Ich bin in etwas hineingeraten, aus dem ich bisher nicht herausfinden konnte. Nina scheint wie ich, ein Teil des Puzzles zu sein... Ich hoffe, ich werde endgültig Freiheit erlangen und loskommen.
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13. November 2023, Lumbermill
Heute war ein nebliger und wolkenverhangener Tag im November 2023. Fast auf den Tag 12 Jahre nach dem ich seinen grausigen Brief empfing. Der Brief über die Morde an seiner Frau und seinen Kindern, um Verständnis und Vergebung bettelnd...
In Süd-Zagorien herrscht immer noch das Chaos. Verfeindete Gruppierungen kämpfen um die letzten verbliebenen Ressourcen. Ein gnadenloser Kampf, in dem die letzte Menschlichkeit die Menschen verlässt. Aber ist es vor der Apokalypse anders gewesen? Kriege prägen meine Erinnerungen. Die Erinnerungen daran sind so real. Ich fühle, als sei es immer so gewesen und als sollte es nie vergehen.
Er suchte mich in Lumbermill auf. Ich predigte im Stillen, nur noch für mich allein, ich betete, wie in Trance. Gläubige, oder überhaupt Menschen, kommen nicht mehr zu mir. Niemand glaubt mehr, niemand sucht Trost in den Worten des goldenen Gurkenschälers. Die Welt wird nicht besser, wie ich es immer noch hoffe. Ich bin niedergeschlagen und verzweifelt, als sein dunkler Schatten durch die große Holztür der Kirche kroch.
Er sprach mich an mit "Prediger, ich will beichten!" Keine Begrüßung, kein Gesichtsausdruck. Einfach ein fahles Gesicht mit leeren, eingefallenen und tiefen Augen. Ich erschrak, in mir wurde es kalt.
Er kam zur Beichte, in den Stuhl. Lautlos wie ein Geist. Sein Atem war nicht zu hören, obwohl eine Totenstille in der Kirche herrschte. Er redete ohne Ton, gleichatmig langsam. Er sprach in Bildern, beschrieb alles, was er erinnerte. Seine Beichte war echt. Ich bin davon überzeugt, dass er die Taten an seiner Familie mittlerweile bereute. Ich erkannte es nicht an seiner Stimme, sondern an seinen Worten und seiner Haltung. Er war ein gebrochener Mann, der über die Jahre Erkenntnis über seine großen Fehler erlangte.
Er drehte das Gespräch, nach seiner Beichte, sodass es um mich ging. Ich ließ mich darauf ein, so lange hatte ich mit niemandem gesprochen. Er stellte mir Fragen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass er die Antwort schon wusste. Er fragte, wie ich ihn vor 12 Jahren in der letzten Reihe der Kirche beim Beten wahrgenommen hatte. Er wusste, dass ich schon damals erkannt hatte, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Ich kannte alle Mitglieder der Gemeinde, auch ihn. Er war ein Kriegsveteran, gezeichnet und innerlich verbrannt.
Er fragte weiter, nicht vorwurfsvoll, sondern verständnisvoll, ob ich nicht helfen wollte oder konnte. Aus meinem Innersten stieg erneut das Schuldgefühl, was ich 12 Jahre unterdrückt hatte, empor. Ich fühlte mich schuldig, nicht erkannt zu haben, nicht geholfen zu haben. Hätte ich diese sinnlosen Tode verhindern können? Selbstzweifel, die ich 12 Jahre unterdrückte, übermannten mich. Ich versuchte, mich zu befreien, meine Gedanken zu reinigen. Ich schaffte es nicht. Ich war gefangen.
Zum ersten Mal dachte ich ein kurzes Zucken in Keysers Gesicht gesehen zu haben. Er fragte mich, ob ich mich schuldig fühlte. Ja, ich fühlte mich schuldig. Es war unerträglich. Ein durchdringender Schmerz. Warum machte er das mit mir? Wie konnte ich das zulassen? Ich hatte nicht gemordet, und doch fühlte ich mich so, als hätte ich es getan, nicht er...
Er sprach dann von einem Weg, bei dem ich ihm helfen solle, damit sich meine Schuld begleichen könne. Es könnte für uns beide ein Ausweg aus einer schweren Situation sein. Ich stimmte schweigend zu.
Er verließ die Kirche. So wie er gekommen war...
Aufzeichnung aus meinen Tagebuch, November 2023
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Der erste Teil dieses Auftrags ist erledigt, dem Gurkenschäler sei Dank. Endlich, nach so vielen Wochen und Monaten haben mich in den vergangenen Tagen verschiedene Menschen angeschrieben. Ich dachte, dass das nie eintreten würde, dass ich für immer mit diesem Gewicht der Schuld auf meinen Schultern leben müsste. Aber es scheint, dass der Goldene Gurkenschäler mir doch gnädig ist und mir meine Schuld abnehmen wird. Er wird mir verzeihen.
Es haben mich einige Überlebende angeschrieben. Valhallerie , Richie , Nasenbaer-Ali, Vittorio/Heleranos und Plueschkugel Vielleicht werden es auch noch mehr. Sie haben wohl eine Art Suche abgeschlossen. Alle haben mir den Schlüsselsatz und ein Zusatzwort mitgeteilt, die Keyser mir im Oktober genannt hat. Er muss das alles schon vorbereitet gehabt haben. Ich weiß nicht, worum es bei dieser Suche geht. Ich will es auch nicht wissen.
Mein letzter Teil des Auftrags ist es, den weiteren Weg einzuleiten und den Suchenden eine Wegbeschreibung zu schicken...
Dann bin ich endlich erlöst und kann dieses Thema von mir abstreifen. Ich hoffe, meine Schuld wird damit beglichen sein.