Testament des Vergangenen
Kapitel 6: Gebrochenes Echo in der Stille
„Je öfter man tötet, desto leiser wird die Stimme im Inneren, die fragt, ob man noch Mensch ist.“
Der Morgen war hell.
Die Sonne brach durch Wolken, als wolle sie uns belohnen.
Erleichterung lag in der Luft.
Wie lange hatten wir nun in dieser Hütte ausgeharrt?
Eine Woche vielleicht.
Genug.
Es war Zeit… weiterzugehen.
Draußen war es still.
Nur ein paar Ziegen streiften umher, verloren wie wir.
Seltsam, wie sie überlebt hatten…
in einer Welt, die kaum Raum für uns ließ.
Eine von ihnen stand reglos vor mir.
Kein Zucken, keine Furcht, nur ein leerer Blick,
als ich ihr die Kehle aufschnitt.
War es Gewöhnung?
War es Resignation?
Für sie – vielleicht Freiheit.
Für mich – nur Nahrung.
Und doch… als ihr Körper sank,
schlug das Bild wieder auf.
Sein Gesicht.
Die Augen.
Das Blut.
Aber es lag nicht mehr so schwer...
Nicht mehr wie damals.
Wir packten, was wir konnten, und zogen los.
Der Wald nahm uns wieder auf,
mit seinem Atem aus Laub, Nässe und Schweigen.
Sicherheit? Vielleicht.
Gefahren? Gewiss.
Pilze sprossen aus dem Boden, manche voller Gift.
Geschichten gab es genug.
Von Menschen, die sie aßen,
Im Glauben an Nahrung, und endeten im Wahnsinn.
Vom Guten zum Schlechtesten verzerrt…
Meine Gedanken liefen, während wir gingen.
Und dann sah ich ihn:
einen Turm, rostig, einsam,
ein Relikt.
Früher hatte er vielleicht Stimmen getragen, Musik,
nutzloses Rauschen für Autofahrten.
nicht das, was jetzt im Trend lag.
Wie von diesem Basst…
oder war es Lascht?
wie auch immer…
Jetzt stand er nur noch da,
wie ein Finger in den Himmel.
Ein Ziel. Ein Ausblick.
Der Vielredende kletterte hinauf.
Wir anderen verteilten uns, Augen im Dickicht.
Die Geräusche des Waldes waren lauter als Stille –
knarrende Äste,
Wind im Laub,
mein eigener Atem.
Dann Bewegung.
Zwischen Büschen –
ein Schütze.
Sein Lauf zeigte nach oben.
Ich hob meine Waffe.
Zwei Schüsse…
Metall kreischte, ein Aufschrei…
seine Kugel riss das Gitter unter dem Vielredenden.
Meine… traf ihn.
Sauber.
Kopf.
Stille – für den Bruchteil eines Moments.
Dann brach die Hölle los.
Kugelhagel aus allen Richtungen.
Wir hatten keine Wahl.
Ich versuchte Freund und Feind zu unterscheiden.
Zum Glück trugen wir Armbinden,
ein absurdes Pink, unauffällig wie ein Schrei.
Der Stille schoss präzise, wortlos.
Ich sah nichts, nur seine Richtung.
Also feuerte ich auch.
Etwas würde ich treffen.
Musste.
Schmerz.
Ein Stich in meiner Seite, brennend, reißend.
Ich stürzte.
Ein Körper über mir.
Braune Augen, langes Haar,
eine kleine Nase –
und ein Blick, bereit zu töten.
Das Messer blitzte.
Sie stach.
Neben mich.
Ich blockte, rang, hielt den Arm fest.
Instinkt.
Oder… fremde Hand, die mich führte?
Meine Finger griffen nach dem Messer an meinem Bein.
Jenem Messer…
Ein Ruck.
Ein Schnitt.
Ein Laut, halb erstickt, halb entflohen.
Ihre Kehle brach unter meiner Hand.
Blut ergoss sich über mich, warm, metallisch, endlos.
Dann Dunkelheit.
Bruchstücke.
Feuer.
Schreie.
Rote Augen.
Ein Tanz aus Kugeln und Klingen.
Als ich wieder zu mir kam,
lag ich am Boden.
Meine Wunde verbunden.
Blut auf meiner Haut,
getrocknet, brennend.
Die anderen standen um mich.
Sie sagten, ich hätte noch einen weiteren erwischt.
Ich erinnerte mich nicht.
Sie hatten die Toten gesammelt.
Fremde Gesichter.
Ihn.
Sie.
Und noch einen…
Ich starrte.
Aber da war nichts.
Keine Schuld, kein Sieg.
Nur der Wind in meinem Haar.
Und das Gewicht des Blutes auf mir…