Disclaimer: Diese Geschichte soll eine Art Origin-Story der Parkranger sein. Sie basiert auf Erlebnissen in und außerhalb des Spiels, als auch auf Fiktion.

Das
stakkatoartige Donnern eines in der Nähe abgefeuerten
Maschinengewehrs zerfetzte die Stille. Reflexartig ließ der Bob sich
zu Boden fallen, drückte sein Gesicht in den schlammigen Morast und
verharrte dort. Durch stoßartiges Ausatmen durch die Nase versuchte
er das Eindringen von Wasser zu verhindern. Ohne Erfolg. Nässe
durchdrang seinen Bart und seine Kleidung an den Stellen, an denen
sie noch trocken gewesen war. Angestrengt lauschte er in den
rauschenden Regen hinaus, welcher sich schon seit dem frühen Morgen
eingestellt hatte. Stille. Nur das gleichmäßige Prasseln der
Tropfen auf dem bräunlich gefärbten Herbstlaub. Vorsichtig hob er
den Kopf an und sah sich, jede unnötige Bewegung vermeidend und
soweit seine liegende Position es zuließ, verstohlen um. Schmutziges
Wasser rann die langen Fransen seiner grauen Haare hinab. Kurz von
Panik erfasst wendete er seinen Blick zuerst nach links und dann nach
rechts. Beidseitig befanden sich zwei Körper, ebenso reglos wie der
Seine. Verzweiflung überkam den Bob wie ein räudiger Hund eine
läufige Hündin. Seitdem die Toten beschlossen hatten nicht tot zu
bleiben wie es sich für anständige Tote gehörte, sondern lieber
umher wandelten um sich auf alles zu stürzen was noch irgendwie
lebendig war, hatte der Bob schon eine Menge geliebte Menschen
verloren. Dann aber bemerkte er eine Bewegung in dem Körper zu
seiner Rechten, welcher zu Smokey Eyes gehörte. Kurz darauf sah er,
dass auch ein Ruck durch Sunset Horst zu seiner Linken ging und er
zumindest noch am Leben war. Langsam ließ der Bob die angehaltene
Luft wieder entweichen.
„Verdammt,
Bob... galten die Schüsse uns ?“, zischte Smokey aufgebracht über
den rauschenden Regen zu ihm herüber. Bob konnte deutlich hören,
dass sie über die Möglichkeit, dass man es wagen würde auf sie zu
schießen, nicht sonderlich erfreut war. Vermutlich war sie
hauptsächlich erbost darüber, dass sie ihre Klamotten mit Schlamm
besudelt hatte. Der Bob wollte lieber nicht in der Haut desjenigen
stecken, der dafür verantwortlich war. Smokey war zum einen nicht
gerade für ihre Rücksichtnahme bekannt und zum anderen entwickelte
sie ein zunehmendes Interesse daran anderen ihre Ansichten mit dem
Baseballschläger zu vermitteln. Leider erwies sich dies in dieser -
der neuen Welt - oftmals als die einzige Sprache, die viele noch
verstanden.
„Die
Schüsse kamen von Nordwesten.“ raunte Sunset Horst ehe er weiter
angestrengt in den Regen und die Geräusche des Waldes lauschte. Sein
Gesicht war ebenso mit Schlamm verschmiert, wie das des Bobs, aber
wenn er auch nur die geringste Nervosität spürte, dann sah man ihm
das zumindest nicht an.
Auch
Horst schien ebenso wie Smokey durch die Apokalypse zu Höchstform
aufzulaufen und die Art wie er mit jeder Art von Schusswaffen umgehen
konnte, ließ den Bob manchmal daran zweifeln, ob er auch wirklich
alles über die Vergangenheit des Mannes wusste, der ihm nun schon so
lange durch die Apokalypse folgte. „In die Richtung liegt Grishino
und dahinter der Stützpunkt. Dahin müssen wir.“ Endlose Sekunden
vergingen während alle drei weiterhin im Regen verharrten und
angestrengt in die Stille lauschten.
Manchmal
hatte der Bob so richtig die Schnauze voll von alldem. Jeder Tag ein
Kampf ums Überleben. Ein Kampf um Nahrung, um Kleidung und um
Unterschlupf. Ein Kampf um Waffen. Nicht die Untoten waren das
eigentliche Problem dieser Tage. Die drei hatten über die Zeit
gelernt diese effektiv auszuschalten oder gegebenenfalls zu umgehen.
Das
Problem waren die anderen Überlebenden, von denen sich viele mit dem
Wegfall der zivilisierten Welt zurück zu Tieren entwickelten. Das
Leben eines Menschen war dieser Tage nicht mehr viel wert. Manche
waren bereit ohne Zögern Leben zu nehmen. Für einen sicheren
Wohnplatz, für Nahrungsvorräte oder oft auch einfach nur zum Spaß.
Eine
kranke, sterbende Welt.

„Vielleicht
hat da nur jemand auf ein paar verdammte Tote geschossen.“, brummte
der Bob, auch wenn er selbst nicht wirklich daran glaubte. „Mit so
einem großen Kaliber ? Und jetzt nichts als Stille? Wohl kaum.“,
entgegnete Sunset und machte sich daran seine MP-5 möglichst leise
schussbereit zu machen. Der Bob tat es ihm mit seiner angerosteten
Scorpion gleich und aus den Augenwinkeln sah er, wie auch Smokey zu
einer Schusswaffe griff. „Wir sollten direkt alles niedermähen was
dort zuckt und hinterher Fragen stellen.“, raunte sie, ohne den
Blick von der dichten Regenwand voraus abzuwenden. Von Sunset Horst
kam nur ein belustigtes Grunzen. „Wir richten wahrscheinlich mehr
Schaden an, wenn wir unsere Schrottwaffen auf den Gegner werfen. Da
vorne wird nicht mit Erbsen geschossen.“ Beide hatten Recht. Sie
hatten weder die Ausrüstung noch waren sie in irgendeiner Form
militärisch ausgebildet. Die einzige Formation die sie vor dem Tag
Null kannten, war auf der Bühne in Form einer kleinen
Indierock-Band. Sicher, der große Durchbruch war ihnen verwehrt
geblieben und ständig auf Achse zu sein, von einem Gig in einer
schmierigen Kaschemme zum Nächsten, war nicht gerade die Vorstellung
des Bobs von einem erfüllten Leben. Es war aber entschieden besser
gewesen als die Scheiße in der sie jetzt steckten.
Trotz
allem aber hatten Sie sich entschieden Werte, wie Menschlichkeit und
Nächstenliebe, nicht über Bord zu werfen wie so viele andere. Ohne
einen Grund würden Sie nicht auf andere Menschen schießen. Die Welt
machte es ihnen allerdings nicht leicht, sich immer an diesen Kodex
zu halten. Erst recht nicht wenn man im strömenden Regen auf dem
Boden im Schlamm lag und befürchtete gleich von einem
Maschinengewehr niedergemäht zu werden.
„Ihr
wisst, dass wir so einen Scheiß nicht machen, man“, raunte der Bob
und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Checken wir erstmal
die Lage.“
„Ach,
das weiß ich doch Bobby-Baby, wollte Dich nur hoch nehmen.“, gab
Smokey Eyes zurück. „Dann mal auf, für Tod, Glorie und die
Rückkehr der Nächstenliebe“, sprach sie, richtete sich behände
in die Hocke auf und schlich weiter voran durch den Wald und den
Regen. Bob konnte nur noch leise Smokeys umfassenden Liebe zu
dramatischen Filmzitaten verfluchen ehe er zusehen musste, dass er an
ihr dran blieb.
Wo
es noch nicht zu Boden gefallen war, hing das verfärbte Herbstlaub
regenschwer und schlaff von den Ästen und Zweigen der fleckig-nassen
Bäume. Jeder ihrer Schritte wurde von einem leisem saugendem wie
schmatzendem Geräusch begleitet und es schien dem Bob, als wenn
selbst die Natur in tiefe Trauer ob des Falls der Welt getreten wäre.
Angestrengt verengte er seine Augen um besser durch den Regen sehen
zu können, während sie sich vorsichtig von Baum zu Baum zu dem
Ursprung der Schüsse vorarbeiteten. Noch bevor sie erste Gebäude
ausmachen konnten, erreichte sie das gequälte und nach
Menschenfleisch gierende Geräusch umherirrender Zombies. Geschickt
führte Smokey die kleine Gruppe um die umher taumelnden Leiber
herum. Nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit konnten sie durch die
Bäume zuerst einen Wasserturm, dann einige Häuser und dahinter eine
Kirche ausmachen – Grishino. Als sie die Waldgrenze erreichten,
gingen sie wie üblich zuerst in Deckung und sondierten die Umgebung.
„Eine
Menge Zombies stolpern da herum aber ich sehe soweit keine andere
Aktivität“, sagte Horst mit konzentriert klingender Stimme während
er das Dorf mit dem Fernglas beobachtete. „Halt, warte! Da ist eine
Frau. Bei der Scheune! Sie sieht aus als wenn sie irgendwie versucht
die Biester von dem Eingang fernzuhalten.“, berichtete er weiter.
„Hmm…“, kam es abschätzend: „Der Ring um die Deern zieht
sich immer enger. Die scheint das gar nicht mitzukriegen. Dürfte
bald Zombiefutter sein.“, schloss er dann. Der Bob vergrub das
Gesicht in der freien Hand und strich sich dann das Regenwasser aus
dem Bart: „Der Bob wird rüber gehen und versuchen der Frau zu
helfen. Vielleicht kann er die Biester irgendwie ablenken, oder so.“
Kurz blickte er in die Augen der beiden anderen, sah darin aber
keinen Widerspruch. „Ihr bleibt hier und gebt dem Bob Deckung, nur
für den Fall.“ Horst und Smokey nickten ihm knapp zu. Er atmete
noch einmal tief durch und lief dann geduckt, mit abgesenkter Waffe
und langem Finger, aus dem schützenden Wald heraus. Wie jedes mal in
solchen Situationen, schnürte sich ihm der Magen zusammen. Es war
nicht die Angst um sein eigenes Leben, welche ihm zu schaffen machte.
Vielmehr war es die Sorge um die kleine Gemeinschaft mit der er seit
Tag Null gemeinsam überlebte. Irgendwie fühlte der Bob sich für
die beiden verantwortlich. Ein Gefühl welches auch für ihn neu war.
Zudem waren es derzeit die beiden einzigen Menschen in dieser von
allen Göttern verlassenen Welt, denen er noch uneingeschränkt
vertraute. Vertrauen war diese Tage wahrscheinlich das wertvollste
Gut.
Langsam,
stetig den Blick auf das Ziel gerichtet und wohl wissend, dass seine
beiden Freunde über ihn wachten, lief er über das offene Feld in
einem leichten Bogen auf die Scheune zu. Der Regen hatte indes noch
zugenommen und fiel unablässig in dicken Fäden auf die ertrinkende
Erde hinab. Als er näher kam konnte er erkennen, dass aus der
halbgeöffneten Scheune unsteter Feuerschein fiel und die nähere
Umgebung des Tors in flackerndes Licht hüllte. Indes schien die
Frau, welche sich mit einer Feuerwehraxt der Zombies erwehrte, ihn
entdeckt zu haben. Noch in einem weit ausholenden Hieb hielt sie
inne, hob die Hand und winkte dem Bob zu, wie um einen alten,
vermissten Freund zu begrüßen. Wie von neuerlicher Energie beseelt,
entledigte die Frau sich dann mit einem mächtigen Schlag ihrer Axt
des Zombies vor ihr. Während der Bob näher kam, machte sie kurzen
Prozess mit weiteren sechs der heran wankenden Ungetüme. Der Bob
erreichte währenddessen den ersten Zombie, der aber keine Notiz von
ihm nahm. Routiniert ließ der Bob seine Scorpion am Gurt an sich
herabgleiten und zog ein Kampfmesser aus seinem Stiefel. Einige
Sekunden später lagen zwei weitere Untote, nun endgültig tot, am
Boden. Die übrigen Untoten, welche in etwa 200 Metern Entfernung
noch zu sehen waren, schienen unbeeindruckt von dem soeben
stattgefunden Kampf zu sein.
Inzwischen
völlig durchnässt streifte der Bob sein Messer im Gras sauber. Noch
während er sich wieder aufrichtete und auf den Eingang der Scheune
zuging, nahm er erstmals die Frau aus der Nähe in Augenschein. Sie
war wohl mittleren Alters und schien trotz der Apokalypse auffallend
wohlgenährt zu sein, was vermutlich daran lag, dass sie wohl hier
auf dem Bauernhof lebte. Der Gedanke an eine gut gefüllte Kornkammer
und möglicherweise frisch gebackenem Brot verlieh dem Bob ein
kleines Gefühl der Hoffnung. Durch das aus der Scheune tretende
Licht und den schwarzen Wolken, die sich mehr und mehr über ihnen
verdichteten, erschien die gesamte Szenerie in einem unwirklichen
Zwielicht. Der Bob konnte die Gesichtszüge der Frau nur schemenhaft
wahrnehmen, da ihr Antlitz im Schatten lag. Nach wie vor hielt sie
die Feuerwehraxt in den Händen.
„Hey,
gute Bauersfrau, du sprichst mit dem Blauen Bob, man! Der Bob, auf
seiner Wanderschaft durch die Wälder, kam gerade an deinem Haus
vorbei und dachte, dass du Hilfe brauchen könntest.“, und während
er das sagte, deutete er auf die nieder geschlachteten Untoten zu
ihren Füßen. „Aber da hat er sich wohl geirrt.“, fügte er
hinzu. Die Frau stand nun reglos dort mit leicht gesenktem Kopf.
Kurzzeitig erhellte ein Blitz die Umgebung und für einen Moment
glaubte der Bob, dass die Frau ihn mit einem unnatürlich breiten
Mund, welcher durchsetzt war von spitz-gefeilten Zähnen, angrinste.
Mit einem Zwinkern versuchte er das Bild wieder aus seinem Kopf zu
verdrängen.
„Was
ist das für ein Bob, der von sich spricht wie von einem Fremden ?“
antwortete sie mit einer merkwürdig hohen, fisteligen Stimme. Jetzt
wo er etwas Näher gekommen war, konnte der Bob erkennen, dass das
graue Haar der Frau in verfilzten Strängen wirr an ihrem Kopf
herabhing. Ihre Hände und ihre Kleidung waren blutverschmiert und in
ihren Augen glänzte der schiere Wahnsinn: „Willkommen sein sollst
Du dennoch und Teil unseres Festschmauses sein, ja ja!“, fuhr sie
weiter mit dieser aufdringlichen Stimme fort: „Meine Kinderlein und
ich haben großen Hunger und jetzt wo du da bist, können wir endlich
essen.“ Darauf ließ sie ein irres Kichern erklingen, welches dem
Bob das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Nun ja… der Bob ist
eigentlich gar nicht so hungrig.“, antwortete dieser und suchte
dabei so schnell wie möglich seine Umgebung nach einem Ausweg ab.
„Er wollte auch gar nichts weiter.. wollte nur mal nach dem Rechten
sehen. Ist nicht aufdringlich, der Bob.“ Gerade wollte sich der Bob
abwenden, als er aus den Augenwinkeln eine Reflexion aus Richtung der
Scheune wahrnahm. Noch bevor der Bob den Ursprung ausmachen konnte,
brach die Hölle los. Ein Blitzgeflecht am Himmel erleuchtete die
Scheune und die umgebenden Felder. Diesem folgte auf dem Fuß ein
Donner, welcher drohte die Erde in ihren Grundfesten zu erschüttern.
Der Bob fühlte sich davon wie elektrisiert, als hätte der Blitz ihn
irgendwie getroffen und verwundert blickte der Bob an sich herunter.
Mit verschwimmenden Blick sah er, wie sich sein triefnasser Mantel an
seiner rechten Hüfte schnell dunkler färbte. „Verdammt, der gute
Mantel...“, schoss dem Bob noch durch den Kopf, während er
getroffen zu Boden sackte. Am Rande seines schwindenden Bewusstseins
hörte er noch wie sich in der Nähe MP-Feuer über das nun
unerträglich laute Rauschen des Regens erhob. Dann überschwappte
Dunkelheit den Bob. Schwärzer als der Arsch eines Stieres in einer
mondlosen Prärienacht.
Das
Erste was der Bob spürte, war ein stechender Schmerz in der Hüfte.
Das Zweite wie er an seinem Mantelkragen durch den Wald gezerrt
wurde, während seine Beine achtlos durch das Unterholz schliffen.
„Die Wunde ist nicht allzu schwer und ließ sich gut
verbinden. Glatter Durchschuss, Baby. Trotzdem: Ewig können wir den
Bob nicht mehr durch den Wald schleppen.“, hörte der Bob die
vertraute Stimme von Smokey Eyes, vor Anstrengung schwer atmend in
seiner Nähe. „Wir sollten auch langsam weit genug weg sein, um mal
zu verschnaufen.“, antwortete die wohlbekannte Stimme von Sunset
Horst. Mit einiger Überwindung, da seine Stimmbänder ihm nicht
sofort gehorchen wollten, krächzte der Bob: „Dem Bob geht’s gut
! Lasst mich runter ! Die Penner haben dem Bob den Mantel ruiniert,
man !“ Unsanft wurde er daraufhin fallen gelassen und laut erhob
sich Smokey Eyes Quietschen: „Bobby-Baby, da bist du ja wieder“,
und mit diesen Worten umarmte sie ihn ungestüm, so dass des Bobs
Wunde sich wieder schmerzend zu Wort meldete. „Langsam, langsam !“,
stöhnte dieser. Dann löste sich Smokey wieder, und ehe der Bob sich
versah, verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige. Böse funkelte
sie ihn an. „Wage es nicht, mir nochmal so einen Schrecken
einzujagen.“, dann fiel sie ihm abermals um den Hals. „Ich hab’
mir echt Sorgen gemacht, Bobby-Baby.“
Nachdem
sie sich wieder von ihm gelöst hatte, stellten sie kurz sicher, dass
sie nicht verfolgt wurden und richteten ein provisorisches Lager ein.
Der Bob erfuhr, dass er gute zwei Stunden außer Gefecht gewesen war.
Sunset Horst schmeckte die Situation von Anfang an nicht, weshalb er
und Smokey sich im Schutz des Regens an die Scheune herangepirscht
hatten. In dem Moment als die Schüsse fielen, die den Bob
niederstreckten, hatten sie auch das Feuer eröffnet und damit die
Frau erledigt, bevor diese mit der Axt dem Bob den Rest geben konnte.
Gerade noch rechtzeitig, denn schon kamen aus der Scheune andere
verlottert wirkende Überlebende. Horst blieb nicht anderes übrig
als sich den Bob über die Schulter zu werfen und fluchend Richtung
rettenden Waldrand zu rennen. Smokey blieb währenddessen dicht
hinter ihm, immer wieder nach hinten auf das Scheunentor feuernd, was
die Gegner in Deckung zwang und ihnen somit die Flucht ermöglichte.
Immerhin hatte der Regen inzwischen aufgehört.

„Das
waren verdammte Kannibalen, Bob“, schloss Sunset Horst seinen
Bericht. „Als wir dich aufgegriffen haben, hab ich einen kurzen
Blick in die Scheune werfen können. Die waren gerade dabei andere
Überlebende handlich zu zerteilen. Das waren wahrscheinlich die
Schüsse, die wir gehört haben.“, angewidert verzog er das
Gesicht. „Verdammt widerlich und was bei denen über dem Feuer
brutzelte, willst Du erst gar nicht wissen“, verächtlich spuckte
er auf den Boden.
„Eine
verdammte Schande, wozu Menschen in der Not imstande sind.“,
stimmte der Bob ihm zu. Nachdenklich starrte er in das Feuer, welches
sie entzündet hatten. Inzwischen war der Abend über sie
hereingebrochen. Der Lichtschein erhellte die kleine Lichtung und die
umstehenden Bäume sowie das leise Knistern des Feuers übertönte
kaum die Geräusche des Waldes. Beruhigende Geräusche, wie der Bob
fand. Weder durchsetzt von dem Gestöhne von Zombies oder dem
Geräusch fliegender Gewehrkugeln, welche in dieser Zeit jederzeit
erschallen konnten.
Über
dem Feuer hing an einem behelfsmäßigen Holzgestell ein Dutchoven,
in dem etwas Ziegenfleisch vor sich hin garte. Der Bob kam ins
Grübeln: Sicher, Hunger war diese Tage ein ständiger Begleiter,
aber sich deswegen an seinen Mitmenschen zu vergehen war etwas, was
den Bob trotz der ganzen Scheiße die er bisher gesehen hatte, immer
wieder erschrak. Eine Weile musterte er, über das Feuer hinweg,
seine Begleiter. Damals in den alten Tagen und es schien dem Bob als
sei das eine Ewigkeit her, galten sie alle drei als Außenseiter.
Musiker ohne Durchbruch, mit dem Hang hart zu feiern und zu viele
Drogen zu konsumieren.
Nun
aber lagen die Dinge anders. So verrückt wie es scheinen mochte, so
gehörten sie in diesen, den letzten Tagen der Menschheit noch zu den
am wenigsten Verrückten. Einige Jahre schon, seit die Scheiße
losging, zogen sie quer durch Europa. Wohin sie auch kamen ertönte
überall das gleiche Lied von Leid, Missgunst und Tod. Irgendwann
stieß die Gruppe auf Gerüchte: Im Osten sei alles nicht so schlimm
und dort könne man noch ein halbwegs normales Leben führen.
Das
hatte sich als Irrtum erwiesen. Mit traurigen Augen folgte der Bob
kurze Zeit den Funken, welche sich über das Lagerfeuer tanzend und
schwankend, frei von jeder Last, in die Lüfte erhoben - Hell
erleuchtet in ihrem Dasein. Schließlich gab er einen tiefen Seufzer
von sich und richtete sich etwas auf: „Wollen wir nun immer so
weiterleben ?“, schaute er sie fragend an, „Ständig auf Platte,
von der Hand in den Mund ? Immer auf der Flucht, vor irgendwelchen
Wahnsinnigen, die uns wegen irgendeiner Scheiße ans Leder wollen ?“.
Horst schürzte nachdenklich die Lippen. „Schmeckt dir mein
Ziegenfleisch-Eintopf plötzlich nicht mehr ?“, fragte er mit
spöttischem Unterton, was von Smokey mit einem halb erstickten
Lacher quittiert wurde.
„Horst,
dein Ziegeneintopf schmeckt wie immer Scheiße, aber darum geht es
hier nicht, man.“, entgegnete der Bob. Es war als würde sich eine
vage Idee in seinem Kopf formen, ähnlich dem Entstehen eines neuen
Songs. Der Moment, in dem die ersten Hooklines im Kopf erklingen. Man
kann den Song noch nicht völlig greifen aber man spürt, dass etwas
Gutes im Entstehen ist.
„Die
Menschheit ist verdammt nochmal vor die Hunde gegangen.“, führte
der Bob seinen Gedanken weiter aus. „Nach all den Jahren dürfte
klar sein, dass wir nicht mehr auf Rettung von irgendeiner höheren
Stelle zu hoffen brauchen.“ Horst nickte zustimmend, während
Smokey immer noch abwechselnd hustend und leise glucksend lachend,
sich mit der Faust auf die Brust klopfte um den letzten Bissen
Eintopf die Kehle hinunterzubefördern. „Wir sind nun die, die
festlegen müssen, wie die Zukunft der Menschheit aussehen soll und
das können wir nicht, wenn wir von einem Ort zum Anderen ziehen.“
Nachdenklich griff der Bob zu einem am Boden liegenden Stock, um
damit im Feuer herumzustochern. Weitere Funken stoben auf und setzten
zu ihrem unbeschwerten Tanz zu den Sternen an. Smokey schien sich
inzwischen wieder beruhigt zu haben und mit ungewöhnlich sanfter
Stimme sagte sie: „Bobby-Baby, ich weiß ja, was Du meinst. Ich hab
es nach all den Jahren auch ziemlich satt umherzuziehen.“, und ihr
Gesichtsausdruck sagte dem Bob, dass sie aus tiefster Seele sprach.
„Aber du weißt wie solche Dinge enden.“ Sunset Horst verlagerte
seine Sitzposition etwas. „Sie hat Recht, Bob. Ist ja nicht so,
dass wir es nicht versucht hätten.“ Smokey nickte zu seinen Worten
bekräftigend. „Aber jedes Mal wenn wir versucht haben uns irgendwo
friedlich nieder zu lassen, kam irgendwann irgendein Spinner um die
Ecke und versuchte uns auszupressen.“ - „Oder Schlimmeres“,
fügte Smokey hinzu. Horst nickte bekräftigend: „Oder Schlimmeres,
du sagst es, Smokey.“
„Das
Gleiche passierte, wenn wir uns großen Gruppierungen anschlossen.“,
ergänzte Smokey. „Bisher hatten wir Riesenglück, dass wir die
Leichen in deren Keller rechtzeitig fanden bevor wir selbst dazu
wurden.“ Der Bob nickte langsam vor sich hin, während er die
Ereignisse der letzten Jahre Revue passieren ließ. Smokey und Horst
hatten unbestreitbar Recht. Viele Menschen schienen mit dem Wegfall
des sanften Kokons den man Zivilisation nannte, alles vergessen zu
haben, was man mit Menschlichkeit in Verbindung bringt.
„Dann
liegt die Lösung doch auf der Hand, man.“, der Bob stach den Stock
mit einem Ruck in die Glut hinein, so dass dieser steckenblieb.
Abermals stoben Funken auf. „Wir müssen eine eigene Gruppe
gründen.“ Der Bob richtete sich etwas auf. „Wir suchen andere,
die so denken wie wir und arbeiten mit ihnen zusammen. Wir besorgen
uns richtige Waffen, lernen damit umzugehen, lagern sie im Wald ein.
Kämpfen nur wenn wir im Vorteil sind. Sorgen dafür, dass so eine
Scheiße wie vorhin nicht mehr so oft vorkommt.“, der Bob sah beide
mit immer fester werdendem Blick an. Sunset Horst nickte langsam: „Du
meinst so einen Guerilla-Scheiß, man ? Hm…,das könnte sogar bei
so alten Säcken wie uns funktionieren.“ Unversehens verpasste
Smokey Eyes ihm einen Schlag auf den Oberarm. „Hey, sprich nur für
dich selbst, alter Mann.“, fügte sie mit einem frechen Grinsen
hinzu. „Was den Rest angeht: Klingt nicht schlecht. Vielleicht ist
es wirklich an der Zeit, dass wir aufhören mit dem Davonlaufen.“,
und eine Weile schaute sie den aufstobenden Funken hinterher. „Wie
wollen wir denn das neue Baby nennen?“ Auffordernd schaute sie in
die Runde. Dem Bob war, als würde er die Geräusche des Waldes nun
ganz deutlich hören. Jedes Tier, jede Pflanze an seinem Platz in
perfekter Symbiose und Harmonie. „Nun, wir sorgen dafür, dass
Unrat aus der Umgebung verschwindet.“,begann der Bob. „Außerdem
wollen wir andere unterstützen und ihnen helfen.“, führte er
weiter aus. „Wir nutzen den Wald und leben in ihm, in etwa wie
so’ne Art Parkranger, man.“, schloss er dann.
„Parkranger,
hm ?“, erwiderte Sunset Horst, „Klingt gar nicht mal so übel.“
Dann nickte er bekräftigend. „Ihr wisst, dass ich für euch beide
sterben würde und ich weiß, dass für euch das Gleiche gilt. Lasst
uns also einen kleinen Flecken dieser gottverfluchten Welt etwas
besser machen.“ Smokey zappelte derweil nervös und schien von
Euphorie erfüllt: „Uuuhhh, Parkranger, das klingt wirklich nett.
Kriegen wir dann auch so schicke Uniformen ? Und so Armbinden ? Ich
will auf jeden Fall Pinkfarbene !“, sprudelte sie sogleich wie ein
Wasserfall los. Der Bob nickte milde lächelnd: „Wenn’s dich
glücklich macht, tragen wir auch pinkfarbene Armbinden“, was
Smokey mit einem Jauchzer begrüsste. Sunset Horst wurde plötzlich
ernst: „Ihr wisst aber auch, dass das bedeutet, dass wir uns noch
heute Nacht um diese verdammten Kannibalen kümmern müssen.“
Des
Bobs Blick verfinsterte sich. „Das hat sich der Bob auch schon
gedacht. Wir können nicht zulassen, dass noch weitere Überlebende
in die Fänge dieser… dieser Menschenfresser landen, man.“ Smokey
Eyes schien dies nicht zu beunruhigen. „Klingt als würde Mamas
Lieblingsbaseballschläger Arbeit bekommen“, sprach sie und machte sich schon
daran ihre Sachen zusammenzupacken. Ohne weitere Worte zu
verschwenden räumten sie routiniert das Lager und löschten das
Feuer. Noch einmal kurz die Waffen überprüft, dann verschwanden die
neuen Ranger einer nach dem anderen leise im Wald…
