brechen kann.

    Kein Opfer, nur eine Stimme.

    Das Gesicht ist unwichtig geworden, die Maske spricht an seiner Stelle.

    Die Masken werden mehr.

    Eine für das Schweigen.

    Eine für das Urteil.

    Eine für die Exekution.

    Er wählt sie nicht – sie wählen ihn.

    Und irgendwann: kein Unterschied mehr.

    Nicht mehr abnehmen.

    Nicht mehr zeigen.

    Denn unter der Maske wartet nur ein Mensch.

    Und Menschen zerbrechen.

    Ein Echo nicht.

    OOC-Hinweis:

    Die nachfolgende Geschichte enthält sensible Themen wie psychische und körperliche Gewalt, Folter sowie traumatische Erfahrungen.
    Diese Inhalte dienen ausschließlich der Darstellung einer fiktiven Charakterentwicklung im Rahmen des Roleplays.
    Sie sollen nicht verharmlosen, verherrlichen oder reale Erfahrungen abbilden. Bitte bedenkt dies beim Lesen und achtet auf eure persönlichen Grenzen.

    Teil IV – Der Widerstand

    Flackerndes Neon.
    Kahle Wände, dahinter Glas.
    Schemen bewegen sich – Beobachter.
    Unantastbar.

    In seinen Händen eine Waffe.
    Schwer, kalt, der letzte Rest von Kontrolle.
    Die Mündung richtet sich gegen das Glas.
    Ein Schuss.
    Das Echo hallt in den Raum, Funken spritzen.
    Doch das Glas hält.
    Die Schatten dahinter bewegen sich nicht.

    Stattdessen – ein Zischen.
    Elektroden erwachen.
    Nadeln graben sich tiefer.
    Schmerz, elektrisch, gnadenlos.
    Sein Körper windet sich, doch er wird gehalten.

    Sie brechen ihn nicht mit Worten.
    Sie brechen ihn mit Werkzeugen.

    Dann stellen sie ihn vor eine Wahl.
    Ihn – oder den Mann, der weinend auf dem Boden sitzt.
    Verzweifelt. Zitternd.
    Die Augen voller Flehen.

    Aber die Akte liegt aufgeschlagen daneben.
    Klar, kalt, nüchtern.
    Daten, Beweise, Taten.
    Kein Zweifel.
    Keine Frage.
    Die Schuld ist echt.

    Keine Exekution erfolgt grundlos.
    Niemals.

    Die Waffe sinkt.
    Ein Moment der Stille.
    Dann fällt die Entscheidung.

    Das Glas bleibt ungebrochen.
    Doch ein anderer Mensch bricht in diesem Augenblick–
    und er versteht, dass es keinen Ausweg gibt.
    Nur das Urteil.
    Nur den Weg des Richters.

    Teil III – Das Protokoll

    Der Raum verändert sich.

    Nicht durch Möbel oder Licht, sondern durch Unordnung.

    Auf dem Tisch liegen die Blätter - verstreut. Sie sind beschriftet, nummeriert.

    Kästchen, Spalten, Zahlen.

    Ein Raster, das größer ist als der Raum selbst.

    Der Mann spricht nicht.

    Seine Stimme existiert nur auf Papier.

    Linien und Ziffern, die wie Adern über die Seiten kriechen.

    Ein Organismus aus Codes, dessen Herzschlag er allein versteht.

    Das Funkgerät rauscht weiter, unermüdlich.

    Die Stimmen sind nicht mehr fremd.

    Sie sind integriert.

    Fragmente werden zu Mustern, Muster zu Regeln.

    Jede Zahl bedeutet etwas.

    Jedes Wort ein Urteil.

    Er beginnt zu schreiben.

    Keine Namen, nur Bezeichnungen.

    Keine Geschichten, nur Verstöße.

    Kein Zweifel, nur Konsequenzen.

    Der Stift gleitet gleichmäßig.

    "Subjekt 4-1-2-9. Tatvorwurf: Luxuria. Urteil: SCHULDIG"

    Der Rhythmus des Schreibens ist der neue Pulsschlag.

    Die Blätter häufen sich, ein Turm aus stillen Urteilen.

    Und während draußen Wind gegen die Wände schlägt,

    entsteht im Inneren eine neue Welt.

    Eine Welt ohne Gnade, ohne Zwischentöne.

    Nur Schwarz.

    Nur Weiß.

    Nur Schuld.

    Nur Urteil.

    Das Protokoll wächst.

    Und der Mann verschwindet darin.

    Teil II – Die Stimmen

    Die Dunkelheit des Raumes ist schwer.

    Die Neonröhre hat aufgehört zu flackern, nun summt nur noch das Funkgerät.

    Ein gleichmäßiges, kaltes Rauschen.

    Dazwischen: Bruchstücke. Zahlen, Befehle, Fragmente.

    Der Mann schreibt.

    Die Tinte drückt tiefer, als das Papier tragen kann.

    Die Linien reißen.

    Schwarze Flecken breiten sich aus wie Risse in Glas.

    Manchmal wiederholt er die Sequenzen lautlos mit den Lippen.

    Manchmal drückt er die Zähne so fest aufeinander, dass die Muskeln an seinem Hals zittern.

    Die Stimmen im Funkgerät sind nicht mehr bloß Signale. Sie werden Gestalten, Gesichter, Schatten.

    Vor seinem Gesicht formen sie sich - Sie bellen ihn an.

    Er hebt den Kopf.

    Es durchbricht das Rauschen.

    Bellen?

    Klar, hell, lebendig.

    Seine Hand hält inne, der Stift fällt zu Boden.

    Die Erinnerung hält ihn.

    Ein Hund, der an seiner Seite lief, dessen Atem in der kalten Morgenluft sichtbar war.

    Ein Wesen ohne Lügen, ohne Urteil, ohne Schuld.

    Für einen Augenblick kehrt Ruhe zurück.

    Die Stimmen verstummen, als hätten sie Angst vor dem Echo dieser Erinnerung.

    Doch es hält nicht lange.

    Das Funkgerät knackt, neue Sequenzen schneiden in die Luft.

    Lauter, dringlicher, wie Befehle, die keine Widersprüche dulden.

    Der Mann greift den Stift, krallt ihn so fest, dass seine Knöchel weiß werden.

    Er schreibt, schreibt, schreibt.

    Das Bellen wird leiser.

    Die Stimmen bleiben.

    Und er – er schreibt.

    OOC:
    An alle Leser - es handelt sich bei dem Geschriebenen um die Geschichte meines Charakters E.C.H.O.
    Da alle Geschehnisse in der Vergangenheit liegen, macht es wenig Sinn in Charakter darauf einzugehen.
    Seid also bitte so lieb und haltet hier die Kommentarsektion frei. Vielen Dank für´s Lesen! ^^

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    Teil I – Die Ordnung

    Der Raum ist still.

    Nur das Knistern der Neonröhre an der Decke bricht das Schweigen.

    Ein Mann steht da, unbeweglich, wie aus Stein gegossen.

    Seine Stiefel glänzen, jeder Schnürsenkel sitzt in der exakten Symmetrie eines Kreuzes.

    Die Uniform faltenlos, der Kragen hart, der Blick starr.

    Er bewegt sich nicht willkürlich, niemals. Jeder Schritt, jede Geste, jeder Atemzug ist vorherbestimmt.

    Wie eine Maschine, die gelernt hat, menschliche Bewegungen nachzuahmen.

    Seine Hände sind nicht ruhig. Sie zittern nicht – aber sie suchen Halt. Immer wieder gleiten

    sie an den Nähten seiner Kleidung entlang, als prüfe er, ob die Ordnung noch da ist.

    Auf dem Tisch liegt Papier. Sauber gestapelt, Blatt auf Blatt, in perfekter Kante.

    Darauf Zahlen. Endlose Zahlen, in Spalten und Reihen.

    Geschrieben mit einem Druck, der die Linien tief in die Oberfläche frisst.

    Kein Spielraum für Fehler. Keine Unschärfe.

    Ein Knacken.

    Das Funkgerät erwacht. Rauschen, dann eine Sequenz.

    Seine Finger greifen mechanisch zum Stift. Er schreibt, notiert, korrigiert, streicht, wiederholt.

    Die Welt um ihn herum verschwimmt – nur der Code bleibt scharf.

    Doch manchmal, ganz selten, taucht ein anderes Bild auf.

    Ein leises Bellen, kaum hörbar, so fern wie eine Erinnerung, die fast nicht mehr glauben lässt, dass sie echt war.

    Fell, weich unter den Fingern. Ein Tier, das nicht urteilte, nicht fragte, nicht forderte.

    Ein Hund, dessen Augen so klar waren, dass sie die Ordnung bedeutungslos machten.

    Der Mann blinzelt, als wollte er die Erinnerung verjagen.

    Sein Blick fällt zurück auf die Zahlen, die ihn festhalten, wie Ketten aus Tinte.

    Die Neonröhre flackert. Der Schatten an der Wand wirkt länger, schmaler, verzerrt.

    Er richtet den Stuhl exakt im rechten Winkel zum Tisch aus.

    Er setzt sich.

    Er schreibt weiter.

    Das Bellen verstummt.

    Nur das Echo der Ordnung bleibt.

    Echo sitzt am Fenster.

    Neben ihm auf dem Tisch – die offene Fallakte 006. Ein Finger tippt langsam auf den Namen des Subjekts, als würde er die Silben zählen.

    Draußen, jenseits der Küstenstraße, bewegt sich eine kleine Gestalt. 400 Meter entfernt. Das Meer rauscht. Kein anderes Geräusch.

    Echo legt den Schweißhelm ab, das Visier klappt dumpf auf den Tisch. Die Hand gleitet ruhig zum Gewehr. Keine Hast. Kein Wort. Nur ein langer Atemzug.

    Ein Knall.

    Ein einziger Schuss durchschneidet die Stille.

    In der Ferne bricht der Körper zusammen.

    Echo senkt die Waffe, blickt wieder auf die Mappe. Er setzt ein Zeichen:

    Auftraggeber: E.C.H.O.

    Urteil: vollstreckt.

    Die Akte klappt zu.

    Die Stille bleibt.
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    Ein Mann mit Schweißhelm lehnt reglos an der feuchten Wand.

    Seine Finger kratzen mit stumpfer Spitze über brüchigen Putz.

    Ein Wort erscheint. Dann noch eines. Stück für Stück formt sich ein Satz.

    Das Kratzen hört auf, nur das Tropfen irgendwo im Raum hallt nach.

    Er legt das Werkzeug ab, nimmt das Funkgerät in die Hand.

    Ein Knacken, dumpf und unruhig wie ein Herzschlag im Äther.

    Dann: die Stimme der Zahlen.

    “10–21–4–7–5 … 2–5–1–18–19 … 18–5–19–16–15–14–19–9–2–9–12–9–20–25.

    3–1–14 … 25–15–21 … 2–5–1–18 … 9–20"

    Ein letztes Rauschen, bevor Stille den Raum zurückholt.

    Der Schweißhelm fällt scheppernd auf den Boden.

    Ein kurzer, scharfer Laut, der wie ein gebrochener Satz in der Stille hängen bleibt.

    Die Hände zittern, kratzen nach etwas, finden ein Stück Kohle, fast zerbröckelnd.

    Mit fahrigen Strichen fährt er über die rohe Wand. Schwarz. Immer wieder.

    Die Linien werden krummer, schneller, unlesbar, dann klar:

    16-5-15-16-12-5

    8-1-20-5

    20-8-5-9-18

    18-5-6-12-5-3-20-9-15-14

    Der Atem geht stoßweise, jeder Zug ein Knurren.

    Die Finger hinterlassen Flecken auf dem Stein, dunkle Schlieren, als wolle er die Worte eintreiben.

    Ein nervöses Lachen, kurz, wie ein Bellen, dann wieder Stille.

    Die Schweißmaske liegt daneben, starrt zurück mit glasiger Reflexion.

    Ein Augenblick – der Kopf senkt sich, die Maske wird aufgenommen.

    Langsam, zittrig, wird Sie über das Gesicht gezogen.

    Ein letztes Zucken der Hand.

    Die Akten liegen noch aufgeschlagen am Boden, als hätten sie das alles gesehen.

    Ein Schatten fällt darüber, dann Dunkelheit.

    Ein dumpfes Poltern hallt durch den Raum.

    Die eiserne Faust schlägt auf den Tisch, Papiere flattern wie verängstigte Vögel durch die Luft.

    Ein schwerer Atem, stoßweise, unruhig. Die Hände krallen sich in den Rand der Wanne, als wollte er den rostigen Stahl zerreißen.

    Sekundenlang erstarrt er, dann – eine ruckartige Bewegung.

    Die Schweißermaske wird vom Gesicht gerissen, schleudert im hohen Bogen in die Ecke. Dort bleibt sie liegen, hart auf dem Boden,

    als stumme Erinnerung an das alte Gesicht.

    Darunter: eine Maske aus Stoff, rosa, schamlos. Ein Schwein.

    Das Rauschen im Funkgerät verstummt, als hätte selbst der Äther innegehalten.

    Schritte, langsam, schwer.

    Er hebt ein einzelnes Blatt vom Boden auf – Akte 005. Seine Finger streifen über das verblichene Papier, die Kanten eingerissen, das Urteil klar vermerkt.

    Ein langer Blick.

    Kein Zögern, kein Bedauern – nur der Brand im Inneren, der sich nicht stillen lässt.

    Dann sinkt die Akte zurück auf den Schreibtisch.

    Stille. Nur das Pochen seiner Schläfen verrät, dass in ihm noch etwas lebt.

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    Ein Mann mit Schweißhelm lehnt an einer morschen Bretterwand.

    Vor ihm – eine Kiste, halb offen, darin Stofffetzen in grün, rot, blau, gelb. Armbinden, die wie häutige Schlangenreste wirken.

    Seine Finger gleiten darüber, heben ein Stück an, lassen es wieder fallen.

    Das Rascheln klingt wie Spott.

    Kein Wappen, keine Farbe, kein Zeichen hat hier Gewicht.

    Er zieht ein zerknittertes Blatt hervor, legt es über die Kiste, als wollte er sie versiegeln.

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    Ein Mann mit Schweißhelm steht in einem verlassenen Schulgebäude.

    Die Wände, übersät mit alten Parolen, bröckeln den Staub der Jahre herab.

    Sein Blick verharrt an einer Tafel – dort, wo früher Buchstaben standen, hat jemand rohe Striche eingeritzt. Ein Herz. Daneben ein Kreuz.

    Er legt die Hand an die kühle Oberfläche.

    Ein Atemzug beschlägt das Glas seines Visiers.

    Dann zieht er aus seiner Tasche einen zerknitterten Zettel hervor, hält ihn in das matte Licht der zerborstenen Fenster.

    Einige Worte, hastig gekritzelt, kaum lesbar.

    „Teilen schützt.“

    Seine Finger verharren einen Moment.

    Dann steckt er das Papier in eine der Ritzen zwischen den Tafeln, als würde es dort auf jemanden warten.

    Ein Knacken.

    Ein Laut aus dem oberen Stockwerk.

    Der Mann hebt den Kopf, greift nach dem Funkgerät.

    Kein Wort.

    Nur ein leises Knistern.

    Dann wendet er sich ab, die Schritte hallen durch den leeren Korridor, bis nichts mehr bleibt außer Staub und dem Echo.

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    Ein Mann mit Schweißhelm sitzt in seiner Wanne.

    Der Regen draußen prasselt unerbittlich gegen das Blechdach, rinnt in dünnen Strömen die Wände hinab.

    Der Raum atmet in feuchtem Rhythmus, tropft und rauscht wie eine fremde Lunge.

    Auf seinen Knien liegt ein zerlesenes Buch. „Fragmente über Schuld und Macht“ – in brüchigen Lettern auf dem Einband.

    Die Seiten riechen nach Schimmel und Rauch.

    Er schlägt auf, liest.

    „Der Mensch richtet, weil er schwach ist. Er nennt es Moral, doch in Wahrheit ist es nur Rache, gebändigt durch Worte.“

    Sein Helm neigt sich langsam. Ein Tropfen fällt durch das Dach, schlägt auf das Eisen der Wanne.

    Ein gleichmäßiger, kalter Takt.

    Er blättert weiter.

    „Wer Schuld benennt, erhebt sich selbst zum Maßstab. Doch jedes Maß ist nur der Schatten einer größeren Willkür.“

    Die Finger des Mannes verharren. Lange. Schließlich streicht er über die Kante der Seite, als prüfe er die Schärfe des Satzes.

    Dann: ein Schnauben. Kurz. Fast unhörbar.

    Draußen ein Donner, dumpf wie ein ferner Aufschlag.

    „Der Richter wird zum Schuldigen, wenn er zu lange hinsieht.“

    Das Buch klappt zu. Staub löst sich zwischen den Seiten, tanzt für einen Moment im matten Gaslampenlicht.

    Er legt es neben sich, greift nach dem Funkgerät.

    Ein Knacken.

    Ein Rauschen.

    Keine Stimme.

    Ein Mann mit Schweißhelm steht im Wald.

    Vor ihm: mehrere Kisten, mit Bedacht zwischen Bäumen abgestellt. Das Holz ist feucht, der Boden darunter bereits aufgewühlt.

    In seiner Hand liegt eine Akte, vergilbt, vom Wetter gezeichnet. Er blättert nicht – er schaut nur auf das Deckblatt, bevor er sie wieder in seine Jacke schiebt.

    Dann geht er in die Knie, packt die erste Kiste mit beiden Händen. Das Gewicht zieht an seinen Armen, er muss nachfassen, bevor er sich aufrichtet.

    Der Wald bleibt still, nur das Knirschen des Bodens unter seinen Stiefeln begleitet die ersten Schritte.


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    Ein Mann mit Schweißhelm sitzt in seiner Wanne.

    Die Hitze drückt, Schweiß läuft über seinen Nacken, doch er rührt sich nicht. Nur seine Füße tappen unruhig gegen den Metallboden.

    Neben ihm steht ein provisorischer Schreibtisch aus aufgestapelten Holzkisten. Darauf liegen unzählige Zettel – Kritzeleien, Notizen, Kartenfragmente. Ein chaotisches Archiv.

    Sein Blick wandert zur Uhr: 17:57.

    Langsam neigt er den Kopf zur Seite, hebt den Schweißhelm vom Gesicht. Schwer atmend greift er nach einem der Zettel, faltet ihn auf und liest. Lange. Sorgfältig.

    Ein tiefer Atemzug, ein kurzes Schnaufen. Dann wieder ein Blick auf die Uhr: 17:59.

    Mit angespannter Miene erhebt er sich aus der Wanne. Das Knarzen hallt im Raum wider, als er die Zettel sorgsam in seinen Rucksack verstaut.

    Dann greift er nach dem Feldfunkgerät, schnallt es sich um – ein leises Knacken aus dem Lautsprecher, wie ein fernes Raunen im Äther.

    Ohne ein weiteres Wort tritt er hinaus.

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