Kapitel 1
Der gescheiterte Reformversuch in der UdSSR und der darauf folgende Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1992 bringt die politischen Machtverhältnisse der Welt ins Wanken. Nach dem Rücktritt des sowjetischen Staatspräsidenten und dem Verbot der kommunistischen Partei fordern immer mehr Sowjetrepubliken ihre Unabhängigkeit. Die einstige Weltmacht zerfällt in einzelne souveräne Staaten und läutet den weltweiten Untergang des Kommunismus ein. In der ehemaligen Sowjetrepublik Chernarus tritt der Anführer der neo-rechten Partei SVOBODA, Vladimir Novak, als neuer Präsident des Landes an. Novak verfolgt mit seiner nationalistischen Politik, die totale Isolierung des Landes vom Rest der Welt und stellt alle außenpolitischen Beziehungen zu den einstigen Verbündeten ein. Nach der erfolgreichen Wahl zum Präsidenten etabliert Novak ein Militärregime in Chernarus und erklärt sich zum alleinigen Herrscher des Landes. Durch die katastrophale Wirtschaftslage und eine andauernde Hungersnot kommt es in Chernarus immer wieder zu Unruhen und Volksaufständen, die von Novaks Militär blutig niedergeschlagen werden. Novaks Isolationspolitik und das verhängte Ausreiseverbot zwingen die Bevölkerung in eine lange Zeit der Diktatur und des maßlosen Elends. Als im Jahr 2009 ein Putschversuch und anschließender Anschlag auf ihn beinahe glücken können, beginnt Novak seine bisherige Politik umzudisponieren. Da er seine Macht von allen Seiten gefährdet sieht, knüpft Novak vielversprechende Beziehungen zu den USA, durch die er die am Boden liegende Wirtschaft des Landes durch Kredite und Produktionsaufträge wieder vorantreiben kann. Russland zeigt sich über diese Entwicklungen empört und sieht in Chernarus einen gefährlichen Außenposten der USA. Das langsam wieder zu einer Weltmacht erstarkte Russland erklärt Novak im Jahr 2012 schließlich zum Staatsfeind Nr. 1 und ordnet seine Liquidierung an. Dank seiner in Moskau eingeschleusten Agenten gelingt es Novak jedoch, rechtzeitig unterzutauchen. Als Anfang des Jahres 2013 auch noch russische Truppen in das Land einzumarschieren drohen, beschließt Novak, einen Gegenschlag zu verüben. Mit den in Chernarus verbliebenen Atombomben aus sowjetischer Zeit gibt er den Befehl, einen Angriff auf Moskau zu starten. Russland kann den Abschuss der Raketen jedoch rechtzeitig lokalisieren und ordnet einen atomaren Präventivschlag an. In binnen weniger Minuten ist die Hauptstadt von Chernarus wie vom Erdboden verschwunden. Atomare Strahlung, Elend und Tod ziehen wie ein Flächenbrand durch das gesamte Land.
Doch die Folge dieses Angriffs ist bei Weitem nicht nur die atomare Verstrahlung. In einem von Novaks geheimen Labors für biologische Waffen entsteht durch die atomare Strahlung ein bislang unbekannter Virus, der sich in einem rasanten Tempo zu verbreiten beginnt. Der Virus löst bei den Betroffenen eine Prionenkrankheit aus, die die Proteine im menschlichen Körper durch Prionen ersetzt und das Gehirn zum Aussetzen zwingt. Ein Großteil der Infizierten verfällt in Demenz und stirbt. Einigen Wenigen gelingt es jedoch mit der Krankheit weiterzuleben und in einem chronischen Infektionszustand vor sich hinzuvegetieren. Die Infizierten, die überleben können, können kaum noch als Menschen bezeichnet werden. Ohne normale Gehirnaktivitäten und der Möglichkeit zu Kommunizieren werden sie von einem fanatischen Drang zur Gewalt gelenkt. Insbesondere der Geruch der wenigen Uninfizierten scheint sie stark anzuziehen. Am 12. März 2013 befällt die Viruserkrankung nahezu die gesamte Bevölkerung des Landes und lässt die Betroffenen zu Zombies mutieren. Es dauert nicht lange, bis sich der aggressive Virus auch in den benachbarten Ländern und anschließend auf der ganzen Welt ausbreiten kann. Insgesamt 86 % der gesamten Weltbevölkerung sterben. Sämtliche Staaten und ihre Infrastrukturen brechen unter dem unbezwingbaren Virus nach und nach zusammen. Es entsteht eine apokalyptische Welt aus Verwüstung und Anarchie. Den Folgen, der nur noch als „DayZ“ bezeichneten Katastrophe, gelingt es nur 2 % der Weltbevölkerung zu entgehen. Die wenigen Uninfizierten müssen nun um das nackte Überleben kämpfen. Die Hoffnung auf Rettung schwindet mit jedem weiteren Tag dahin. Nach nur wenigen Monaten wird nahezu der gesamte Planet von Zombies beherrscht. Der Weltuntergang scheint unausweichlich…
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Kapitel 2
Allein
Tanja wurde durch ein helles Rascheln im Gebüsch geweckt und sprang ruckartig auf. „Wo bin ich?“, schoss ihr als aller erstes durch den Kopf, bis sie sich langsam wieder erinnern konnte. Sie und Igor waren vergangene Nacht stundenlang durch Niemandsland gelaufen, bis sie vor totaler Erschöpfung zusammenbrachen und Unterschlupf in einer Waldlichtung suchten. In der Dunkelheit war es ihnen nicht mehr möglich, die Gegend nach Gefahren abzusuchen, weshalb sie sich unter Ästen und Blättern vergruben und auf den Sonnenaufgang warten wollten. Igor war schnell eingeschlafen, während Tanja noch lange da lag, bis schließlich auch bei ihr die Müdigkeit über die Angst gesiegt hatte. Seit dem „DayZ“ war schon eine Weile vergangen und das junge Pärchen war seit dem nur noch unterwegs gewesen. Egal wohin sie ihre Flucht verschlug, fanden sie nur Verwüstung und umherziehende Zombies vor. Es schien, als gäbe es auf der Welt keinen einzigen sicheren Ort mehr. Auf Menschen waren sie seit der Massenpanik in ihrer Heimatstadt Lunov, bei der sie die Flucht aufs Land ergriffen, auch nicht mehr gestoßen. Gab es überhaupt noch andere Menschen außer ihnen? Diese Frage stellten sich Igor und Tanja schon die ganze Zeit. Die durch den Virus mutierten Gestalten, die in Horden umherzogen und alles zu verwüsten schienen, was ihnen begegnete, konnte man jedenfalls nicht mehr als Menschen bezeichnen. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Von einem Tag auf den anderen verwandelte sich die Welt in eine lodernde Hölle aus Verwüstung und Anarchie, ohne dass jemand überhaupt begriffen hatte, was da eigentlich vor sich ging. War das die biblische Apokalypse von der Pater Martinov schon vor der Katastrophe predigte? Waren das die Folgen des atomaren Angriffs auf die Hauptstadt? Im Grunde wusste niemand mehr so genau, was da passiert ist. War der Angriff ein Vergeltungs- oder ein Präventivanschlag? Sämtliche Kommunikationskanäle in Chernarus waren am 25. Februar zusammengebrochen. Das war das letzte Datum, an das sich Tanja und Igor noch genau erinnern konnten. Im apokalyptischen Chaos verloren sie irgendwann den Bezug dazu. Es müsste jetzt Spätsommer oder Herbst 2013 sein, zumindest deutete das kühler werdende Wetter darauf hin. Es war jetzt eh nur noch von Bedeutung, ob es Tag oder Nacht war. Denn die Nächte waren am gefährlichsten und die Schutzlosigkeit in der Dunkelheit am größten. „Jetzt sind wir wenigstens die Faschisten losgeworden“, scherzte Igor noch in den ersten Tagen. Doch mittlerweile ist auch ihm jedwedes Lachen vergangen und er konzentrierte sich nur noch darauf, Nahrung und eine sichere Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Mit Tanja sprach er nicht mehr so oft und wurde immer ruhiger und rauer. Sie dagegen hoffte jeden Tag aufs Neue auf andere Menschen zu treffen, die wüssten, wo es sicher sei. Es müsste doch irgendwo Evakuierungspunkte geben, die vor dem vollständigen Zusammenbruch geschaffen wurden. Tanja glaubte fest daran, dass das Militär noch rechtzeitig Vorkehrungen treffen konnte. Schließlich waren sie dafür ausgebildet und hatten ausreichend Waffen um sich zu verteidigen. „Wir sind jetzt das Militär“, entgegnete Igor ihren Träumereien nur trocken. Glücklicherweise war es dem gerissenen Gelegenheitsgauner noch rechtzeitig gelungen, sich aus der Waffenkammer der örtlichen Polizei zu bedienen, die bis zuletzt auf panische Einwohner schoss, die versucht hatten, Schutz in der Polizeistation zu suchen. Das Virus hatte schließlich auch die verbarrikadierten Polizisten zur Strecke gebracht, doch ein Paar Waffen waren im zugenagelten Keller noch übriggeblieben. Ohne die Makarov, die Tanja immer mit beiden Händen umklammerte, einem Rucksack voller Munition und zwei Gewehren der Marke Kalaschnikow, die Igor stets um die Schultern trug, wären die beiden vermutlich schon tot gewesen.
„Igor?“ - Tanja suchte mit ihren Augen panisch die Umgebung ab. „Igor, wo steckst du? Das ist nicht witzig!“ - Bevor sie noch ein weiteres Mal nach ihm rufen konnte, wurde sie wieder auf das Rascheln in den Gebüschen aufmerksam, von dem sie geweckt wurde. Bei näherem Hinsehen erkannte Tanja einen Zombie, der sich in einer Jägerfalle verfangen hatte und sich nun zu befreien versuchte. Schnell griff sie nach dem Rucksack mit der Munition und dem letzten Proviant und hängte sich die am Boden liegende Kalaschnikow um die Schulter. Das zweite Gewehr war weg, ebenso wie Igor. War er losgegangen, um nach Proviant zu suchen? Warum hat er sie nicht geweckt und alleine zurückgelassen? Noch ehe Tanja weiter darüber nachdenken konnte, hatte sie der Zombie lokalisiert und riss sich aus der Falle. Mit nur noch einem Stumpf anstelle eines Fußes bewegte er sich knurrend auf sie zu. Tanja visierte ihn unsicher mit der Makarov an und ergriff die Flucht, als der Schuss daneben ging und im Wald verhallte. Sie rannte wie eine Wahnsinnige aus dem Wald heraus, ohne zurückzublicken. Igor war vermutlich in die anliegende Wohnsiedlung gegangen, ohne ihr Bescheid gegeben zu haben. Vielleicht dachte er, dass sie im nächtlichen Lager besser aufgehoben wäre und wollte auf eigene Faust losziehen. Igor war nicht der Mensch, der einen zurücklassen würde. Oder etwa doch? Ist er durch den Stress vielleicht übergeschnappt und hat das Weite gesucht? Tausende Gedanken durchströmten Tanjas Kopf, bis sie sich im hohen Gras einer Wiese auf die Lauer legte, um die Straße zur Wohnsiedlung ins Visier zu nehmen. Die Gegend wirkte ruhig auf sie und es schien keine weiteren Zombies in der Umgebung zu geben. Igor konnte sie jedoch auch nirgends entdecken. Könnte er wirklich einfach abgehauen sein? War er überhaupt noch am Leben?