5. Mai 2023 – und...Action!
Ein neuer Tag und neues Glück. Heute möchte ich Ravini etwas dabei helfen, seinen Fahnenmasten aufzubauen. Opi müsste noch irgendwo eine Hühnchen-Fahne haben, die wäre so perfekt geeignet! Irgendwie haftet Ravini nämlich der Ruf an, Hühner magisch anzuziehen. Sehr zu seinem Leidwesen. Es macht in der Gruppe sogar der Spruch die Runde: „Wenn du einen Hahn hörst, ist Ravini nicht weit.“ Im Funk ist Opi etwas desillusioniert und macht sich Sorgen, ob zum Event am morgigen Tag oder vor allem übermorgen genügend Leute da sein werden und wir hoffen zumindest, dass Hikaru es noch schaffen wird. Er malt mal wieder alles in tiefschwarzen Farben, aber ich kann ihn schon verstehen. Er wünscht sich einfach etwas „Action“ hier in Chernarus. Adrenalin ist sein Motor… oder so ähnlich. Aber hey, ich bin mir sicher, dass wir so oder so Spaß haben werden. Natürlich schlägt er vor, dass ich mich auch ins Getümmel werfen soll. Aber ich habe wirklich massive Schwierigkeiten, auf andere Menschen mit einer Waffe zu zielen, ganz zu schweigen davon auf sie zu schießen. Schon bevor ich zum Samariter wurde, blieb ich lieber im Hintergrund und habe nie versucht, aktiv jemanden zu töten. Da habe ich einfach zu viel Respekt vor dem Leben. Opi meint, Leute, die nicht mitmachen, hätten nur Angst zu sterben. Nein, ich glaube, wenn ich davor Angst hätte, wäre ich in meinem Unterschlupf im Wald geblieben, hätte nicht die rote Jacke angezogen und wildfremde Menschen angesprochen, um ihnen meine Hilfe anzubieten. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ein Teil von mir oder meinem Vorgänger auch immer etwas den Tod sucht, um zu spüren, dass er noch lebt. Einfach, weil hier alles so automatisch abläuft in dieser katastrophalen Welt. Wie philosophisch… lassen wir das lieber. Wir werden sehen, was das mit der „Chernarus-Rallye“ und dem sogenannten „Team Battle“ wird. Eventuell macht es auch die Runde und fremde Schaulustige, Zaungäste und Meuchelmörder erscheinen. Das befürchten zumindest einige. Ja, schwarze Schafe gibt es leider immer wieder. Aber ich vertraue den Leuten hier. Trotzdem müssen wir auf alle Fälle vorsichtig sein. Eigentlich sollte heute Charly schon die erste Runde fahren, aber er hat nun doch beschlossen, zum Haupttermin anwesend zu sein. Also haben wir heute noch etwas Schonfrist, die wir mit Vorbereitungen nutzen.
Während ich so meinen Gedanken nachgehe, transportiere ich mehrere Ladungen Steine vor die Basis in Chernogorsk. Leider ist Ravini gerade nicht da oder er reagiert einfach nicht auf mein Rufen. Erst einige Zeit später kommt er raus. Da ich die rote Kleidung nicht trage, beschließe ich, mich etwas versteckt zu halten. Nicht, dass er versehentlich auf mich schießt und mein Leben frühzeitig endet. Als Ravini die Steine aus den Unterständen holt, versuche ich ihn anzusprechen, aber so richtig reagiert er nicht. Schließlich läuft er sogar an mir vorbei, ehe ich mich dann doch zu erkennen gebe. Er ist nicht so ganz begeistert davon, dass ich mich einfach so an ihn ranschleiche. Ja.. verständlich. Aber ich muss einfach vorsichtig sein und ich hoffe, er kann die Steine gebrauchen. Als ich gehe versichert Ravini mir noch mit seiner Holzfällerstimme: „Ich hätte keinen erschossen!“. Irgendwie glaube ich ihm das jetzt aufs Wort. Er ist auf seine Art ein absolut herzensguter Mensch. Nur… Unfälle passieren und ich bin für den Moment froh, dass es nicht soweit kam. Auf dem Rückweg zum Bambi-Auffanglager durchsuche ich noch einige Gebäude in Chernogorsk und jage unterwegs noch einen laut schreienden Hahn. Blue, Opi, Chewie und ein paar andere sind ebenfalls unterwegs. Fast hätte es Blue erwischt, aber ein beherztes Reanimieren durch Chewie im Takt von Staying alive bringt unseren Frischling gleich wieder auf die Beine. Haha… Frischling. Ja, jetzt ist Hikaru das nicht mehr. Aber dafür hält sich Blue wirklich wacker in dieser grausamen Welt. Auch ich habe unterwegs mit Zombies zu kämpfen. Diese Viecher sind einfach überall! Blue und Chewie experimentieren für das Event etwas mit Blendgranaten, wie ich über Funk mitbekomme. Ob das so eine gute Idee ist? Chewie droht das Bewusstsein zu verlieren, zumal sich wieder ein paar Zombies auf die beiden stürzen. Aber er bleibt wacht und beide schlagen alle Zombies heldenhaft in die Flucht. „Tja… gut, dass du noch lebst, sonst wärst du jetzt wohl tot.“, versuche ich die Situation etwas aufzuheitern. Chewie lacht: „Der zündet lange!“. Möglich. Aber ich fand ihn gut.
Auf dem Weg zurück ins Lager meldet sich Ravini nochmals. Er benötigt noch genau einen Stein und hat sich deshalb auch auf den Weg ins Bambi-Auffanglager gemacht, da es bei uns ein paar Felsen gibt. Ich bin bereits dort angekommen und fülle erst einmal alle Vorräte wieder auf. Es wurde wieder einiges gegessen, aber wir sind gut aufgestellt und Sprengfallen scheinen auch keine gelegt worden zu sein. Puh! Als Ravini ungefähr auf Höhe des Bahnübergangs bei Prigorodki ist, fragt er per Funk in die Runde, ob jemand mit einem roten Rucksack über die Schienen läuft. Wir verneinen, wissen aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wo sich unser Farmer gerade aufhält. „Welche Schienen, Ravini?“, frage ich etwas angespannt nach. „Weiß ich nicht. So um…“, beginnt er und Opi setzt seinen Kommentar fort. „Das sind die Schienen hier beim Güterbahnhof. Ich weiß, wo Ravini ist!“ Super, wenigstens hat er den Überblick. Aber Opi mahnt zur Vorsicht: „Passt auf, alle!“. Recht hat er. „Ich meine gelb oder so nen roten Rucksack oder was…“, versucht Ravini wieder den Überlebenden möglichst genau zu beschreiben. Wer könnte das sein? Paul bzw. Bubi? Der Bambi-Killer oder vielleicht der Minenleger oder jemand ganz anderes? Ein Bambi in Nöten? Leider verstehe ich akustisch nicht ganz, in welche Richtung sich der Fremde bewegt. Ich verstehe nur etwas wie „zwischen dem Camp hoch… Richtung Berg.“ und gehe davon aus, dass er sich am Berg befindet. Daher beschließe ich, dort einmal nachzusehen und mache mich auf den Weg. Opi bestätigt: „Am Medical oben“. Das sagt mir leider nichts, aber noch ehe ich mir Gedanken machen kann, kommt es von Ravini: „Scheiße, der schießt auf mich! Ich bin platt.“ Ich nehme meine Beine in die Hand und renne so schnell ich kann zu den Schienen beim Berg. Und sofort sehe ich auch einen Überlebenden auf der anderen Seite der Schienen über das Feld rennen. Ich verstecke mich und schleiche mich an. Schließlich kommt der Fremde in einem Busch zum Stehen. Es sieht so aus, als würde er eine gelbe Mütze oder einen Helm tragen. Hat er mich gesehen? Während ich mich an den Fremden heranschleiche, meldet sich Ravini noch mit letzten Worten: „Ich bin tot… danke!“. Verdammt! Warum habe ich nur so lange gebraucht? Alles in mir will sich nun auf den Fremden im Busch stürzen, aber ich mahne mich zur Vorsicht und beobachte. Einen Schuss habe ich von ihm jedenfalls nicht gehört. Tabasko schwört Ravini noch, dass sie den Kerl bestimmt finden werden. Auch Blue, Opi und Chewie rücken an. Ich verstecke mich in einem kleinen Stahlschuppen und beobachte den Busch weiter. Opi ermahnt uns zur Vorsicht, denn es könnten auch mehrere sein. Warum schieße ich nicht endlich? Wolfgang meldet sich nun auch zu Wort. Er hört Schritte! Mein Herz rast, ich gebe mir Mühe, ruhig zu atmen. Zielen. Ruhig. Chewie meldet Schüsse in Cherno. Blue gibt an, es seien seine. Was ist da los? Ich kann nicht denken! Als ich wieder auf den Busch schaue, habe ich den Fremden aus den Augen verloren. So ein Mist! Dann sehe ich jedoch aus einem anderen Busch wieder eine Bewegung und gebe es der Gruppe durch. Schnell greife ich zu meiner Waffe, ziele erneut und… „HALT HALT!“, donnert es von Wolfgang. Was ist jetzt schon wieder los?! Offenbar war er das die ganze Zeit… Puh. DAS hätte auch ins Auge gehen können. Wolfgangs blonde Haare sahen auf die Entfernung aus wie ein Helm. Krass.. Aber wenn der Fremde Wolfgang war, wo liegt denn dann Ravini und wo ist der Fremde nun wirklich? Da berichtet Opi etwas von wegen Güterwaggons. Mir wird schlagartig meine falsche Einschätzung bewusst. Ich packe meine Waffe weg und renne über das Feld, immer im Schutz der Heuhaufen. Für Reden bleibt keine Zeit. Da ist jemand draußen, der es auf uns abgesehen hat und der sicherlich nicht verhandeln oder freundlich reden möchte und er hat Ravini angegriffen und vermutlich ausgeraubt. Ausgerechnet ihn! Ich beobachte aus einem Busch heraus die Straße und die Waggons und tatsächlich gibt sich ein paar Minuten später ein Überlebender die Ehre, der sich vermutlich komplett mit Ravinis Kleidung ausgestattet hat und seine Weste trägt. Seine Weste, für die ich extra eine Tasche besorgt und die ich gegen die Bambi-Fahne eingetauscht habe. So ein Mistkerl! Nein, für Reden bleibt jetzt wirklich keine Zeit, als er in meine Richtung sieht. Es heißt nun entweder er, oder ich. Wie durch eine glückliche Fügung bin ich dieses Mal auch nicht in Rot gekleidet, sondern in Tarnfarben. Ich hatte ja zuvor ein paar Steine geschlagen und nicht viel Wert auf eine Kugel im Kopf gelegt. Daher scheint mich der Fremde nicht wirklich zu sehen und er dreht mir den Rücken zu. Ich zögere und kläre ab, ob es wirklich keiner von meinen Freunden ist. Nein, keiner scheint es zu sein… da! Er versucht zu fliehen! Es widerstrebt mir. Ich hasse das! Aber für Ravini…ich drücke ab. Einmal, zweimal, dreimal, viermal… Getroffen, aber die Schutzweste ist stärker. Er rennt weiter, ich springe auf und laufe hinterher. Zeit zum Überlegen habe ich nicht. Er bewegt sich extrem flink in Richtung Rohbau. Ich muss unter der Mauer durchkriechen. Wolfgang und auch Tabasko sind direkt hinter mir. Der Fremde zieht sich in den Rohbau zurück. Da sitzt er in der Falle! Zu dritt erstürmen wir das Gebäude, aber der Angreifer ist wie vom Erdboden verschluckt. Wie kann das sein? Er muss sich buchstäblich in Luft aufgelöst haben! So eine Schweinerei… Wir durchkämmen einige Zeit noch akribisch das Gebiet. Ich möchte wissen, wer das war und warum er einfach auf Ravini geschossen hat. Wolfgang und ich beschließen im Moor und Richtung Elektro nach Spuren zu suchen. Am Cap Golova liegt die Leiche eines Überlebenden und ich stolpere fast über sie. Entweder hat der Fremde hier auch gewütet oder aber die Person fiel versehentlich oder absichtlich vom Leuchtturm. So oder so, hier scheint niemand durchgekommen zu sein. Unverrichteter Dinge kehren wir zurück, da funkt Opi, dass er wieder jemanden beim Rohbau gesehen hat. Aber auch dieser Fremde verschwindet spurlos. Was ist hier bloß los? Es ist gerade so, als würde sich jeder in Luft auflösen. Die anderen Jungs reden etwas von wegen „Combat Log“, aber ich kann dem nicht ganz folgen. Jedenfalls versuchen Chewie und Opi den Fremden zu stellen, aber ohne Erfolg. Er ist nicht mehr da. Ich habe das Auffanglager noch nicht ganz erreicht, da meldet sich Wolfgang, der schon etwas vorgelaufen ist über Funk: „Überlebender am Bambi-Camp!“ und „Er ist jetzt ins Essenhaus.“ Ich renne wieder, was das Zeug hält. Könnte das derjenige sein, den Opi gesehen hat? Ravinis Killer? Wobei, wenn ich das richtig verstanden habe, ist Ravini wieder unter den Lebenden und auf dem Weg zurück. Wenigstens etwas… Aber ein Fremder ist am Camp, also genießt dieser zunächst einmal meinen Schutz. Ganz außer Atem komme ich am Lager an, da klärt uns Wolfgang auf: „Es ist der Paul.“ Ah.. Puh. Da bin ich aber beruhigt. Langsam komme ich näher und grüße ihn freundlich. Ich stelle ihn nochmals wegen der Fahne zur Rede, aber so wirklich böse kann ich ihm nicht sein. Welpenschutz eben. Er bietet mir eine Waffe an, aber ich lehne dankend ab. Warum meinen alle immer, ich könnte mit diesen Dingern etwas anfangen? Er wurde von den Schüssen zuvor angelockt und kam dann am Militärlager vor Chernogorsk vorbei und hat jetzt einiges zu tragen. Wir tauschen uns kurz über seine Basis aus und er beklagt, dass jemand ihm das Essen geklaut hat. Tragisch, aber er hat die Basis auch nicht wirklich geschützt. Offenbar fehlt es ihm am Werkzeug und ich leihe ihm für die Wand eine Gartenharke, mit der er das Fundament bauen kann. Gemeinsam mit Wolfgang begleite ich ihn zurück zu seiner Basis, dann verabschieden wir uns und kehren zum Lager zurück. Unterwegs durchkämmen wir nochmals den Wald vor Elektro, aber auch hier findet sich keine Spur des fremden Schützen. Der kann sich doch nicht wirklich in Luft aufgelöst haben!
Um auf andere Gedanken zu kommen und die anderen, die noch immer nach dem Schützen suchen nicht zu stören, beschließe ich, mit Kanu und Wolfgang im Bambi-Mobil eine Spritztour nach Tulga zu machen, wo das Event morgen stattfinden wird. Vielleicht ist schon jemand dort. Allerdings gestaltet sich das schwerer als gedacht. Immer wieder rutscht unser treuer Gunter vom Feldweg ab und den Hang wieder hinab. Fast wie in einer Badewanne… Es benötigt einige Anläufe, ehe Kanu dieses Hindernis endlich überwinden kann und wir in der Nähe ankommen. In Tulga ist jedoch alles ruhig. Gerade beschließen wir umzukehren, da meldet sich Opi per Funk. Er hört Schritte unter sich im Rohbau und kurz darauf verliert er das Bewusstsein. So ein Mist! Der Killer ist zurück. So schnell wie möglich ziehen wir uns alle zum Bambi-Camp zurück und versuchen den Fremden ausfindig zu machen. Chewie findet Opi, der komplett ausgeraubt worden ist. Der Mistkerl, der ihm das angetan hat, muss aber noch irgendwo in der Gegend sein. Wir durchsuchen wieder das ganze Gebiet und da entdeckt Tabasko unseren Täter. Wieder beim Rohbau! Dieses Mal entkommt er den Jungs nicht. Ein gezielter Schuss und er geht zu Boden! Wir retten, was zu retten ist. Allerdings sitzt uns der Schock noch tief in den Knochen. Zumindest mir… was für ein verrückter Tag. Dieser Typ hat tatsächlich Ravini und Opi komplett ausgeraubt. Und es ist noch nicht zu Ende!
Einige Zeit später meldet einer über Funk, dass ein Spieler mit Baseballschläger über die Schienen rennt. Tabasko macht sich auf den Weg, um mit ihm zu reden, aber er kommt nicht schnell genug hinterher. Kanu fragt: „Soll ich ihn ein bissl‘ aufhalten? Ich könnte schießen.“ Was zum…?! Warum um Himmels Willen… Seit wann genau schießen wir jetzt auf unsere Gäste!? Es kann doch nicht sein, dass ein Vorfall das ganze Camp so in Aufruhr versetzt. Ich setze zum Protestieren an, aber es ist schon zu spät. „Ja mach mal nen Warnschuss.“, antwortet ihm Tabasko. „In die Beine“, fügt Charly hinzu. Ich glaube ich höre nicht recht…tja und dann höre tatsächlich nur noch mehrere Schüsse. Unbarmherzig, gezielt. „Ich hab ihn erschossen.“, gibt Kanu kleinlaut zu. „DU SOLLTEST IHN EIN BISSCHEN AUFHALTEN!!!!“ ruft Tabasko per Funk. Ich glaube ich bin im falschen Film. „Der ist tot… zu hundert Prozent.“, sagt er kalt, nachdem er bei der Leiche angekommen ist. In mir macht sich Trauer breit. Das ist einfach unfassbar und mir fehlen die Worte. „Warum?“, fragt Jammet stellvertretend für mich, ebenfalls traurig. Wir verstehen es nicht. „Ich hätt nie geglaubt, dass ich den treff‘. Nie im Leben!“, verteidigt sich Kanu. „Du bist so ein Monster!“, sagt Charly stichelnd. Als ob er es anders gemacht hätte… „Ich mach nicht mit beim Event!“, gibt Wolfgang offensichtlich gespielt von sich. Kanu hat dem Fremden einen Warnschuss gegeben. Ins Bein. In SÄMTLICHE Beine: Jochbein, Schlüsselbein, Nasenbein, Kreuzbein… Oh Mann. „Wir sind tot! Noch bevor das Event gestartet hat, hat Kanu uns alle in die Luft gesprengt!“, kommt es noch scherzend von Charly. Ich schüttle traurig den Kopf. Nach Scherzen ist mir nicht zu Mute. Ob ihnen der Ernst der Lage bewusst ist? Das Leben, das sie ihm genommen haben? Die anderen geben zu bedenken, dass es durchaus sein kann, dass dieses Bambi etwas mit dem Typen vom Rohbau zu tun gehabt hat. War er vielleicht ein Mörder? Erneut verteidigt sich Kanu: „Der hatte die Chance zum Bambi-Camp zu kommen!“ Alles, was ich tun kann, ist zu stammeln: „Aber, aber, aber…“ Doch weiter komme ich nicht, denn Jammet funkt uns eine wichtige Warnung durch: „Da kommt jemand über die Stahlbrücke in Richtung Prigorodki-Camp gelaufen!“ Ich unterbreche meine Grillarbeiten am Steinofen sofort und renne in Richtung der Straßensperre bzw. Brücke. Die Stimmen der anderen versuche ich auszublenden, aber es geht gerade drunter und drüber. Als ich einen Metallschuppen sehe, rufe ich laut: „Haaaalloooo, Haaallooo!!“. Hoffentlich hört mich das Bambi. Dann sehe ich ihn, wie er wieder über das Feld rennt. Er scheint keine Kleidung zu tragen. Eigenartig. Ob er mich gehört oder gesehen hat? Ich beschließe ihm so schnell wie möglich zu folgen, renne den Hügel hinauf und rufe ihm hinterher. Aber ich bin viel zu langsam mit meinem ganzen Gepäck. „Hallo, liebes Bambi! Warte mal…“, rufe ich ihm mehrfach nach, aber das arme Ding scheint so verängstigt, dass es sofort in Richtung Wald rennt. Wolfgang bietet an, den Überlebenden „abzufangen“. Aber ich lehne ab. Nicht schon wieder! Da ruft Kanu aus einem Busch: „Halt, stehen bleiben!“. Na klasse,… wenn das arme Ding schon zuvor fast kein Vertrauen in uns hatte, dann hat sein Vertrauen spätestens jetzt den Nullpunkt erreicht. Wann hätte jemals ein „Halt, stehenbleiben!“ jemanden am Wegrennen gehindert?! Ich versuche nochmals mit Englisch Kontakt aufzunehmen, aber das nackte Bambi rennt weiter. Es muss Todesangst haben, da so mit nackten Füßen über das Feld zu rennen. Wolfgang oder Kanu feuern auf das Bambi. Ich kann nicht sagen wer, aber ich rufe verzweifelt: „Halt, nicht schießen! Hey! Bist du des Wahnsinns! Du kannst ihn doch nicht einfach erschießen hier.“ Ich renne den beiden hinterher in den Wald. Kanu meint, er habe ihn einmal getroffen, aber vom Bambi fehlt jede Spur. Jetzt bin ich wütend und schimpfe. „Leute, ihr seid doch nicht mehr ganz bei Trost! Ihr seid ECHT nicht mehr bei TROST!“ Ein solches Bambi war unter Garantie keine Gefahr. Auch wenn viele der Gruppe nach wie vor der Meinung sind, es könnte sich wieder um den Überlebenden von zuvor handeln. Ravinis und Opis Mörder, eventuell ja sogar um den Minenleger oder den Bambi-Killer von Cherno. Doch davon will ich nichts wissen. Das, was hier gelaufen ist, ist unser Aktion einfach nicht würdig. Das war keine Verteidigung, das war ein eiskalter Angriff. Sauer renne ich allein in den Wald und versuche noch etwas zu rufen. Ich entschuldige mich für das Fehlverhalten von gerade eben. Vielleicht hört er es ja: „Hey, du… ich weiß nicht, ob du es hörst, aber es tut mir voll leid, dass die gerade auf dich geschossen haben. Ich wollte das nicht… ich hoffe bei dir ist alles okay. Tut mir so leid, Kumpel. Eigentlich bin ich hier, um Bambis zu helfen. Ist zwar unpassend und vermutlich glaubst du mir das nicht, aber wenn du Hilfe brauchst, bin ich da. Ich hoffe, du kommst durch, Junge. Sorry für das alles…“ Mit gesenktem Kopf und schwerem Herzen kehre ich zum Bambi-Auffanglager zurück. Was für eine Schande. Ich beschließe, das Einzige zu tun, was ich für das erste, unbekannte Bambi noch tun kann und Kanu scheint wieder klarer im Kopf zu werden. Gemeinsam gehen wir zur Leiche des Baseball-Bambis und Kanu schaufelt ihm ein provisorisches Grab. Ich lege den Baseballschläger darauf. Wir schweigen einen Augenblick. Sammeln uns wieder. Ich wünsche mir so sehr, dass sich diese Vorfälle nicht wiederholen.
Um mich etwas abzulenken, gehe ich ins Industrie-Gebiet, um ein paar Versorgungsgüter zu finden. Allerdings ist in den Containern nicht so viel zu holen. Jammet hat sich an der Straßensperre versteckt und behält die Brücke im Auge. Per Funk tauschen wir uns etwas über alte Erlebnisse aus, um uns etwas aufzumuntern. Plötzlich platzt es aus Jammet heraus: „Überlebender! An der Stahlbrücke, Richtung Elektro.“ Er klingt offensichtlich nervös und aufgebracht. Ich bin dummerweise zu weit weg, aber ich nehme – mal wieder – die Beine in die Hand. Ich sollte dringend ein paar Kilo verlieren… Jedenfalls kann Jammet sie nicht ansprechen und versucht möglichst leise im Busch zu verharren, aber seine Panik, entdeckt zu werden, ist deutlich zu hören. „Der hat ne Waffe in der Hand und guckt hier so rüber. Ich glaube, ich werde gleich beschossen!“, gibt er so ruhig wie möglich von sich. Blue und Opi sind ebenfalls auf dem Weg. Blue möchte ihn begrüßen. „Beeilt euch, der guckt hier rüber und der schießt auf mich, wenn er mich sieht!“. Blue will den Fremden ansprechen, muss aber genauer wissen, wo dieser ist. „Das schmeißt jemand was auf den!“, gibt Jammet verwundert zurück. Wir alle sind perplex. Was soll denn das? „Hä?“, raunen wir reihenweise. „Die sind zu zweit!“, präzisiert Jammet. Ich versuche ihn zur Ruhe zu ermahnen. Es könnten unsere Freunde von vergangener Woche sein. Andi, Florian und Co. „Wenn nicht gleich jemand mit denen redet, bin ich TOT, Leute!“, wird Jammet nun dringlicher. Die Lage scheint wirklich wirklich ernst, aber ich ermahne ihn weiter zur Ruhe. Noch ist unsicher, ob sie ihn gesehen haben und wenn er sich weiterhin still verhält, besteht die Chance, dass sie dies auch nicht tun. Beeil dich, Blue! Da gibt Tabasko durch: „Sie reden, sie reden!“ Puh… ich bin erleichtert. Aber gerade in diesem Moment durchzieht eine donnernde Salve die Stille. Verdammt! Was ist denn nun schon wieder los? „Schüsse!“, bemerkt Chewie. Schnell entschuldigt sich Tabasko. „Sorry, Sorry, das war der Schießbug.“ Was zum…? Das würde ich an seiner Stelle auch sagen. Nervöser Zeigefinger wohl eher! Gnade uns Gott… Alles ist ruhig, aber ich bin nun fast beim Camp. So schnell es geht renne ich die Straße entlang. Jammet hat das Kommando und Blue scheint seine Sache gut zu machen. Schließlich, nach endlos langer Zeit, meldet sich Jammet. „Also die sind anscheinend friedlich und ganz fasziniert, dass es hier sowas wie unser Camp gibt.“ Puh.. Glück gehabt. Gleich bin ich am Lager, die Fahne kann ich schon sehen. „Hallooo!“, begrüße ich die beiden. „Oh eine Fahne gibt’s hier auch!“, sagt der eine. Ich laufe auf den einen zu, während Jammet gerade etwas über unsere Unterstände erklärt. „Macht ihr das alles, oder wer macht das alles?“, möchte der Fremde wissen. Mein Gegenüber scheint sichtlich begeistert und erkennt mich eigenartigerweise wieder. „Da! Da ist doch das CRK, oder nicht?“ Ich blicke ihn ratlos an, aber offenbar gibt es noch eine zweite Gruppe, die Bambis oder Kranke versorgt, die in einer ähnlichen Uniform rumlaufen. Nun, wir gehören nicht dazu, aber ich erkläre den beiden, dass wir die Samariter von Chernarus sind und schön seit Jahren immer wieder anderen Spielern helfen und Bambis versorgen. Unterdessen schiebt sich ein gackerndes Huhn an uns vorbei, das ich mir sofort packe und dem Fremden freundschaftlich entgegenhalte. „Wolle Huhn kaufe?“, grinse ich und lache. Mein Gegenüber hat die Anspielung leider nicht ganz verstanden, aber er erklärt, dass sie beide die „Chernarussen“ sind. Okay… das sagt mir zwar jetzt nichts, aber sie scheinen anständig zu sein und sichtlich angetan von unserer Aktion. Das freut uns natürlich, auch wenn sie direkt jetzt keine Hilfe benötigen. Der Sprechende erklärt mir, dass sein Partner nur Russisch spricht und kein Deutsch versteht. Aha, daher der Name. Das ergibt Sinn. Jedenfalls stellt er sich mit einem russischem Namen vor, den ich mir nur schwer einprägen kann. Ich bin leider kein Experte für das Kyrillische. Aber wenn mich nicht alles täuscht, bedeutet sein Name so viel wie „Furcht“. Auf meine skeptische Nachfrage wählt er einen einfacheren Namen. „Alex ist okay. Nenn mich Alex. Alles gut.“ Ich beschließe den beiden eine Chance zu geben. Frei nach dem Motto: Sie töten mich nicht, sie sind nett. Das müssen Freunde sein.“ Seinen Partner stellt er uns als Gaspard vor. Er lacht: „Naja ihr macht hier schöne Sachen für die Bambis.“ Jammet warnt ihn noch vor den Fremden, die hier unterwegs waren und Alex bestätigt, zuvor Schüsse gehört zu haben. Sie gehen davon aus, dass hier geschossen wird. Wir geben den beiden ein Elektro-Reparatur-Kit, das sie gebrauchen können und kommen ins Gespräch. Ich bitte ihn darum, die Unterstände, Kisten und Fahne nicht abzubauen. Schweren Herzens nuschelt er nach einer kurzen Bedenk-Pause: „Hmm, okay. Ich hab mir schon sowas gedacht.“ Ist er enttäuscht? Auch einer dieser Base-Raider? Hoffentlich halten sie sich daran. Wobei… viel entgegenzusetzen haben wir dem ja nicht. Wir sind einfach auf die Freiwillige Unterstützung anderer angewiesen. Sonst wäre das nicht möglich. Alex berichtet von seinem Sohn, der wohl 15 Jahre alt ist. Bei mir klingelt es… ein Vater. Ist das Pauls Vater? Aber nein… das kann nicht sein. Der Name sagt Alex auch nichts. Trotzdem. Wenn der Bubi mal wieder vorbeikommt, frage ich ihn. Wir bieten den beiden noch etwas Fleisch an und verabschieden uns dann. „Bleibt am Leben!“, rufe ich ihnen noch nach. Da meint Alex ganz locker: „Ach, das gehört dazu, hier zu sterben. Wenn man es nicht so richtig draufhat und ‘ne Kugel abfängt. Also des kann man dann nicht erwarten, ne? Macht’s gut, Ciao!“ Eigenartige Haltung zum Leben, aber gut. Die beiden scheinen eher eine rauere Spielart zu bevorzugen. Ich bin nun richtig froh, dass dieses Treffen trotz aller Widrigkeiten eine solch friedliche Wendung genommen hat und keiner gestorben ist.
Was für ein Tag… und er ist noch immer nicht zu Ende! Etwas später meldet Kanu per Funk, dass er mit Blue gerade in der Lagerhalle ist und dass die Chernarussen dort vorbeikommen. Scheinbar haben sie in der Garage eine Basis vermutet, die sie „besichtigen“ wollten. Glücklicherweise sind auch sie gegenüber ihm friedlich und lassen unser Lager in Ruhe. Zu holen gibt es dort ohnehin nichts. Nur Kleidersammlungen und eben unser Bambi-Mobil. Nichts von Wert. Dementsprechend sind die beiden auch schnell wieder unterwegs.
Abends liege ich noch lange wach und versuche Ordnung in mein Chaos zu bringen. Als ich nicht schlafen kann, setze ich mich an ein Feuer und beginne, ein Lied für die gefallenen Bambis des Tages zu schreiben. Schade, dass ich nicht so gut singen kann. Es wäre ein tolles, melancholisches Lagerfeuerlied geworden. Aber ich finde, somit wird ihnen und dem Vorfall zumindest auch in Zukunft noch gedacht.