Es ist schon komisch wie sich die Sicht auf die meisten Dinge verändert, je länger man sie anstarrt. Ich meine, kaum ein paar Monate lang in diesem Land das weder Himmel noch Hölle, weder Nation noch freies Land ist und man hat vergessen wie man selbst zum ersten Mal an der Küste dieses Alptraums aufwachte, unbewaffnet, orientierungslos, allein.
Hin und wieder erinnert man sich vielleicht nochmal wie es war, damals, als man seine erste Waffe sah, ob nun auf dem Boden irgendeiner Hütte oder in der Hand eines Kerls, der vielleicht viel länger durch diesen Wahnsinn kriecht, vielleicht aber auch einfach mehr glück hatte beim Plündern.
Man blickt vielleicht verträumt zum Himmel, in Gedanken an dem Moment wo man erste Informationen über die wirklich heißen Punkte auf der Landkarte erfahren hat, über Lager voller Waffen die man sonst nur aus Spielen und dem Film kannte. Die Erinnerung an das erste Fahrzeug, die mühselige und doch erfüllende Arbeit beim Versuch es zum Laufen zu bekommen, egal ob vergeblich oder Erfolgreich. Ach süße Nostalgie, die ersten kleinen Erfolge!
Wie albern, wie bedeutungslos das heute alles erscheint.
Dann die ersten Bündnisse, denn in Chernarus lernt man drei Dinge schnell und schmerzhaft: Hör auf deinen Bauch, halt den Kopf unten, und mit unten meine ich unten!- und die Zeds, die Infizierten, die Gott verdammten lebenden Toten, sie sind nicht dein größtes Problem.
Der Homo sapiens hat seit Jahrtausenden nur einen wahren Feind, und dass ist er selbst.
Ironischerweise liegt hier auch die Lösung für alle Probleme: Wenn nur ein Mensch einen Menschen wirklich effektiv umbringen kann, einen Menschen der nicht von... -was auch immer die Zeds aufstehen lässt- umgebracht wurde töten kann, muss ich dann nicht nur mehr Menschen haben als mir begegnen könnten?
Wenn der Feind meines Feindes mein Freund ist, aber jeder mein Feind ist, sind wir dann nicht alle Freunde?
Man sollte nicht drüber nachdenken, im Normalfall hat man auch keine Zeit dafür, und vielleicht ist das sogar gut so.
Niemand will dem Sensenmann öfter ins Auge blicken als er muss, besonders dann, wenn man fürchten muss von ihm wiederverwertet zu werden.
So, man schließt sich also zu Gruppen zusammen, gibt sich Rückendeckung, teilt Vorräte, bringt sich ein und stellt fest, dass selbst ein kleines Rädchen eine Maschinerie auf umwerfende Art und Weise erweitern kann. Was bringt es schon wenn man gute Augen und einen ruhigen Finger hat, wenn man sich einem Zed nicht mal auf 200 Metern nähern kann? In einer Gruppe ist man plötzlich ein Schutzengel, eine fast all sehende Präsenz die Probleme lösen kann bevor sie entstehen.
Und kaum dreht man sich sprichwörtlich um, ist man selbst gefangen in diesem Kreislauf der bedeutungslosen Grausamkeit. Überfälle werden selten zur Routine, weil man Überfälle begehen will, sondern weil man selbst gelernt hat wie es ist, wenn plötzlich aus dem Nichts Kugeln um dich herum einschlagen. Man kennt seine Leute, und nach ein paar bitteren Pillen wird dir klar, dass jeder der nicht in deiner Gruppe ist, gegen deine Gruppe seien kann. Töten um nicht getötet zu werden ist der erste, vielleicht scheinheiligste, vielleicht schwierigste Schritt zu einem Weg der mächtig, aber auch bestialisch machen kann.
Wer jemanden umbringt, weil dieser jemand einen umbringen könnte, der wird auch bald diesen höchst zweifelhaften Codex brechen. Vielleicht hat der Kerl ja was im Rucksack was ich, nein, was wir gebrauchen können. Der Kerl ist Alleine, wir als Gruppe sind auf diese Karre viel mehr angewiesen, auf dieses Gewehr, auf diese Bohnen.
Und selbst wenn man sich fragt ob das nicht auch weniger blutig gehen würde, man merkt doch dass es nur eigenes Blut kosten würde. In den Anfängen dieser Apokalypse war es vielleicht so, dass jemand still hält wenn man ihn ausraubt, doch heute scheint selbst der aussichtsloseste Kampf gefochten werden zu müssen. Ein Kerl mit einer Makarov eröffnet das Feuer gegen einen Huey... man ist abgestumpft, klar, aber ganz ehrlich, mir wird schlecht bei dem Gedanken.
Irgendwann denkt man wirklich nicht mehr drüber nach, der Moment in dem man anfängt des Tötens willens zu töten, ist der Moment in dem sich die Wahre Natur Zeigt.
Was das heißt?
Ich weiß es nicht, vielleicht dass nicht die anderen das Problem sind, sondern dass wir der Quell, ein Teil des Quells sind. Vielleicht ist es aber auch nur einer dieser Witze über die man lacht und doch nicht lacht, ein Witz der einem selbst gehört, auch wenn er nicht witzig ist.
Was hat man sich früher gedacht als die Kugeln neben einem einschlugen, obwohl man keine Waffe hatte, obwohl man niemanden etwas tun wollte? Und denkt der arme Kerl dahinten in diesem Moment das Selbe?
Vielleicht muss wirklich erst jemand den ersten Stein legen, Häuser bauen sich schließlich nicht von selbst, und sie bauen sich sicher nicht leichter wenn man weiß wie leicht sie zu zerstören sind. Und für diese Art von Häusern braucht man nicht einmal einen dieser verteufelt seltenen Sprengsätze.
Aber in Wirklichkeit ist es doch so, spätestens wenn die erste Kugel dich umhaut weil du es auf die sanfte Tour versucht hast, weil du helfen wolltest wo du selbst wohl gerne Hilfe gehabt hättest, spätestens dann überlegst du es dir doch anders. Scheiß auf die Anderen, die Fremden, scheiß auf die Gesellschaft. Wenn diese Welt stirbt, wenn dieses Spiel sich seinem Ende nähert, warum dann nicht nochmal auf die Kacke hauen?