An den "stillen Silas"
(oder wie auch immer du wirklich heißt)
Ich schreibe dir das, weil das Schicksal uns plötzlich getrennt hat.
Vielleicht liest du es ja und erinnerst dich.
Ich habe dich gesehen.
Wie du kamst, wie du schwiegst, wie du nicht einmal den Namen nennen wolltest, den ich gerne erfahren hätte.
Und ja – ich gebe zu, im ersten Moment fand ich es seltsam. Vielleicht sogar ein bisschen trotzig, wie du mich am Camp anfangs regelrecht ignoriert hast.
Du wolltest testen, das verstehe ich jetzt.
Nach allem, was geschehen ist...
jetzt glaube ich, dass Schweigen manchmal der einzige Schutz ist, der uns bleibt.
Weißt du, Worte sind ein zweischneidiges Schwert.
Sie können verbinden, sie können verraten.
In unserer Welt kann jeder zweite Funkspruch Ärger bedeuten und ich kann gut verstehen, dass man den Mund dann lieber geschlossen hält.
Du wirst deine Gründe haben. Ich habe gelernt, dass nicht Reden oft ehrlicher ist als jedes schön gesprochene „Ich bin freundlich“ – und du hast beides nicht gebraucht.
Du warst da. Du warst still, aber das warst eben du und deine Taten haben für sich gesprochen. Der Teddy am Lagerfeuer, die Nägel, das Holz, all diese kleinen Dinge. Danke.
Wir hatten eine schöne Zeit am Feuer.
Die alte Gitarre, WhiskeyMixer schräge Ideen – du hast geschwiegen, aber ich glaube, du hast gelächelt.
Und auch wenn du nicht mitgelacht hast, warst du Teil des Moments.
Ein stiller Teil, ja – aber einer, der dazugehört.
Du hast deine Grenzen gewahrt, immer. Du warst da, ohne dich aufzudrängen.
Und genau das war so besonders.
Tja... und dann kam die Dämmerung.
Und mit ihr kamen sie und überfielen uns.
Jetzt habe ich keinen Zweifel mehr. Es sind die, die mir einst schon so viel Leid zugefügt haben.
Nicht wie ein Gewitter, das man kommen hört – sondern wie ein dunkles Tuch, das sich schnell über alles legt.
Erst ein Schuss, dann Schreie. Dann wurde alles still. Und dann... wurde alles anders.
Ich habe zu lange gezögert. An das Gute geglaubt, aber trotzdem gewarnt. Ich hoffe mein Ruf kam rechtzeitig und du konntest entkommen.
Ich war zwar zunächst versteckt, aber trotzdem im Dunkel zu gut sichtbar.
Sie hatten Nachtsichtgeräte und sie waren zu dritt. Ich allein, mitten in einem Gebüsch. Ich kam nicht zu schnell in den rettenden Wald.
Sie fanden mich und dann war ich zu sehr ich selbst.
Ich wehrte mich nicht.
Sie schossen und schlugen.
Und als ich da lag, zerschlagen, unfähig mich zu rühren aber atmend wusste ich: Ich bin noch da. Noch immer.
Was ich erlebt habe, war nicht einfach nur ein weiterer Überfall. Es war ein Angriff auf meine Werte, meine Vorstellung davon, dass Mitmenschlichkeit auch in Chernarus etwas gilt. Ich habe immer geholfen, mich schützend vor andere gestellt. Dass gerade ich in eine Situation gerate, in der alle Worte versagen, eine Situation, in der nicht einmal Kapitulation respektiert wird, das ist der Bruch mit dem, woran ich glaubte.
Und ich weiß das. Doch ich weiß auch: Wenn jemand kommen will, dann kommt er.
Und dann – passiert es. Der Moment, in dem nicht mehr gespielt wird. In dem Ohnmacht real wird.
Dass ich trotzdem aufstehe – mit allen Erinnerungen, aber ohne Verbitterung – ist kein Zeichen von Verdrängung.
Es ist ein Zeichen von tiefem, innerem Mut. Von einer Würde, die man mir nicht nehmen konnte, auch wenn sie es versucht haben.
Sie nahmen mir die Stimme, aber ich blieb standhaft.
Sie drückten mich zu boden, aber ich blickte aufrecht.
Und am Ende kehrte ich von der Küste zurück.
Denn sie haben mich nicht gebrochen
Nicht so, wie sie es wollten.
Ich habe meine Würde nicht verloren.
Sie wurde mir nicht genommen.
Denn Würde ist nicht das, was andere dir zusprechen –
sie ist das, was du dir selbst bewahrst, selbst dann, wenn andere versuchen, sie dir zu nehmen.
Ich war nicht schwach, weil ich fliehen wollte.
Ich war nicht dumm, weil ich sprechen wollte.
Ich war nur ich. Und das bleibe ich.
Mit all meinen Erinnerungen.
Das Camp steht noch, übrigens.
Der Ort, an dem du geschwiegen hast, während ich sprach.
An dem ich dir einen Bratapfel anbot, und du ihn ablehntest, als hätte ich dir Hundefutter hingelegt.
Ich weiß, du fandest meine Kochkünste nicht besonders beeindruckend.
Ist okay. Nicht jeder kann Bratäpfel lieben.
Aber das Camp wird auch weiterhin offen sein – für dich, für alle, die nicht reden müssen, um gehört zu werden.
Vielleicht sieht man sich.
Vielleicht sagst du irgendwann deinen Namen.
Vielleicht nennst du mich irgendwann beim meinem.
Aber wenn nicht – ist das auch in Ordnung.
Manchmal reicht es, zu wissen, dass jemand da war. Und vielleicht wiederkommt.
Bleib vorsichtig.
Bleib du.
Und... bleib am Leben.
gez.
Herz-aus-Gold 💛
//Schade, dass meine "Bodycam" am ersten Teil des Abends versagt hat und ich keine Aufnahme vom Gitarrengeklimper beim Lagerfeuer mehr habe. Aber die Erinnerung bleibt. Danke für den schönen Abend, bevor alles eine andere Wendung nahm